Europas Atomkraftwerke überaltern, das Sicherheitsrisiko steigt

Ein Tankwagen fährt auf einer Landstraße vor vier Kühltürmen eines Kernkraftwerks.
Atomkritiker fordern bei der "Nuclear Energy Conference" in Linz EU-weite Obergrenze für AKW-Laufzeiten.

Weil Europas Atomkraftwerke zum überwiegenden Teil an das Ende ihrer geplanten und genehmigten Betriebszeit kommen, befürchten die Atomgegner weitgehend unkontrollierte und extrem risikoreiche Laufzeitverlängerungen durch die Betreiber. Die „Allianz der Regionen für einen europaweiten Atomausstieg“ fordert deshalb eine EU-weite Obergrenze für AKW-Laufzeiten.

Bei der „Nuclear Energy Conference“ in Linz, die von 16 europäischen Regionen getragen wird, beraten am heutigen Mittwoch Atomgegner, Experten und Vertreter von NGOs aus den verschiedensten Nationen über Maßnahmen und eine Strategie gegen das drohende Sicherheitsrisiko.

Das Durchschnittsalter der derzeit in Europa aktiven 126 Atomreaktoren beträgt rund 34 Jahre. Alle Reaktoren, die rund um Österreich derzeit aktiv sind, sind über 30 Jahre alt. Um den Ausstieg und die extrem teure Abwrackung der alten Kernkraftwerke hinauszuzögern und weiter Geschäfte zu machen, versuche die Atomindustrie die Betriebsdauer zu strecken, erklärt Oberösterreichs Umweltlandesrat Rudi Anschober. Er hat die „Allianz der Regionen für einen europaweiten Atomausstieg“ initiiert hat.

Eine Karte von Europa, die Atomkraftwerke zeigt, die älter als 30 Jahre sind.

Alle Atomkraftwerke um Österreich, sind über 30 Jahre alt.

 

Gemeinsam haben die Regionen deshalb bei der Internationalen Agentur für Reaktorsicherheit (INRAG) eine Studie in Auftrag gegeben, die diese Bedrohung untersucht. Mit den Ergebnissen werden die Atomgegner im Herbst von der neuen EU-Kommission und dem EU-Parlament klare, rechtlich verpflichtende und grenzüberschreitende Gesetze und Bürgerbeteiligungsprozesse für Laufzeitverlängerungen von AKW verlangen. Als Verhandlungsbasis mit der EU im Herbst nennt Anschober im Namen der Allianz-Regionen eine maximale Betriebsdauer von 40 Jahren für alle Atomkraftwerke in Europa.     

Drei Männer sitzen an einem Tisch bei einer Pressekonferenz zum Thema Atomkraft.

Atomexperte Renneberg, Landesrat Anschober und Ökonom Kaspar Müller

Bei der Linzer Konferenz präsentiert der deutsche Experte und frühere Chef der deutschen Atombehörde, Wolfgang Renneberg, einen ersten dramatischen Zwischenbericht aus der Studie: „Der Weiterbetrieb von Altanlagen birgt ein deutlich erhöhtes Risiko für Zwischenfälle. Die Defizite alter Kernkraftwerke liegen klar auf der Hand. Die Sicherheitsreserven dieser Anlagen werden mit der Zeit aufgebraucht und werden deutlich kleiner“. Die Zahl der Zwischenfälle bei diesen Anlagen verdoppele sich, erklärt Renneberg.

Die Meinung, dass ein Neubau von AKW aufgrund der fehlenden Rentabilität nicht mehr zu erwarten sei, vertritt der Schweizer Ökonom und Atom-Experte Kaspar Müller in seinem Referat. „Atomkraftwerke waren nie rentabel und werden es in einem marktwirtschaftlichen Umfeld auch nie sein“, erklärt Müller. Durch Laufzeitverlängerungen würden die Verlust noch größer bei sinkender Sicherheitsmarge. Für die Betreiber gelte es zudem die nicht kalkulierbaren Stilllegungs- und Abwrackungskosten so lange wie möglich zu verschieben. Wie unberechenbar der Atomausstieg werden wird, belegt Renneberg mit einem Beispiel aus dem in Deutschland bereits fixierten Ausstiegsszenario. Für die Übernahme der Endlagerung der abgebrannten Brennstäbe der 21 deutschen Reaktoren zahlten die Kraftwerksbetreiber dem Staat 23 Milliarden Euro. „Die wahren Kosten liegen aber derzeit bei 100 Milliarden oder mehr. Außerdem müssen für die derzeit geparkten 23 Milliarden sogar noch Negativzinsen gezahlt werden“, schildert Renneberg.

Als Verhandlungsbasis mit der EU im Herbst nennt Anschober im Namen der Allianz-Regionen eine maximale Betriebsdauer von 40 Jahren für alle Atomkraftwerke in Europa.       

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