Vom Pferdefuhrwerk zur Dampfeisenbahn in Österreich

Pferdebahn
Vor 200 Jahren baute der englische Eisenbahn-Pionier George Stephenson die erste moderne Lokomotive und die dazu gehörende Bahnstrecke. In Österreich dauerte es etwas länger.

Er hat die Eisenbahn nicht erfunden, aber er war es, der sie zu einem der wichtigsten Verkehrsmittel aller Zeiten machte: Der Brite George Stephenson konstruierte die erste öffentliche Eisenbahn der Welt, deren Lokomotive mit Dampfkraft betrieben wurde. Vor 200 Jahren ist sie zum ersten Mal ausgefahren.

Ein Spektakel

Als die ersten Eisenbahnzüge unter ungeheurer Lärmentwicklung und gigantischem Dampfablass die Landschaft durchquerten, war das ein von Abertausenden Schaulustigen bewundertes Spektakel. Dabei hatte es Versuche, maschinelle Eisenbahnen zu bauen, schon vor Stephenson gegeben, doch der Betrieb scheiterte oft daran, dass die alten, für Pferdebahnen errichteten Schienen den schweren, kohlebeheizten Lokomotiven nicht standhielten. Erst neu konzipierte Geleise aus Gusseisen waren für die von Stephenson konstruierten Dampfloks geeignet.

George Stephenson wurde 1781 in England geboren und wuchs als Sohn eines armen Grubenarbeiters auf, der durch die Bedienung einer Dampfmaschine erblindet war. Dieser tragische Arbeitsunfall veranlasste George, sich intensiv mit Dampfmaschinen zu beschäftigen. Während auch er ab seinem 14. Lebensjahr in einer Kohlengrube arbeiten musste, eignete er sich in aufwendigem Selbststudium das Wissen eines Maschinenbauingenieurs an.

Die erste Ausfahrt

Am 27. September 1825 unternahm dann die weltweit erste öffentliche Dampfeisenbahn ihre erste Ausfahrt: Rund 400 Passagiere wurden in 38 Waggons und auf neuen Geleisen von der nordostenglischen Stadt Shildon nach Darlington gebracht. Die von Stephenson konstruierte und von ihm als Lokführer persönlich gelenkte „Locomotion No 1“ brauste auf der rund 30 Kilometer langen Strecke mit einer für damalige Zeiten atemberaubenden Geschwindigkeit von 24 Stundenkilometern dahin.

Die Bahnreise ging nicht ohne Pannen vor sich. So verlor ein Waggon während der Fahrt ein Rad, worauf man den betreffenden Wagen abhängen musste, um die von vielen Ehrengästen gebuchte Eröffnungsreise fortsetzen zu können. Weiters wurde ein Mann schwer verletzt, als er vom Waggon fiel, an dessen Außenseite er sich festhielt, um den Kauf einer Fahrkarte zu sparen. Hauptproblem des Zugfahrens in jenen Tagen war aber die Überwindung extremer Steigungen.

Doch derlei „Kinderkrankheiten“ konnten nichts daran ändern, dass George Stephenson als Bahnpionier gefeiert und zum Bau weiterer Züge verpflichtet wurde. Seine berühmteste Strecke führte von Manchester nach Liverpool, auf der die legendäre Lokomotive „The Rocket“ eine Geschwindigkeit von 32 km/h erreichte.

Den Passagieren standen in den Anfängen vier Wagenklassen zur Verfügung: die erste Klasse mit Glasfenstern und Fauteuils, die zweite unverglast mit gepolsterten Sitzen, die dritte mit Holzbänken und die vierte offen, ohne Sitze.

Weitere Eisenbahnlinien und „Schienenkutschen“ errichtete der bald reich und berühmt gewordene Stephenson gemeinsam mit seinem Sohn Robert in Belgien, Holland, Frankreich, Deutschland, Spanien und Italien.

Dampflokomotive

Der Kaiser war dagegen

In Österreich ließ man sich traditionell etwas Zeit, ehe der moderne Bahnverkehr ins Rollen kam. Als in England bereits jede Menge Dampfloks unterwegs waren, nahm man hierzulande 1832 immer noch das Streckennetz der „Pferdeeisenbahn Linz-Budweis“ in Betrieb. Ein Grund für die Verzögerung im Eisenbahnbau war, dass Kaiser Franz I. dem technischen Fortschritt skeptisch gegenüberstand und weiterhin auf die Pferdekraft setzte.

Erst nach dem Tod des Kaisers Franz im Jahr 1835 gelang es dem Bankier Salomon Rothschild, dessen Sohn und Nachfolger, Ferdinand I., von den Vorzügen dampfbetriebener Loks zu überzeugen. Allerdings spielte bei der Realisierung des ersten 600 km langen Schienenwegs Wien-Krakau Staatskanzler Metternich eine gewichtige Rolle – wie wohl auch der dem Monarchen schmeichelnde Vorschlag des Bankiers Rothschild, die Strecke „Kaiser-Ferdinands-Nordbahn“ zu nennen.

Endlich auch in Österreich

Die ersten Dieselloks kamen – in ihre Einzelteile zerlegt – von Stephensons Lokomotivfabrik im englischen Newcastle per Schiff nach Triest und von dort auf mühsamen Wegen in Pferdefuhrwerken nach Wien.

Am 23. November 1837 begann in Österreich mit der Eröffnung der ersten Teilstrecke der „Kaiser-Ferdinands-Nordbahn“ von Wien-Floridsdorf nach Deutsch-Wagram das Eisenbahnzeitalter. Die Dampflok schaffte die 13 km lange Strecke in 21 Minuten.

Als nächste bedeutende Bahnlinien wurden die „k. k. privilegierte Südbahn“ und die „Kaiserin-Elisabeth-Bahn“ Wien-Salzburg errichtet. Natürlich erhielten auch Kaiser Franz Joseph und Kronprinz Rudolf Strecken, die Ihnen zu Ehren benannt wurden.

Die neuen Verkehrswege trugen zur Jahrhundertwende dazu bei, die industrielle Revolution, den wirtschaftlichen Aufschwung und den Massentourismus, etwa an die Adriaküste oder ins Salzkammergut, zu ermöglichen.

Waggon mit Water-Closet

Selbverständlich fuhren die Majestäten nicht wie Krethi und Plethi in der Gegend herum, sondern in eigens für sie gebauten Zuggarnituren. Besondere Bedeutung hatte jene der Kaiserin Elisabeth, die bekanntlich ständig auf Reisen war. Ihr Sonderzug bestand aus zwei Waggons: 1) dem Hofsalonwagen, ausgestattet mit Fauteuils, Diwan, Schreibtisch, Spiegel, „Water-Closet“, zwei Öfen, einem durch Vorhang abgetrennten Sessel für die Kammerfrau und 2) einem Schlafwagen mit Bett, mobilem Tisch, Boudoir und silberbelegtem Waschbecken.

Im Ersten Weltkrieg dienten viele Züge dem Mannschafts- und Waffentransport, und die Nationalsozialisten setzten sie zur Deportation jüdischer Bürger in Konzentrationslager ein.

Die meisten Bahnlinien wurden noch in der Monarchie verstaatlicht, seit 1924 sind sie Teil der Österreichischen Bundesbahnen.

Stephensons Lokfabrik

Eisenbahnpionier Stephenson starb 1848 im Alter von 67 Jahren. Die von ihm gegründete Lokomotivfabrik wurde von seinem Sohn weitergeführt und bestand insgesamt mehr als 140 Jahre bis zu ihrer Schließung 1964. Jedenfalls verdanken die Briten George Stephenson, dass England immer als „Mutterland des Eisenbahnwesens“ gelten wird.

In Österreich wurde die letzte Dampflok 1976 „in Pension“ geschickt. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die umweltfreundlichere Elektrifizierung längst durchgesetzt.

georg.markus

Kommentare