Behörde kürzte Bombenopfer die Mindestsicherung

Der Fall einer Afghanin zeigt, dass bereits massive Sanktionen bei der Mindestsicherung vorgesehen sind.

Nach einem Anschlag beinamputiert, kriegstraumatisiert und dement. Und trotzdem sollten einer Afghanin die Lebenshaltungskosten der Mindestsicherung aufgrund nicht geschaffter Deutschprüfung um zwei Drittel gekürzt werden. Ein Fall in Tirol verdeutlicht, welche scharfen Sanktionsmöglichkeiten es für Bezieher von Mindestsicherung bereits gibt – auch wenn es hier die Falsche traf.

Die Bundesregierung will ja bekanntlich bereits den Zugang zur Mindestsicherung vor allem für Zuwanderer massiv erschweren. Mit Kürzungen, die, wie berichtet, auch Alleinerzieherinnen und Kinder treffen würden, soll das System zudem unattraktiv werden. Wer sich aber integrations- oder arbeitsunwillig zeigt, dem drohen selbst in Tirol, das keinen rigiden Kurs verfolgt, drastische Einschnitte.

Die Stadt Innsbruck wollte einer 60-jährigen Afghanin, die sich alleine um ihre beiden Enkelkinder kümmert, die Mindestsicherung kürzen. Und zwar jenen Teil, welcher der Sicherung des Lebensunterhalts dient. Das Landesverwaltungsgericht hob den Bescheid letztlich auf.

Prüfung nicht geschafft

Konkret hätte die Frau 66 Prozent weniger (220 statt 647 Euro) ausbezahlt bekommen sollen. Diese Sanktion sieht das Tiroler Mindestsicherungsmodell vor, wenn der Bezieher etwa „Integrationsmaßnahmen nicht fristgerecht oder erfolgreich“ abschließt. Die Behörde begründete die Sanktion im konkreten Fall damit, dass die Afghanin die „eingemahnte erfolgreiche Absolvierung der Deutschprüfung“ nicht vorlegen konnte.

Doch dafür gab es, wie auch das Landesverwaltungsgericht feststellte, gute Gründe. Unwillig war die Frau jedenfalls nicht. Vielmehr besuchte sie seit 2014 regelmäßig Deutschkurse, schaffte aber die Prüfungen nicht. Das Gericht hält fest, dass die Frau schlicht „aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters von rund 60 Jahren und ihres physischen Gesundheitszustandes nicht in der Lage“ ist, die erforderlichen Nachweise zu erbringen.

Die Sanktionen würden bei einer „kriegstraumatisierten, beinamputierten und dementen Beschwerdeführerin afghanischer Provenienz völlig ins Leere“ laufen, heißt es. Wie das Gericht festhielt, wurde der Frau nach einem Bombenanschlag in ihrer Heimat ein Bein amputiert. Sie leidet unter einer auch posttraumatisch bedingten Demenz.

Bombenanschläge sind in Afghanistan an der Tagesordnung. Asylwerber aus dem kriegsgebeutelten Land bekommen meist nur subsidiären Schutz. Diese Flüchtlingsgruppe würde laut den derzeitigen Regierungsplänen, wie berichtet, künftig aus der Mindestsicherung fallen und hätte nur noch Anspruch auf Grundversorgung.

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