Bub (3) in Tirol zu Tode gequält: "Der Teufel musste schon öfter herhalten"
Der Spielplatz inmitten der schmucken Wohnsiedlung, in der das Kind gestorben ist.
Schon im Mai 2024 war der Schock über den Hungertod eines dreijährigen Buben im Bezirk Kufstein in Tirol groß. Erst am Dienstag aber wurde das wahre Ausmaß seines Martyriums bekannt.
Seine eigenen Eltern sollen den Bub vorsätzlich zu Tode gequält haben, dies gefilmt und sich in Chats gegenseitig darin bestärkt haben, dass er „vernichtet“ werden müsse. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck hat Mordanklage gegen die Mutter und den Vater, beide 27 Jahre alt, erhoben.
Der Bub starb in der Nacht des 19. Mai 2024 laut Ermittlungsergebnissen „alleine in Dunkelheit und unbekleidet an den Qualen, die ihm seine eigenen Eltern monatelang zugefügt hatten“. Details über die Misshandlungen sollen an dieser Stelle nicht wiederholt werden.
Einen Tag nach der Anklage-Erhebung sind viele Fragen offen. Etwa, wie niemand etwas bemerken konnte. Laut Staatsanwaltschaft soll die Tortur des Buben im Dezember 2023 begonnen und bis zu dessen Tod im Mai angedauert haben. Die Familie lebte laut Staatsanwaltschaft relativ isoliert, beim Besuch der Eltern des Vaters wurden in dieser Zeit Ausreden für das Fernbleiben des Buben gefunden. Auch war das Kind noch in keiner Betreuungseinrichtung, nur die große Schwester besuchte den Kindergarten. Die Schwestern des Buben (eine Zwillingsschwester, eine Fünfjährige und eine Zweijährige) sollen wohlgenährt gewesen sein. Die Kinder- und Jugendhilfe des Landes habe nie eine Meldung über die Familie erhalten.
Sadistische Züge
Aber hätte der Zustand des Buben nicht auffallen müssen? Spätestens bei Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen? Grundsätzlich sind die Untersuchungen ab dem 22. Lebensmonat nicht mehr an die Gewährung des Kinderbetreuungsgelds gekoppelt. Laut Staatsanwaltschaft soll es aber diesbezüglich keine Auffälligkeiten gegeben haben.
Die große Frage nach dem „Warum“ wird wohl nie beantwortet werden können. Ein psychiatrisches Gutachten attestiert beiden Eltern eine Persönlichkeitsstörung mit sadistischen Zügen – allerdings sind sie zurechnungsfähig. Laut Anklage erklärte die Mutter, dass der Bub dämonisch besessen gewesen sei. Er hätte das Schicksal der Familie gesteuert, sie habe ihn für die „missliche Lage“ verantwortlich gemacht. Konkreten Auslöser für ihre Taten soll es aber keinen gegeben haben.
Wer Hilfe oder Unterstützung braucht, kann sich an diese Einrichtungen wenden:
Die Möwe : Kostenlose, anonyme Beratung bei Gewalt, Krisen und anderen Sorgen unter die-moewe.at.
Kidsline: Eine kostenlose Hotline für Kinder unter 0800 234 123.
Rat auf Draht: Bietet Hilfe für die Jüngsten unter der Telefonnummer 147.
„Dämonenglaube und Exorzismen sind in Österreich am Erstarken“, erklärt die Religionswissenschafterin und Psychotherapeutin Nicole Bauer. Und auch dass ein Elternteil sein Kind tötet, weil man es für dämonisch besessen halte, komme vor, so Bauer. Dieser Fall ist für die Expertin aber aus gleich mehreren Gründen eine Ausnahme, nicht nur in seiner Grausamkeit; Bauer kenne keinen anderen Fall, bei dem beide Eltern zusammen handelten und sich gegenseitig sogar bestärkt hätten.
Rechtfertigung
Außerdem würden solche Austreibungstaten meistens in einschlägigen Glaubensgemeinden, in religiösen Kontexten oder sadistischen (Internet-)Netzwerken stattfinden. In diesem Fall aber sollen Mutter und Vater allein gehandelt haben. Sie haben die Aufnahmen und Video-Übertragungen von der Folter ihres Kindes nur für sich angefertigt, sie haben sie nie auf Plattformen oder mit Dritten geteilt, so die Staatsanwaltschaft. In ihren Chats tauschten sich die Eltern über die angebliche Besessenheit ihres Kindes aus. Bauer ergänzt: „Dämonische Besessenheit und der Teufel seien aktuell Teil der Popkultur – gefördert durch konservative Christfluencer, Social Media und Tiktok. “
Zudem könne es durchaus eine psychologische Rechtfertigungsstrategie für das sadistische Verhalten der Eltern handeln, „vor sich selbst und der Gesellschaft“, sagt Bauer, die diese Strategie aus anderen Fällen kenne. Denn: „Der Teufel musste schon öfter als Sündenbock für Sadistisches herhalten“, sagt die Expertin.
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