Thomas, 37, verheirateter Familienvater und Angestellter im Anlagenbau aus dem Großraum Linz, redet im KURIER-Interview offen über seine Spielsucht. Zum Schutz seiner Familie möchte er aber anonym bleiben.
KURIER:Wie haben sie mit dem Spielen begonnen?
Thomas: Mit Fußballsportwetten, da habe ich ganz normal Tipps abgegeben, dann sind Werbungen für das Onlinecasino eingespielt worden – das war der Anfang.
Erst Minimaleinsätze, 10, 20 Euro. Dann täglich einige tausend Euro. Was halt verfügbar war. Vorher war ich ein sehr sparsamer Mensch. Durch den Hausbau ist die Geldfrage gekommen. Und zuerst ist alles sehr gut gegangen, mit großen Gewinnen.
Wie groß?
So zehntausend Euro einmal. Damit habe ich einen Whirlpool finanziert. Dann ist die Dimension explodiert, weil es keine Rahmenbedingungen gegeben hat.
Was haben Sie verspielt?
Sicher 50.000 Euro.
Wie lange hat es gedauert, bis sie spielsüchtig wurden?
Das ist schon im ersten Jahr losgegangen.
Was war der Kick für Sie?
Viel Geld zu verdienen.
Wie hat Ihre Familie mitbekommen, dass Sie spielen?
Am Anfang war das auch für die Familie eine große Freude. Dann ist es ruhiger geworden, meine Frau hat geglaubt, ich habe aufgehört. Ich habe zwei Leben geführt. Eines als Spieler, eines als Familienmensch und Vater. Ich habe meine Pflichten erfüllt und lange alles zahlen können. Dann ist der ganze Monatslohn draufgegangen.
Der Punkt zum Aufhören?
Da habe ich noch auf unsere Ersparnisse zugegriffen. Das hat meine Frau bemerkt. Dann ist bald die Scheidung mit dem Verkauf des Hauses im Raum gestanden. Das war die Motivation, zu sagen: Bevor ich alles, verliere, suche ich Hilfe. Ich habe lange nicht wahrhaben wollen, dass ich spielsüchtig bin.
Wie lange haben Sie das Doppelleben geführt?
Vier Jahre.
Auch im Kollegenkreis hat das niemand mitbekommen?
Nein. Ich hab das sehr gut gemacht. Ich habe mich zurückgezogen, auf verschiedene Örtchen, aber in der Arbeitszeit auch sehr wenig gespielt.
Was haben Sie gespielt?
Mich hat Online-Poker am meisten fasziniert. Am Anfang mit hohen Gewinnen, dann habe ich die Übersicht verloren. Ich war oft schnell oben, dann hat die Sucht alles zum Kippen gebracht, habe allen Gewinn verloren und gleich wieder ein paar Tausend Euro hineingebuttert.
Und Sie kamen nicht aus dem Teufelskreis heraus?
Ich bin sicher, sie lassen dich ein paar Mal gewinnen. Da geht zwei Stunden nichts, dann setze ich 200 Euro, und es kommen vier Asse. Vier Asse. Das habe ich den Einsatz auf 6.000 Euro erhöht, obwohl ich gerade aufhören wollte. Das löst so ein Glücksgefühl aus, bei einem einzigen Spiel. Da habe ich die große Kohle gemacht. Das speichert sich ab. Wenn man verliert, denkt man immer nur daran, dass das wieder kommt. Vier Asse. Ein ewiger Trieb.
Derzeit ist es in Kärnten, Steiermark, NÖ, OÖ und Burgenland legalisiert. In Wien, Tirol und Vorarlberg ist es verboten. Die neue Salzburger ÖVP-FPÖ-Koalition will es in Salzburg legalisieren.
Finanzpolizei
Immer wieder werden illegale Automaten beschlagnahmt. Seit 2018 die meisten in Wien (2.397), vor OÖ (1.739) und Salzburg (1.135).
24,6 Millionen Euro Strafen haben die Finanzbehörden seit 2021 wegen Verstößen im Bezug auf das Glücksspiel beantragt, 19,3 Millionen Euro davon im Jahr 2021
Hätten Sie erwartet, dass Sie jemand von der Bank oder vom Online-Casino anspricht?
Ja, ich glaube, das würde auf einen Spieler schon wirken, wenn von den Betreibern kommt: He, du spielst so hohe Summen. Mir war als Spieler nicht klar, was ich verspielt habe. Erst, als ich mir eine Aufstellung schicken habe lassen.
Das hätten Sie aber von Anfang an machen können.
Als Spieler macht man das nicht. Aber ich habe nach meiner Sucht ein Verfahren gegen ein illegales Online-Casino eingeleitet und fast die Hälfte meines Verlustes zurückbekommen.
Gesetzliche Limits. Man kann zwar selber Limits einstellen, aber als Spielsüchtiger findet man Wege, das zu umgehen. Der Gesetzgeber müsste sagen: Glückspiel ist erlaubt, aber nur in einem gewissen Rahmen. Wenn Leute pro Tag etwa 500 Euro verspielen, und das laufend – da müsste der Staat eingreifen. Und 500 Euro pro Tag klingt viel, aber für einen Spielsüchtigen ist das nichts, gar nichts. Ich hätte das früher auch nicht für möglich gehalten.
Jetzt spielen Sie nicht mehr?
Seit zwei Jahren, mit einem Rückfall. Ich habe massive Einschränkungen, keinen Zugriff auf Bankdaten online. Wenn ich Geld abhebe, sieht das meine Frau und wir besprechen, wofür das Geld ist.
Hatten Sie Entzugserscheinungen?
Ja, und es ist immer noch da. Die Gespräche in der Selbsthilfegruppe helfen mir.
Glauben Sie, kann jeder spielsüchtig werden?
Es ist zwar unvorstellbar. Aber setzen Sie den verantwortungsbewusstesten Menschen da hin und lassen Sie ihn spielen. Ich wette, nach einem Monat ist er süchtig. Das Spiel manipuliert dich so stark, dass man nicht mehr klar denken kann.
Eigentlich jeder. Gerade in Zeiten der Teuerung, wo man sich als Normalbürger nichts mehr schaffen kann, wird der Trend hin zu diesen Online-Glücksspielen massiv steigen. Ich glaube, das wird noch so richtig eskalieren.
Wann spielt man zu viel?
Wenn jemand eine Stunde pro Tag spielt, ist das der Beginn eines Suchtverhaltens. Jeden Tag eine Stunde mit zehn Euro würde nichts machen. Aber wenn neben dir die Leute ein paar Tausend Euro gewinnen, bleibt es nicht bei den zehn Euro.
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