Brennertunnel: Warum die Lkws erst in 15 Jahren mit dem Zug fahren

Österreichs Politiker können nur mit Bauchweh den erstmaligen Durchstoß unter dem Brenner zwischen Italien und Österreich gefeiert haben. Das Verhältnis zu Italien in Sachen Transit gilt als sehr angespannt, schließlich hatte der südliche Nachbar beim Europäischen Gerichtshof eine Klage gegen Österreich wegen des Nachtfahrverbots, der Blockabfertigung etc. eingebracht. Immerhin kam Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni zur Feier am Brenner (siehe diesen Artikel).

Probleme auch im Norden
Auf der anderen Seite, bei der Nordzufahrt aus Bayern zum 10 Milliarden teuren Brenner-Basistunnelprojekt, sind auch einige Probleme ungelöst. Es gibt mit den deutschen Nachbarn zwar keinen Rechtsstreit um das Megaprojekt. Dafür ist auch heute niemandem klar, wann und wie die Deutschen die Zufahrt für den Bahntunnel, der das geplagte Unterinntal vom europäischen Transitverkehr entlasten soll, zu bauen gedenken.
Der deutsche Bundestag soll vielleicht heuer noch den Brenner-Nordzulauf beschließen und die Finanzierung sicherstellen. Gewiss ist das nicht. Denn in Bayern mehrt sich der Widerstand in den kleinen Gemeinden im bayrischen Inntal wie Aßling im Attental oder im Landkreis Ebersberg gegen neue Bahntrassen. Viele bereiten bereits Klagen vor, sobald der Beschluss in Berlin gefallen ist.
Die Süddeutsche Zeitung zitiert dazu die Infrastrukturgesellschaft der Deutschen Bahn, die DB InfraGO AG, wonach Klagen den Zeitplan „nicht durcheinanderbringen würden“. Sollte die Entscheidung im Bundestag noch in diesem Jahr fallen, wäre ein Baubeginn Anfang der 2030er-Jahre und eine Betriebsaufnahme knapp zehn Jahre später „realistisch“. Also frühestens 2040.
Die Verantwortlichen versuchen dennoch zu kalmieren. Judith Engel, Vorständin der ÖBB-Infrastruktur AG, sagt zum KURIER: „Die Harmonisierung des europäischen Eisenbahnwesens geht voran, auch wenn wir uns alle eine höhere Geschwindigkeit wünschen würden.“ Das betreffe „die Kostenwahrheit und faire Wettbewerbsbedingungen zwischen Straße und Schiene, den Ausbau der transeuropäischen Netze, zum Beispiel hier am Brenner, oder auch den Abbau der Grenzbarrieren für den Schienenverkehr. Denn schlussendlich muss es genauso einfach sein, mit einem Zug durch Europa zu fahren wie heute mit einem Lkw.“
„Jahrhundertprojekt“
Auch im Verkehrsministerium ist sich Minister Peter Hanke über die Probleme im Klaren: „Der Brennerbasistunnel ist ein europäisches Jahrhundertprojekt, und sein Erfolg hängt natürlich auch am Nordzulauf in Deutschland. Deshalb suche ich aktiv den engen Austausch mit unseren Nachbarländern“, sagt er zum KURIER.
Er erwarte sich, „dass wir hier zeitnah zu tragfähigen Ergebnissen kommen. Aber selbst wenn der Nordzulauf erst wenige Jahre nach der Tunneleröffnung fertig ist, wird der BBT von Tag eins an eine deutliche Entlastung für Tirol bringen. Schon mit der Inbetriebnahme eröffnen sich enorme Potenziale, um die transitgeplagte Bevölkerung nachhaltig und umweltschonend zu entlasten.“
Hanke will sich zudem für die Harmonisierung der Bahnsysteme stark machen, die vor allem den grenzüberschreitenden Güterverkehr derzeit schwierig und teuer macht: „Gleiche Systeme, gleiche Standards, weniger Hürden. Das ist mühsam, aber unverzichtbar – und ich kämpfe dafür, dass wir hier in Europa endlich schneller vorankommen. Aber auch hier gilt es, Lösungen zu finden, die von den Menschen mitgetragen werden“, sagt Hanke.

Schließlich sei der Tunnel „der Schlüssel zur echten Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene. Die Vielzahl der Gespräche, dich ich bisher als Mobilitätsminister geführt habe, stimmen mich positiv, dass wir die notwendigen Weichenstellungen setzen werden“.
Derzeit hat die Güterbahn kaum eine Chance gegen den Lkw. 707.000 Lkw fuhren 2023 über den Gotthard, den größten Alpenübergang der Schweiz. Über den Brenner waren es mit 2,37 Millionen mehr als dreimal so viele Lkw.
Dass diese lieber über Österreich als über die Schweizer Alpenpässe fahren, hat gute Gründe: Die Route über Tirol ist günstiger, sowohl beim Sprit als auch bei der Maut. Umwegtransit ist die Folge. Laut einer Tiroler Studie von 2018 sind rund 30 Prozent des Lkw-Verkehrs über den Brenner nur dem Umwegtransit geschuldet.
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