Gefühlte versus reale Unsicherheit: Das offensichtliche Stadt-Land-Gefälle
Die Polizei war im Einsatz (Symbolbild)
Mehr als 22.000 Menschen sind in den vergangenen Wochen der Einladung des KURIER gefolgt und haben an der breit angelegten Regional-Umfrage teilgenommen.
Gemeinsam mit dem Meinungsforschungsinstitut OGM wird der KURIER die Erkenntnisse analysieren, journalistisch aufarbeiten und die Politik mit den Daten konfrontieren. Die Berichterstattung zur Regional-Umfrage finden Sie regelmäßig auf kurier.at/umfrage. Wir starten mit den Themen Sicherheit, Gesundheit (hier nachzulesen) und Bildung (hier nachzulesen).
Vor wenigen Tagen machte Wien-Favoriten wieder einmal Schlagzeilen: "Brutale Attacke – Täter auf der Flucht". "Problemzone Reumannplatz, Teenie-Gang attackiert Mann mit Messer."
Bei Meldungen wie diesen überrascht es nicht, dass Favoriten in der Regional-Umfrage des KURIER beim Sicherheitsgefühl am letzten Platz rangiert. Jeder Zweite fühlt sich dort nicht sicher. Im Gegensatz dazu schneiden die Innere Stadt, Mariahilf oder Neubau sehr gut ab.
Ladendiebe im 1. Bezirk
"Dabei führen der erste, der sechste und der siebente Bezirk die Anzeigenstatistik an, auf die Einwohnerzahl heruntergerechnet. Das liegt auch an den Einkaufsstraßen, da dominiert der Taschen- und Ladendiebstahl“, erklärt Sozialwissenschafter Günther Ogris. Der Soziologe hat die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik in einer Studie näher analysiert. "Fragt man die Menschen nach ihrem Sicherheitsgefühl, dann orientieren sich viele nicht an der realen Kriminalität, sondern am medialen Diskurs", sagt Ogris.
Über den Reumannplatz werde überdurchschnittlich oft berichtet, über Taschendiebe im ersten Bezirk kaum. Zu diesem Ergebnis kommt auch OGM-Analyst Johannes Klotz, der für den KURIER die große Regional-Umfrage ausgewertet hat: "Die subjektive Unsicherheit ist in Wien mit 24 Prozent deutlich größer als im Rest Österreichs." Die Medienberichte über Messerstechereien, Waffenverbote und den starken Zuzug aus fremden Kulturen würden hier erheblich durchschlagen: "Und das, obwohl die Zahl der Tötungsdelikte in Wien heute niedriger ist als in den 1980er-Jahren."
Mehr Grafiken und Auswertungen der großen KURIER Regional-Umfrage im Detail finden Sie hier:
Aber nicht nur der mediale Diskurs, sondern auch die politische Einstellung hat Einfluss auf das Sicherheitsgefühl. So gaben 28 Prozent der Studienteilnehmer, die der FPÖ nahe stehen, ein höheres Unsicherheitsgefühl an. Am sichersten fühlen sich der Analyse zufolge die Grün-Wähler.
Beim Blick auf die Statistik fällt zudem ein Stadt-Land-Gefälle auf. So schneiden auch die Wiener Bezirke wie Hietzing, Währing oder Döbling, die teils ländlich strukturiert sind, besser ab als etwa jene in Gürtelnähe.
In NÖ liegt das subjektive Sicherheitsgefühl über dem österreichischen Durchschnitt, Unterschiede finden sich auch hier in den Ballungsräumen wie St. Pölten, Wiener Neustadt oder Amstetten. Mit Abstand am sichersten fühlen sich die Burgenländer.
Auffallend ist, dass der Wert auch in Eisenstadt hoch ist. Zum Vergleich sollte man aber die Einwohnerzahl heranziehen: In der burgenländischen Hauptstadt wohnen 16.118 Menschen, Wiener Neustadt hat über 50.000 Bewohner.
Will man wissen, wie es abseits des Sicherheitsgefühls tatsächlich um die Kriminalität in Österreich steht, lohnt sich ein Blick in die Gerichtsstatistik. Dabei werden nicht nur die rechtskräftigen Verurteilungen gezählt. Die Tendenz ist klar: Wurden im Jahr 1959 noch über 123.000 Menschen verurteilt, waren es 2024 nur noch 27.717.
Drei Systemsprenger
Österreich ist also nicht nur gefühlt sicherer geworden. Auch wenn andere Botschaften gesendet werden, wie Experten bei der Präsentation der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) kritisierten.
Dort hatte es wegen der hohen Anzahl unmündiger Verdächtiger den Anschein, als explodiere die Jugendkriminalität in Wien. Das hänge laut Experten aber mit der geänderten Zählweise an Verdächtigen zusammen. Angezeigte Straftaten werden seit 2018 nicht mehr pro Kopf gezählt.
Stattdessen setzt das Innenministerium auf eine Zählweise, die mutmaßliche Täter und Delikte vermischt. Ein Beispiel: In Wien gab es laut PKS im Vorjahr 9.500 "verdächtige Jugendliche", weil bei jedem Delikt ein Jugendlicher als Verdächtiger gezählt wird. Allerdings können drei Burschen alleine fast ein Drittel aller Delikte zugerechnet werden, was die Zahl der tatsächlich kriminellen Jugendlichen massiv reduziert.
Gemeinsam mit dem renommierten Meinungsforschungsinstitut OGM hat der KURIER einen Monat lang gefragt, was die Österreicherinnen und Österreicher bewegt.
In 23 Fragen haben wir ein Stimmungsbild des Landes erhoben. Zur Teilnahme aufgerufen waren alle in Österreich lebenden Menschen. OGM stellte mit einem technischen Check sicher, dass keine Verzerrungen durch maschinelle Massenantworten, Bots oder Kampagnen möglich waren.
Insgesamt nahmen exakt 22.297 Personen an der KURIER-Regional-Umfrage teil. Die äußerst hohe Zahl an Interviews liefert aussagekräftige Ergebnisse und Trends für ganz Österreich bis hinunter in viele Bezirke. Der KURIER wird in den nächsten Wochen ausgiebig über die Ergebnisse berichten. Die Berichterstattung dazu finden sie ab sofort laufend unter kurier.at/umfrage.
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