Allzeit-Hoch bei rechtsextremen Straftaten: Prominente fordern Aktionsplan

Nahaufnahme von zwei schwarzen Stiefeln mit weißen Schnürsenkeln.
Justiz und Innenministerium werden in offenem Brief in die Pflicht genommen: Diversionen und Einstellungen von Verfahren nehmen zu.

"Eine öffentliche Debatte ist dringend notwendig. Wobei: Mit so breiter, prominenter Unterstützung haben wir nicht gerechnet." Robert Eiter ist Vorsitzender des Netzwerks gegen Rassismus und Rechtsextremismus in OÖ. Gemeinsam mit dem Mauthausen Komitee unter dem Vorsitz von Willi Mernyi ging gestern Abend ein offener Brief an Innenminister Gerhard Karner, ÖVP, und Justizministerin Anna Sporrer, SPÖ, raus.

Unterzeichnet ist das Dokument von knapp 80 Prominenten aus Österreich, vorwiegend aus der Kunst- und Kulturszene. Ihre Unterschrift setzten unter anderem Schauspieler Miguel Herz-Kestranek, Schauspielerin Maria Hofstätter, Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, Schauspieler Harald Krassnitzer, die Verfassungsrechtsexperten Heinz Mayer und Alfred J. Noll, Schauspielerin Birgit Minichmayr sowie ihre Kollegin Erika Pluhar.

"Endlich in die Umsetzung kommen"

Die Forderung ist klar: Der Aktionsplan gegen Rechtsextremismus, der bereits seit März im Regierungsprogramm verankert ist, soll endlich ausgearbeitet werden und in die Umsetzung kommen. Innenminister Gerhard Karner meinte dazu am Rande einer Pressekonferenz am Dienstag: "Der Aktionsplan ist im Fokus der Regierung. Wir sind mitten in den Vorbereitungen, Termine zu finden. Das ist kein statischer Prozess, sondern umfasst viele Bereiche."

Warum die Umsetzung des Aktionsplans dringend nötig ist, liegt laut Eiter auf der Hand, wenn man sich die aktuellen Zahlen anschaut: 2024 gab es in Österreich ein Allzeit-Hoch an Wiederbetätigung, Holocaust-Leugnung und Verhetzung. 1.486 rechtsextreme Straftaten wurden angezeigt, die Dunkelziffer dürfte noch wesentlich größer sein.

Prävention & Schutz

"Wir fordern nicht nur eine wirksame Strafverfolgung, sondern auch umfassende Präventionsmaßnahmen, den Schutz der Gedenkstätten", sagt Robert Eiter. Für den Aktionsplan müsse die Regierung alle Player aus Justiz, Innenministerium, Vertretern der Länder und der Zivilgesellschaft ins Boot holen.

Verfahren werden immer öfter eingestellt

Vor allem in der Justiz sei offenbar einigen nicht bewusst, dass es in Österreich eine antifaschistische Verfassung gebe. "Immer öfter werden Verfahren wegen rechtsextremer Straftaten sang- und klanglos eingestellt. 2024 ging die Zahl der Verurteilungen stark zurück, während die ohnehin schon hohe Zahl der Einstellungen gleich um ein Drittel zunahm."

Im offenen Brief werden auch konkrete Fälle geschildert:

  • Am 26. Juli begleitet ein enormes Polizeiaufgebot eine Demo der rechtsextremen Identitären in der Wiener Innenstadt, darunter bekannte Neonazis und verurteilte Gewalttäter. Es gibt 50 Festnahmen und rund 200 Anzeigen. Doch sämtliche Aktionen richten sich gegen Antifaschistinnen und -faschisten, die versuchen, den Aufmarsch zu blockieren.
  • Im April werden im Bezirk Braunau in OÖ auf Fassaden zwei große Hakenkreuze und der Schriftzug "Heil Hitler" gesprüht. Die Polizei vermeldet den Vorfall als "Sachbeschädigung durch Graffiti", die NS-Wiederbetätigung bleibt unerwähnt.
  • Gedenkstätten für NS-Opfer werden häufig geschändet: Alleine in der KZ Gedenkstätte Mauthausen waren von 2012 bis 2024 43 Schändungen zu verzeichnen. In keinem einzigen Fall gaben die Behörden die Ausforschung eines Täters bekannt.

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