Brennpunkt Linzer Hauptbahnhof: Wie Architektur helfen kann

Architekt Wilhelm Holzbauer und Partner designten den neuen Linzer Hauptbahnhof, der 2004 nach zweijähriger Bauphase eröffnet wurde.
Mit weit aufgerissenen Mäulern warten die beiden Löwen am Eingang des Linzer Hauptbahnhofes auf Besucher; jederzeit bereit, zu brüllen. Ein Laut kommt von ihnen jedoch nie. Sie stehen still, wie es für Statuen üblich ist. Die Wappentiere sind so ziemlich das einzig Historische, bevor man den Glasbau des Bahnhofes betritt.
Darin tummeln sich die Menschen. Reisekoffer hört man nur wenige über den Fliesenboden rollen. Die meisten kommen von der Arbeit oder Schule und eilen zum Zug – vorbei an Menschen, die solchen Terminen scheinbar nicht nachgehen.
Immer wieder fällt das Linzer Bahnhofsviertel deshalb durch negative Vorfälle auf. Anfang April durch die Vergewaltigung, bei der vier Jugendliche in Bahnhofsnähe beim ehemaligen Postverteilzentrum über eine 16-Jährige hergefallen sein sollen. Videos belegen laut Staatsanwaltschaft Linz, dass am Bahnhof ein kurzer Kontakt mit dem Opfer stattgefunden habe – jedoch gewaltfrei. Weitere Ermittlungen laufen noch.
90 Videokameras
„Es ist ein Auf und Ab, was dort das Sicherheitsgefühl betrifft“, sagt Sicherheitsstadtrat Michael Raml (FPÖ). Regelmäßig treffe man sich mit ÖBB und Polizei, um Lokalaugenscheine durchzuführen. Mehr Beleuchtung, rund 90 Videokameras und ein Ausbau der Polizeiinspektion hätten die Lage in den vergangenen Jahren stark verbessert. Dass es dennoch zu tragischen Vorfällen komme, führt die Landespolizeidirektion darauf zurück, dass es ein Viertel „mit viel Bewegung“ ist. Dementsprechend intensiv seien auch die Streifengänge.

Etwa 50 Beamte versehen hinter dieser Tür, wenige Meter vom Haupteingang des Bahnhofes, ihren Dienst.
„Das macht den Bahnhof sicherer. Aber sie könnten ruhig noch präsenter sein“, meint Manuela H. (40), die gerade auf einem Bahnsteig wartet. „Hier oben fühle ich mich wohl. Unten nicht so.“
Dabei wäre der Bahnhof laut Siegfried Atteneder, Leiter der Architektur an der Kunstuni Linz, sicherheitstechnisch gut geplant, auch unten: „Mit dem Bahnhofsgebäude habe ich nicht den Eindruck, dass etwas falsch gemacht worden ist.“
Keine Ecken und Kanten
Ursprünglich stammt der Hauptbahnhof aus dem Jahr 1858, 2004 wurde der neue nach zweijähriger Bauphase eröffnet. „Es sind ganz banale Dinge, die Angsträume verhindern. Dunkle Ecken oder große Stützen vermeiden, wo sich jemand verstecken kann. Dafür Pflanzen, Licht und Farben.“
Von Grün ist im Hauptbahnhof keine Spur, dafür gibt es aber kaum verwinkelte Ecken. Der Bahnhof ist geradlinig angelegt. An den Seiten reihen sich Imbissbuden, deren Logos zu Farbtupfern in der sonst grauen Halle werden. Aus einem marschiert Lisa (22): „Ich fühle mich sicher, ich bin aber zu Zeiten hier, wo viel los ist.“
Transitraum
„Bahnhöfe sind überall Orte, die aus soziologischer Sicht Transiträume sind, die ein gewisses Milieu anziehen. Nicht nur Architektur produziert einen Raum, sondern auch, wie wir uns durchbewegen. Verweilen wir dort nicht, ist Platz für anderes“, erklärt Atteneder. Dass Bahnhöfe Brennpunkte sind, sei nicht ungewöhnlich.
Verstärkt könnte laut ihm die Situation in Linz jedoch durch die geplante Abfahrt der Westring-Autobahn werden. „Das Portal wird auf den Bahnhof zugerichtet. Ein Autobahnknoten macht es nicht einladender.“

Stadtplanungsstadtrat Dietmar Prammer (SPÖ) ist hinsichtlich der Weiterentwicklung des Viertels guter Dinge. 2024 soll mit dem Bau der „Post City“ begonnen werden. Und die Pläne dafür sehen vielversprechend aus: Elf Türme und viele Grünflächen in unmittelbarer Nähe zu den Bahngleisen. Letztendlich komme es jedoch wie überall auf die Nutzer und Nutzerinnen an, wie sich das Viertel weiterentwickle: „Die Architektur kann sehr vieles, aber man darf ihr auch nicht allzu viel zumuten“, sagt Atteneder.
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