„Wir können Arten zuverlässig über die DNA bestimmen, dafür reicht eine kurze Sequenz. Wir finden diese Spuren von Erbgut mittlerweile im Wasser, im Boden und selbst in der Luft“, sagt Nikolaus Szucsich, Manager der Austrian Barcode of Life-Initiative. Vor kurzem feierte ABOL sein zehnjähriges Bestehen.
ABOL besteht seit zehn Jahren
Die Zwischenbilanz der Inventur der heimischen Natur zum runden Geburtstag: Ein Drittel der geschätzten 75.000 Tier-, Pflanzen- und Pilzarten in Österreich sind bereits als DNA-Barcode erfasst, in einer Datenbank gespeichert und als Probe archiviert.
Zur Artbestimmung wird im Labor nur ein kurzer, eindeutiger Abschnitt des Erbguts – bei Tieren meist das CO1-Gen – sequenziert. Diese genetische Information der DNA, die in einer Abfolge von vier Basen codiert ist, lässt sich in unterschiedlich gefärbten Balken darstellen und erinnert somit an Strichcodes. Die Referenzen stehen weltweit öffentlich zur Verfügung. Sie helfen nunmehr andernorts bei der Taxonomie, wenn Gen-Abschnitte unbekannter Natur auftauchen.
„Wir schaffen ein digitales Bestimmungsbuch“, erklärt Szucsich, der mehr als zwanzig Partnerorganisationen vom Wiener Burgring aus koordiniert, Standards entwickelt und um finanzielle Fördermittel kämpft.
Im elften Jahr des Engagements für Biodiversität sollen nun Tiere im Grundwasser nachgewiesen werden. „Lebewesen geben DNA an ihre Umgebung ab. Es ist wie ein einzelnes Haar, das den Täter überführt“, zieht der Zoologe den Vergleich zur Kriminaltechnik.
Lebewesen in Grundwasser und Boden stehen jetzt im Focus
Auch Bodenlebewesen stehen aktuell im Fokus der Unis, Museen, Vereine und Experten. Hier sind die weißen Flecken besonders groß. Dabei genügt ein Teelöffel Erde, um die Vielfalt von der Assel über Bakterien bis zu Springschwanz zu dokumentieren.
Gleichzeitig läuft der Lückenschluss weiter – mit vordringlichem Interesse für sehr häufige und extrem seltene Arten sowie für Bioinvasoren. Die Erfassung der Libellen, von der Blaugrünen Mosaikjungfer bis zur Blutroten Heidelibelle, ist bereits abgeschlossen. Bei den Pilzen ist Österreich federführend. Bei den Milben dagegen gibt es Handlungsbedarf. Ihre Vielfalt wurde massiv unterschätzt, die Sichtung der 0,1 mm bis 3 cm großen Organismen, lediglich in kleinsten Details unterschiedlich, braucht Zeit. Auch bei Insekten mit all ihren Entwicklungsstadien gibt es viel zu sequenzieren.
Idee zu digitalem Bestimmungsbuch kam 2003 auf
„Die Idee für die internationale BOLD-Datenbank kam 2003 auf. Österreich war mit ABOL relativ früh mit dabei“, sagt Szucsich. Den Grundstein für die globale Barcode of Life-Initiative legte der kanadische Biologe Paul Hebert, indem er die Artbestimmung über Gene in den Mitochondrien, den sogenannten Kraftwerken der Zellen, etablierte. Mittlerweile sind im digitalen Barcode of Life Data System 400.000 Spezies durch DNA-Barcodes abgedeckt, das entspricht etwa einem Fünftel der global beschriebenen Arten.
Der österreichische ABOL-Manager verweist auf den wissenschaftliche Nutzen der grenzüberschreitenden Vernetzung. So zeigt ein globaler Abgleich etwa, wie sich alpine Schmetterlinge von skandinavischen unterscheiden. So bringt ein Grazer Experte seine Expertise über Wenigfüßer ein; der nächste Fachmann für diese winzigen Tausendfüßer forscht in China.
Dabei hat die DNA-Erhebung ebenso praktische Vorteile. Wissen Landwirte, welche Bodenlebewesen den Humus verbessern, können sie den Artenmix fördern. Macht ein Monitoring Pilzbefall sichtbar, können Obstbauern gegensteuern. Breiten sich ungebetene Neuankömmlinge aus, lassen sich Maßnahmen zur Eindämmung rechtzeitig ergreifen.
Barcoding liefert Daten für Umweltschutz
Szucsich bringt es auf den Punkt: „Mit Barcoding können wir Veränderungen in den Ökosystemen feststellen – ob sie nun durch Bioinvasoren, den Klimawandel oder Verbauung verursacht sind.“ Die Barcodes tragen damit nicht zuletzt zum Umweltschutz bei.
Dabei muss freilich jede Inventarisierung interpretiert werden. Das Erbgut des Huhns, das im NHM Staub aufgewirbelt hatte, gelangte vermutlich über das Museumsrestaurant in die Schmutzpartikel.
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