Innsbrucks Wasserschloss: Warum Tirol auf einem flüssigen Schatz sitzt

Neuer Trinkwasserstollen der IKB
Die Tiroler Landeshauptstadt sitzt auf einem flüssigen Schatz. Mit einem neuen Trinkwasserstollen im Hausgebirge wird nun mehr davon gehoben.

Die Gipfelregion der auf über 2.000 Meter aufragenden Innsbrucker Nordkette präsentiert sich am Samstag nach einem markanten Schlechtwettereinbruch frisch angezuckert. Zuletzt waren die letzten Überbleibsel eines schneearmen Winters schon beinahe verschwunden. Das Schmelzwasser, das hier in den Berg einsickert, geht auf eine lange Reise. Ein gutes Jahrzehnt wird es dauern, bis es auf rund 1.000 Metern Höhe in der Mühlauer Quelle anlangt.

Stollensystem erweitert

Sie liegt an einem der vielen Wanderwege in den Wäldern der Nordkette und versorgt etwa 90 Prozent der Bevölkerung der Tiroler Landeshauptstadt mit Trinkwasser. Ein neues Portal, das in den Fels führt, zeugt von einem Erweiterungsprojekt der ursprünglich aus drei Stollen bestehenden Anlage. Sie wurde in den 1940er- und 1950er-Jahren errichtet – ein vermeintlich ewig sprudelnder Quell der Freude.

Doch der Klimawandel macht sich nicht nur in den von Grundwasser abhängigen Regionen Österreichs im Flachland bemerkbar, in denen sich lange Trockenphasen relativ unmittelbar auswirken. „Wir haben über die letzten Jahre beobachtet, dass die Schüttungen zurückgegangen sind“, sagt Robert Gschleiner, der bei den Innsbrucker Kommunalbetrieben (IKB) für den Bereich verantwortlich ist.

Mit IKB-Experten im Trinkwasserstollen Mühlau

Trockenere Frühjahre

Dabei geht es weniger um die über ein gesamtes Jahr gefassten Wassermengen. „Man hat gesehen, dass es in einem trockenen Frühjahr wie heuer bei den notwendigen Tagesspitzen knapp werden könnte. In dieser Zeit werden etwa auch die Schwimmbäder befüllt“, sagt IKB-Projektleiter Markus Wippersberger. Nicht, dass nicht genug Wasser im Berg wäre. Die Physik will es, dass die herausfließenden Mengen davon abhängig sind, dass an der Oberfläche Schmelz- oder Regenwasser nachdrückt.

Durch eine große Tür geht es gemeinsam mit den Männern hinein in den Berg in einen über vier Meter hohen und in den vergangenen drei Jahren ausgebrochenen Tunnel. Der Weg führt entlang eines großen blauen Rohrs, bis sich dieses in zwei Leitungen aufsplittet. In der einen fließt seit vergangenem Dezember das Wasser aus einer neuen Fassung, in der anderen jenes aus einem alten Stollen.

„Über dem hat 2012 eine Mure den Boden aufgerissen und wir hatten massive Eintrübungen im Wasser“, sagt Gschleiner. In der Folge reifte bei den IKB der Plan, die Problemzone mit einem neuen Stollen zu umgehen. „Das war das erste Ziel. Das zweite war mehr Wasser“, so Wippersberger. Eine Langfristprognose der IKB geht davon aus, dass der Wasserbedarf von Innsbruck in den kommenden 50 Jahren – vor allem durch den Klimawandel bedingt – um 350 Liter auf 1.500 Liter pro Sekunde steigen wird.

Genau diese benötigten Zusatzmengen werden nun einem gänzlich neuen Stollen gefasst. An dessen Ende ist man über 600 Meter tief im Berg und 400 Meter unter der Oberfläche. Aus einem Betontunnel schießt das Wasser nur so aus dem Berg. Es kommt aus den Felsen darüber und aus sechs Bohrleitungen weiter hinten.

Neuer Trinkwasserstollen der IKB

Überraschung im Berg

Um diese Kaverne zu errichten, mussten die IKB improvisieren. Im Tunnelvortrieb war man nicht nur viel früher als erwartet auf Wasser gestoßen, sondern auch auf ein bisher unbekanntes Gestein: den lehmigen und instabilen Mühlauer Mergel. Das Loch im Berg konnte nicht einfach mit Beton ausgespritzt werden, es mussten eigens konstruierte Schalelemente eingesetzt werden.

Am Ende standen auch wegen dieser Probleme Kosten von 43 statt der ursprünglich geplanten 26 Millionen Euro zu Buche. „Für die Natur kann keiner was. Und es geht hier um die Versorgungssicherheit der Stadt“, sagt der inzwischen dazu gestoßene IKB-Vorstand Thomas Pühringer. Auch für ihn ist klar: „Es wird heißer. Deshalb wird es mehr Wasser brauchen – zum Kühlen und zum Bewässern“, sagt er.

Hitzehauptstadt

Schon jetzt ist Innsbruck die Landeshauptstadt mit den meisten Hitzetagen pro Jahr. 2024 lagen die Temperaturen an 35 Tagen bei 30 Grad und mehr. Noch in den Jahren 1961 bis 1990 wurden im Schnitt nur 9 solcher extrem heißen Tage gezählt. Es ist einer von vielen Belegen dafür, dass die Auswirkungen des Klimawandels für besonders markante Veränderungen sorgen.

Nicht nur die Temperaturen sind in den Alpen wesentlich stärker gestiegen als im globalen Schnitt, auch Starkniederschläge nehmen zu. Wer meint, dass sich höhere Regenmengen positiv auf die Wasserversorgung auswirken, der irrt. „Starkregen trägt nichts zum Bergwasserspiegel bei. Denn das Wasser rinnt vor allem oberflächlich ab“, erklärt Wippersberger.

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