"Der G'selchte" in Bruck an der Leitha: Der letzte Wirt im Ort

Thomas Scherhaufer zeigt frühe Ansichten des G’selchten und sich selbst, wie er als Koch gesehen werden mag: mit Hut und Jacke
In Bruck an der Leitha hält nur noch ein klassischer Wirt die Stellung: Thomas Scherhaufer ist „Der G’selchte".

Die Ehrenurkunde, die auf der Schank neben den Bierzapfhähnen steht, ist schon ein wenig verblasst, aber was da geschrieben steht, gilt nach wie vor. Das pickt, weil mehrfach von höchster Stelle bestätigt. Mit einem gerüttelt Maß an Brimborium und Geschäftshuberei beehren sich ein Politiker, ein Tourismus-Manager und eine Wirtshausfunktionärin, Thomas Scherhaufer, „Destinationssieger Donau Niederösterreich“, für die „beste g’röste Leber“ des Landes auszuzeichnen.

Thomas Scherhaufer schmunzelt, wendet den Blick von der Urkunde ab und lässt sich, mit seinen Insignien Hut und Kochjacke, an einem der dunkel patinierten Wirtshaustische nieder. Seine Leber ist ein kleines bisschen berühmt geworden; also die, die er seit 28 Jahren selbst zubereitet und die seine Oma schon zuvor viele Jahre lang zubereitet hat.

Und zwar im Wirtshaus „Der G’selchte“ vulgo „Zum Goldenen Adler“ in Bruck an der Leitha, Altstadt.

Der Letzte seiner Art

Thomas Scherhaufer war am 1. Jänner 1997 einer der jüngsten Wirte des Landes, die ein Gasthaus von den Eltern übernommen haben: „Am 30. Dezember hab’ ich Geburtstag, also kann man sagen, ich war 20 und zwei Tage.“ In diesen frühen Zeiten hatte Scherhaufer noch gesunde und befruchtende Konkurrenz im Ort; „heute sind wir leider das letzte Gasthaus in Bruck“. Und immerhin auch das älteste. 1632 ist hier bereits der „Gulden Adler Würth“ nachgewiesen, aber der Wirt hat den Namen „Der G’selchte“ viel lieber, „weil goldene Adler gibt’s eh so viele“. 

So wird das Haus nämlich seit der Zwischenkriegszeit genannt, und ob diesem Namen die reine historische Wahrheit zugrunde liegt oder bloß eine amüsante Legende, weiß nicht einmal Thomas Scherhaufer so genau. Jedenfalls soll dem Urgroßvater einmal die Selch in Brand geraten sein, und als er nach verzweifelten Löschversuchen dringend ein Viertel beim Nachbarwirten brauchte und dort selbst roch wie ein Stück Räucherspeck, nannten ihn fortan alle „der G’selchte“.

Das war, erzählt Urenkel Thomas, auch praktisch, weil der Uropa hieß Windholz, und weil es in Bruck so viele Windholz gab, brauchten eh alle einen Spitznamen zur Unterscheidung: der Kapell’n, der Schageterl, und eben der G’selchte.

Gastronomische Walz

Als Thomas Scherhaufer 1997 Wirt wurde, hatte er schon eine illustre gastronomische Walz hinter sich: Die Hotelfachschule Hofgastein führte ihn zum damals im Dorf aufkochenden Jörg Wörther, dessen „einfache Art zu kochen, diese Purheit, dieses Schlichte“ ihn schwer faszinierte. „Eine Erbse wie eine Erbse schmecken zu lassen, eine Gurke wie eine Gurke, das hat mir sehr getaugt.“ Später lernte er auch noch bei Walter Eselböck im Burgenland und bei Heinz Hanner in Mayerling. Der Mann weiß also, wo der Kochlöffel hängt und was man damit alles anstellen kann.

Ein Hauch von Frühling liegt an diesem Märztag bereits in der Luft; man kann das am leichten Wind, der vom Leithaberg herüberweht, gut erschnuppern. Hoffentlich bleibt es so, denkt sich Thomas Scherhaufer, denn da drüben, in diesem Wäldchen namens Lagerberg, macht sich eine besondere Delikatesse bereit, den Boden zu durchbrechen: Spitzmorcheln. „Ich liebe sie“, sagt der Koch. 

Noch dazu haben sie zugleich mit dem Spargel Saison, den er ebenso liebt. Damit schlussendlich alles fast zu schön ist, um wahr zu sein, wächst beides gleich ums Eck. „Ich bin eigentlich eingezwickt zwischen dem weißen Spargel aus dem Marchfeld und dem grünen aus dem Seewinkel.“

Geschichtet wie Ildefonso

In dieser Zeit serviert Thomas Scherhaufer zum Aperitif gerne seinen Butterspeck, eine rot-weiß-rot geschichtete Lustbarkeit aus Bündnerfleisch und Butter, dünn aufgeschnitten wie die ildefonso-artigen Austernbrote aus Pumpernickel und Cheddar-Käse.

Was sein muss, ist die schon ehrfürchtig erwähnte „G’röste Leber“. Im G’selchten stammt sie vom Schwein und birgt ein uraltes Familiengeheimnis. Erstens muss sie extrem weich sein, was man durch ein bissl Leberzwicken zwischen Daumen und Mittelfinger überprüfen sollte. „Wenn sie sich beim Drücken hart anfühlt, kommt sie in die Leberknödel“, sagt Thomas Scherhaufer.

Und dann ist da noch die Sache mit dem Paprika. Heute röstet der Koch ein wenig Paprikapulver mit den Zwiebeln mit: „Die Oma hat für den leichten Paprikageschmack noch einen Schöpfer Gulaschsaft verwendet.“

"Der G'selchte" in Bruck an der Leitha: Der letzte Wirt im Ort

Die leicht paprizierte geröstete Leber, ausgezeichnet vom Land und seinen Gästen 

Aus allen diesen Gründen ist die Ostbahn oft besonders gut besetzt mit Abendgästen aus Wien, die des G’selchten wegen anreisen und sogar noch nach 23 Uhr wieder mit Öffis in die große Stadt zurückkommen. „Die brauchen gerade 30 Minuten hierher, das ist oft weniger als von einem Ende von Wien ans andere“, sagt Scherhaufer.

Wer also bei der Anreise den Zug wählt, kann ruhig auch ein Glas mehr vom guten Carnuntum-Wein aus der Gegend trinken. Weil eh schon wissen: Ostbahn.

Am nächsten Sonntag lesen Sie: Schneyder beim „Lurgbauer“

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