Ausstellung „Touch Nature“ in Linz: Die Natur schlägt zurück

l„Die Klimakrise lässt sich nicht mit Dekreten abschaffen. Diese Ausstellung ist ein Meilenstein und eine der wichtigsten dieses Jahrzehnts.“ Zur Eröffnung von „Touch Nature“ im Linzer Kunstmuseum Lentos findet Christoph Thun-Hohenstein klare Worte. Der ehemalige Diplomat leitete unter anderem das Österreichische Kulturforum in New York und war zehn Jahre lang Direktor des Museums für angewandte Kunst (MAK) Wien.
In Linz ist er zu Gast, weil seine Abteilung im Außenministerium maßgeblich daran beteiligt war, dass die Ausstellung bereits in 12 Kulturforen in Europa und den USA gezeigt wurde. Mit der Inauguration Donald Trumps diese Woche und dem sofortigen Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen bekommt die Schau einen weiteren Schub in Richtung Brisanz und Aktualität.
In Linz soll der vorerst letzte Stopp der Schau sein, die große Zusammenführung aller vorherigen Stationen.

Bestehendes schützen
Zu sehen sind rund 100 Werke nationaler und internationaler Kunstschaffender. Sie beziehen mit ihren Arbeiten Stellung zu den verheerenden Auswirkungen der Klimakrise und Umweltzerstörung. Und wollen gleichzeitig positive Ausblicke geben, wie das Bestehende geschützt und bewahrt werden kann.
Da wäre etwa die eindringlich-dystopische Installation „The inevitable Heat Death of the Universe“ der irischen Künstlerin Claire Morgan: Eine nackte Frau, die tote Vögel an einer Schnur hält, weitere tote Tiere hängen von der Decke. „Kein Vogel ist deswegen gestorben“, stellt die Künstlerin sofort klar. Sie arbeitet mit Tieren, die bei Unfällen verendet sind, hat selbst die Kunst der Tierpräparation erlernt und nutzt dieses Wissen nun, um auf das Massensterben in der Fauna aufmerksam zu machen.
Ziviler Ungehorsam
Noch vor dem Eingang zeigt Marielis Seyler, wie zerstörerisch der Mensch oft agiert: Wer ins Museum will, muss auf großformatige Fotografien schöner Schmetterlinge „trampeln.“
Einen anderen Blick auf die Schönheit der Natur wirft Anne Duk Hee Jordan in ihrem Video „Ziggy and the Starfish“: „Diese Arbeit ist ein sinnliches Fest, das dem menschlichen Auge normalerweise verborgen bleibt. Wir sehen eine intensive, bunte Unterwasserwelt, ja, sogar mit Sex, das ist quasi ein Unterwasser-Porno“, verrät Kuratorin Sabine Fellner augenzwinkernd.
Oliver Ressler dokumentiert in seinen Arbeiten Aktionen des zivilen Ungehorsams gegen Umweltzerstörung. Ein extremes Werk ist jenes von Antonio Kutleša, der gezüchtete Feldheuschrecken mit Gewebe von ihm füttert, sie nach dem Tod trocknet und dann als Nahrung anbietet oder sie selbst isst – eine Auseinandersetzung mit alternativen Nahrungsquellen für eine ständig wachsende Weltbevölkerung.
Die Arbeit der kurdischen Künstlerin Fatoş İrwen, die drei Jahre als politische Aktivistin in einem türkischen Gefängnis inhaftiert war, zeigt: Wenn dem Menschen nichts mehr bleibt, greift er auf die Natur zurück. Sie sammelte auf ihren Ausgängen Gräser und Federn, gestaltete damit und sogar mit ihren eigenen Haaren und jenen ihrer Mitinhaftierten ihre Kunstwerke.
„Touch Nature“ führt eindringlich vor Augen, was der Mensch schon angerichtet hat, zeigt außerdem, wie vielseitig die künstlerische Auseinandersetzung mit der Klimakrise sein kann. Wer genau hinschaut, vermag auch einen Funken Hoffnung erkennen, einen zarten Blick auf die Schönheit im Kleinen und all das, was es nun zu bewahren gilt. Große Empfehlung.

„Auf der Schnellstraße zur Klimahölle“
Zum Hintergrund der Ausstellung erklärt Kuratorin Sabine Fellner den Begriff „Anthropozän“: „Darunter versteht man jenes Zeitalter, in dem der Mensch zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist.“
Seit Mitte des 20. Jahrhunderts bemühe sich die Klimaforschung, die Weltöffentlichkeit und die politisch Verantwortlichen wachzurütteln und auf die gravierenden Veränderungen aufmerksam zu machen.
„Wir sind auf einer Schnellstraße zur Klimahölle und haben unseren Fuß noch immer auf dem Gaspedal“, kommentierte dazu UNO-Generalsekretär António Guterres 2022.
„Es ist die Hybris des Menschen, diese Einstellung: Wir stehen über allem und können manipulieren und eingreifen, wie es uns beliebt.“ Jetzt sei der Punkt gekommen, an dem dieses Handeln schmerzhafte Konsequenzen habe.
Brisantes Thema. In Krisenzeiten seien Akzente wichtig, die uns selbst motivieren: „Ich hoffe, dass die Ausstellung „Touch Nature“ viele Besucherinnen und Besucher findet. Es ist so ein brisantes Thema“, sagt dazu auch Christoph Thun-Hohenstein vom Außenministerium, und: „Wir sehen, dass die Natur zurückschlägt. Ich halte es da mit dem Künstler Friedensreich Hundertwasser, der vorgeschlagen hat, einen Friedensvertrag mit der Natur zu schließen.“
Missstände dokumentieren, Protest einlegen, Visionen entwickeln: Das seien die drei Stationen, so Kuratorin Fellner, die man von den Kunstschaffenden in der Ausstellung lernen könne.
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