Dschihadisten-Prozess: Zeugen belasten Angeklagte

Der zweite Dschihadisten-Prozess in Graz begann mit Verzögerung.
Ein Mithäftling sprach von einem "eiskalten Mann", der nur unschuldig aussehe.

Der Prozess gegen sechs mutmaßliche Dschihadisten ist am Freitag im Grazer Straflandesgericht mit der Befragung mehrerer Zeugen fortgesetzt worden: Manche von ihnen waren zu Beginn der Ermittlungen als Verdächtige vernommen worden, danach mussten sie Auskunft über die Organisation und Vorträge einer Grazer Moschee geben. Von den Zeugen am Vormittag belastete keiner die Angeklagten.

"Kann es nicht sein, dass das Geld an den IS ging?"

Niemals sei gepredigt worden, in den Dschihad zu ziehen, lauteten die Aussagen unisono. Der frühere und der aktuelle Obmann des Grazer Glaubensvereins sowie der Buchhalter mussten sich den Fragen des Gerichts in punkto Einnahmen und Spenden stellen, konnten oder wollten aber wenig detaillierte Angaben machen. Vor allem bei den Spenden, die an angeblich anerkannte Hilfsfonds ins Ausland geschickt wurden, hakte der Staatsanwalt mehrmals nach: "Kann es nicht sein, dass das Geld an den IS ging, der es statt für Kinder für Waffen verwendete?"

Zeuge: Keine Aufrufe in den Dschihad zu ziehen

Von Spenden, die an einen Kontaktmann in die Türkei nahe der syrischen Grenze gegangen sein sollen, wollte ebenfalls keiner der Zeugen etwas wissen wollen. Dass der Imam in der Grazer Moschee radikalisiert hatte und junge Männer ermutigte, in den Dschihad zu ziehen, bestätigte keiner. "Warum gehen dann aber von so einem kleinen Verein fünf, sechs oder sieben Männer nach Syrien und drei davon sind nun tot?", fragte der Staatsanwalt. "Der Verein ist ein öffentlicher Platz und das sind erwachsene Männer", versuchte der frühere Obmann zu erklären. Keiner will wahrgenommen haben, dass der Imam zum Kampf im Dschihad in Syrien aufgerufen haben könnte.

Helden und "Schweinefleischfresser"

Am Nachmittag wurden eine Grazer Schuldirektorin sowie ein Mithäftling eines Angeklagten gehört. Der Sohn einer der angeklagten Frauen ging in die Schule der Direktorin und berichtete davon, dass der Sechsjährige nach dem Tod seines Vaters mit einem Foto von ihm in die Schule kam. Er habe den anderen Kindern erzählt, dass sein Vater ein Held sei, weil er im Dschihad in Syrien gefallen ist.

Außerdem soll der Bub beim Mittagessen andere Schüler und Kollegen der Direktorin als "Schweinefleischfresser" beschimpft haben. Als die Schulleiterin die Vorfälle beim Landesschulrat meldete und ein Gespräch mit der Mutter wünschte, wurde der Kleine plötzlich von der Schule abgemeldet, berichtete die Zeugin.

"Der Mann ist eiskalt, er sieht nur unschuldig aus"

Im Anschluss befragte das Gericht den Zellengenossen eines Angeklagten. Er warnte vor dem Beschuldigten: "Der Mann ist eiskalt, er sieht nur unschuldig aus." Der Angeklagte habe versucht, ihn einer Gehirnwäsche zu unterziehen und ihm vorgeworfen, dass er Schweinefleisch isst und mit einer österreichischen Frau ein Kind hat. Er soll ihm erzählt haben, dass in der Grazer Moschee besprochen wurde, wie nach Syrien gereist werde, und die Community helfen könne, wenn er nach Syrien will. Als der Zeuge aber nicht auf die Werbung ansprach, habe der Angeklagte ihn bedroht und gesagt: "Er macht mich und meine Familie tot."

Das Verfahren wird am Montag mit der Befragung weiterer Zeugen fortgesetzt.

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