Illegale Migration: 2021 doppelt so viele Aufgriffe wie 2020
2021 sind nach Angaben des Bundeskriminalamts (BK) mehr als 40.000 Aufgriffe von Menschen erfolgt, die illegal und teils mit Hilfe von Schleppern die Landesgrenzen passiert hatten. Das sind fast doppelt so viele wie im Jahr davor. Gleichzeitig wurden beinahe 400 Schlepper identifiziert. „Schlepperei ist ein menschenverachtendes Verbrechen und ist zu einem der größten Zweige der organisierten Kriminalität geworden“, sagte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) am Freitag.
2020 waren 21.641 illegal eingereiste oder aufhältige Menschen aufgegriffen worden, gegenüber 2019 ein Plus von rund zwölf Prozent, aber deutlich weniger als in den Jahren 2012 bis 2017 mit dem Höhepunkt 2015, als mehr als 94.000 Menschen illegalen Aufenthalts in Österreich aufgegriffen wurden.
Bei den Geschleppten gab es schon damals mit 4.842 Aufgriffen gegenüber 2019 (2.469 Aufgriffe) beinahe eine Verdopplung, dazu waren mit 311 registrierten Schleppern um 69 mehr als 2019 aufgeflogen. Die Anzahl der als geschleppt identifizierten Migranten für 2021 liegt noch nicht vor, sie wird im jährlichen Schlepperbericht des Innenministeriums enthalten sein.
Schlechte Versorgung im Westbalkan
Die Ursache für die deutliche Zunahme erläuterte BK-Experte Gerald Tatzgern auf APA-Anfrage: „Anfang 2020 befanden sich noch 100.000 bis 120.000 Migranten in Regionen des Westbalkans inklusive Griechenland, Bulgarien und Rumänien. Heute halten sich dort nur noch 50.000 bis 60.000 Menschen auf. Sehr viele wollten die schlechte Versorgung nicht mehr ertragen, die Schlepper witterten ihr Geschäft.“
Aktuell sei die Lage volatil, so seine Einschätzung: „Bleibt die Türkei stabil, verändert sich die Lage im Iran, in Pakistan nicht, so lange ist nicht mit einer Veränderung (der Migrationsströme, Anm.) zu rechnen.“ Das könne aber niemand vorhersagen. Unberechenbar sei die Situation besonders in Afghanistan, das ein großer Teil der Bevölkerung verlassen wollen würde. Das weitere Vorgehen der Taliban sei aber nicht einzuschätzen.
Im Oktober zwei tote Flüchtlinge im Burgenland
Migranten, die sich in die Hände von Schlepperbanden begeben, gehen große Risiken ein. „Der Modus ändert sich“, sagte Tatzgern. Vermehrt würden sehr junge Fahrer eingesetzt, mit der strikten Anweisung, sich nicht erwischen zu lassen. Ende Oktober starben zwei syrische Flüchtlinge, stehend mit 27 anderen Migranten in einen geschlossenen Transporter gepfercht, bei Siegendorf im Burgenland. Der 19-jährige verdächtige Lette wurde später in seiner Heimat festgenommen. Am Dreikönigstag 2022 raste ein Schlepperfahrzeug mit 30 Flüchtlingen bei Neckenmarkt über die Grenze, ungarische Polizisten auf den Fersen, die sogar Schüsse abgaben.
Im BK ist die Bekämpfung der Schlepperkriminalität nunmehr neu strukturiert. Ein rund 50-köpfiges Team ermittelt gegen Schlepperei, Menschenhandel und Delikte wie Visaerschleichung, Sozialleistungsmissbrauch und illegales Glücksspiel. Die Schlepper seien professionell organisiert, die Lage an der zentralen Mittelmeerroute und der Westbalkanroute angespannt, so Karner.
Die neue Abteilung 8 leitet Tatzgern, zuvor schon Chef der Zentralstelle für Bekämpfung der Schlepperkriminalität, deren Aufgabengebiet Schlepperei und Menschenhandel um „Kriminalitätsphänomene, die in Zusammenhang mit der Migration stehen“, erweitert wurde, sagte BK-Direktor Andreas Holzer. Die Spezialeinheit verstehe sich „als die zentrale Ansprechstelle und Ermittlungseinheit“, so Tatzgern, „beginnend bei der Schlepperei und dem Handel von Menschenleben bis hin zu jenen Delikten, die oftmals in diesem Kontext stehen: Die Verwendung gefälschter Dokumente, das Erschleichen echter Visa, der Missbrauch von Staatsleistungen usw.“ Zudem wird das illegale Glücksspiel zukünftig hier ermittelt.
Missbrauch von Sozialleistungen sei immer mehr Thema, hieß es: Innerhalb von drei Jahren wurden über 8.500 Anzeigen gestellt und 9.386 Tatverdächtige ausgeforscht, der Schaden betrug mehr als 50 Millionen Euro. Die zuständige Task Force „SOLBE“ setzt ihre Arbeit in der neuen Abteilung fort. Diese ist im bestehenden Amtsgebäude in Wien-Leopoldstadt untergebracht. Nach Abschluss des sechsmonatigen Probebetriebs soll ein Evaluierungsbericht vorliegen.
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