Gleiches gilt für den Rudentanz in Sierning (findet am Faschingsdienstag statt), die Traunkirchner Mordsgeschichten (beides Oberösterreich) oder den Ausseer Fasching (Steiermark) mit Trommelweibern, Flinserl und Pless sowie den Faschingsbriefen, die das lokale Leben gereimt aufs Korn nehmen.
Weiters gehören die Imster Fasnacht (Tirol), das Faschingsrennen am „damischen Mountag“ in der Steiermark sowie das „Gealdbittelwäsch“, das in Vorarlberg die Vergänglichkeit der Faschingszeit symbolisiert.
Fasching steht für Verkleiden, Verhüllen und Verbergen: Günther Jontes, steirischer Volkskundler und Kenner des heimischen Brauchtums, beschrieb dies mit dem Wunsch der Menschen, einmal alles auf den Kopf zu stellen – und sei es nur für einen Tag.
Keine neuzeitliche Erfindung: das gab es auch bei den Römern, als Sklaven und Herren für einen Tag die Plätze tauschten – und die sonst Beherrschten sagen durften, was ihnen sonst verboten war.
Psychologen finden das gut; wer in andere Rollen schlüpfe, schaffe es leichter, schlechte Nachrichten zu vergessen. Als andere Person ließe sich auch einfach einmal aussprechen, was man wirklich denkt.
Bräuche wie die Ebenseer Fetzen, die Ausseer Flinserln oder auch der Villacher Fasching – ja, auch das „Lei Lei“-Spektakel hat eine mehr als 100 Jahre alte Tradition – reihen sich dort ein.
Verborgen hinter den Masken durften etwa die Ebenseer Fetzen die Mitbürger „austadeln “ – ihnen also die Wahrheit ins unmaskierte Gesicht sagen.
Das Prinzip kennt auch das (TV-)Publikum vom Villacher Fasching, wenn von der Bühne herab die im Publikum sitzenden Politikerinnen und Politiker getadelt werden. (Die finden das meist eher weniger lustig, machen aber oft gute Miene zum bösen Spiel.)
Der Fasching in Villach ist seit 1910 als Bauernball institutionalisiert, daraus bildete sich in den 1960ern die Villacher Faschingsgilde. Der Rest ist (Fernseh-)Geschichte.
Laut Politologin Helga Maria Wolf ist der Fasching „ein gesamteuropäisches Phänomen“, das durch Medien und Fernsehen noch mehr an Ansehen und Aufmerksamkeit gewonnen hat.
Tatsächlich zog mit den ersten TV-Geräten in den Haushalten oder Wirtshäusern auch der Mainzer Fasching in Österreich ein, der großteils ein Sitzungskarneval war. Viele Gilden in Österreich begannen in den 1950ern, das zu imitieren.
Ganz und gar nicht lustig, sondern sehr ernst nehmen Faschingsprinzenpaare ihre Aufgaben. Sie repräsentieren vielerorts den Fasching und investieren viel Zeit in ihre Aufgaben – neben Repräsentation und Bewerbung zählen dazu Auftritte bei Sitzungen.
Ihre „Amtszeit“ deutet auf die Umkehrung der Verhältnisse in der Faschingszeit hin.
Die Zahl „Elf“ ist im Fasching von großer Bedeutung. Am 11.11. um 11.11 Uhr wird er eröffnet, die Zahl symbolisiert auch die Gleichheit aller Menschen unter der Narrenkappe und erinnert an die Französische Revolution. Viele Faschingsvereinigungen haben daher nicht nur ein klassisches Präsidium – ihnen sitzt auch ein Elferrat vor.
Orden spielen bei den Faschingsgilden eine große Rolle. Die Dekoration mit einer Unzahl an Faschingsorden sollte die Geltungssucht von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens persiflieren.
Ob eine Region Narren-Hochburg ist oder nicht, stehe und falle mit „einzelnen Personen“, betont Wolf. Das erklärt, dass manche Orte gar so lustig sind (oder sein wollen) und anderswo keine Faschingsstimmung aufkommen mag. Oder nicht mehr, denn: „In Wien gab es beispielsweise im 19. Jahrhundert viele Faschingsumzüge“, sagt Wolf.
Dass der Fasching in Wien kaum noch gefeiert wird, erklärt Paul Herzog, Präsident der Döblinger Faschingsgilde (sie ist eine von wenigen und wohl die bekannteste in der Stadt), mit der viel größeren Konkurrenz und Auswahl an Freizeitaktivitäten als in ländlichen Gemeinden: „In Wien gibt es viele Bälle, aber eben keine Umzüge.“
Freilich, der Fasching des 21. Jahrhunderts ist ein Geschäft. 28 Millionen Euro Umsatz bringt er laut Handelsverband heuer – vom Kostüm bis zum Krapfen. Dieser soll einst übrigens deshalb verspeist worden sein, um mit einer nahrhaften Mahlzeit in die Fastenzeit zu starten.
Apropos: die historische Auslegung der Fastenregeln ist originell. Man warf Schweine oder Hühner in Brunnen und fischte sie wieder heraus. Denn ein Tier, das aus dem Wasser geholt wurde, galt als Fisch – und durfte verzehrt werden. Und das ist schon wieder so lustig, dass es aus dem Villacher Fasching stammen könnte.
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