Über vier Monate nach der mündlichen Urteilsverkündigung liegt die schriftliche Ausfertigung vor. Staatsanwaltschaft Wels legt mit einer weiteren Anklage nach.
Am Landesgericht Wels und bei der dortigen Staatsanwaltschaft gibt es keinen Zweifel an den Urteilen im Prozess um die Pension Neuwirth.
Denn in der schriftlichen Urteilsausfertigung erläutert der Richter auf 209 Seiten, warum er die fünf Personen - eine Immobilienmaklerin, eine Anwältin, ihren Mann und ihren Bruder (beide Immobilienentwickler) sowie ihren damaligen Anwaltskollegen - wegen schweren Betrugs zu unbedingten Haftstrafen von bis zu 12 Monaten (bedingt bis 36 Monate) verurteilt hat.
Ein ebenfalls angeklagter Notar wurde freigesprochen.
Die fünf Personen haben nach Ansicht des Richters gemeinsam eine damals 83-jährige Frau um ihre Pension gebracht. Um die Pension Neuwirth in Gmunden am Traunsee (OÖ). Und die Sache geht mit einem neuen Prozess weiter.
Anklage gegen Ehemann der Maklerin
Während dieses Prozesses ist noch ein weiterer Beschuldigter sozusagen aus dem Traunsee aufgetaucht. Der Ehemann der Immobilienmaklerin.
Er hat sich in diversen Chats mit den Angeklagten ausgetauscht und - nach Ansicht der Staatsanwaltschaft - eine doch auch bedeutende Rolle in dem Verkauf gespielt.
Demnach sei auch er wegen schweren Betrugs vor Gericht zu stellen, ist sich die Staatsanwaltschaft sicher. Der Prozesstermin gegen den ehemaligen ÖVP-Kommunalpolitiker ist Ende April am Landesgericht Wels.
Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung
Die bislang bereits Verurteilten werden jedenfalls Nichtigkeitsbeschwerde einlegen und meldeten volle Berufung an.
Fakt ist: Ursprünglich war das Gebäude von den Immobilienentwicklern um 750.000 Euro gekauft worden. Samt Bootshütte, die - offenbar illegal - auf dem dazu gemieteten Seegrund der Bundesforste errichtet worden war.
Allerdings war in dem ursprünglichen Kauf ein recht umfangreiches Eigentumsrecht der Pensionsbetreiberin für sich und ihre Erben beinhaltet. Was den Kaufpreis geschmälert habe.
Vergleich unterschrieben, aber nicht umgesetzt
Im Zuge der Rückabwicklung - die Erben hatten nach dem Verkauf diese auf dem Zivilrechtsweg eingeklagt - kam es sogar zu einem bereits unterschriebenen Vergleich. Insgesamt wären die Immobilienentwickler bereit gewesen, letztlich knapp 2,5 Millionen Euro für eine lastenfreie Übernahme des gesamten Areals, für das eine Sonderwidmung „Bauland Tourismusbetrieb“ besteht, zu bezahlen.
Zum einen Teil als zusätzlicher Kaufpreis, zum anderen Teil als Vergleichssumme, um die begehrte Immobilie zu übernehmen und die Zivilrechtssache auf diesem Weg aus der Welt zu schaffen.
Zusätzlich war zugesagt, der ehemaligen Pensionsbesitzerin Gertrude Neuwirth unentgeltlich eine Wohnung bereitzustellen, solange sie alleine in der Wohnung hätte leben können.
Was letztlich daran gescheitert ist, dass Neuwirth verstorben ist. Dann wurde die Staatsanwaltschaft tätig - mit obigem Ergebnis. Die Immobilie ist übrigens bis heute nicht verkauft und verwittert vor sich hin.
Details aus dem Urteil
Mit einigen Details überrascht der Richter in seiner Urteilsausfertigung. Denn während bei der mündlichen Urteilsverkündigung der Geschäftsunfähigkeit von Gertrude Neuwirth keine zwingende Relevanz beigemessen wurde, hält er nun fest: „Gertrude Neuwirth war zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung [...] aufgrund einer leichten (bis mittelschweren) Demenz objektiv geschäftsunfähig.“ Die Angeklagten hätten das „im Zweifel“ nicht erkannt.
Das Bootshaus im Traunsee im Zentrum eines Immobilienkrimis
Thema sind nach wie vor das Bootshaus und die auf dem seit über 100 Jahren von der Familie Neuwirth gepachteten Seegrundstück, das den Bundesforsten gehört, errichteten Einbauten.
Der Richter ist nämlich überzeugt, dass für diese Bootshütte „zu keiner Zeit ein behördlicher Beseitigungsauftrag oder ein behördliches Nutzungsverbot“ gedroht habe. Und das, obwohl sich aus dem Bescheid der Stadtgemeinde Gmunden - der eilig vor Prozessende erstellt wurde - zur nachträglichen Genehmigung des Bootshauses mit einem neu geschaffenen Paragraphen ergibt, dass das Bootshaus ein Schwarzbau war.
Bescheidaufhebungsverfahren läuft
Und womöglich bleibt, denn das Land Oberösterreich hat - wie berichtet - ein Bescheidaufhebungsverfahren eingeleitet, weil die Ansicht besteht, dass die nötigen gesetzlichen Grundlagen für die nachträgliche Genehmigung des Bootshauses auf dem Seegrundstück nicht vorliegen.
Der Richter ist aber offenbar der Ansicht, dass es keinen Unterschied mache, ob das Bootshaus auf rechtlich geordneten Beinen steht oder nicht. Denn für ihn betraf der Bestandsvertrag für das Seegrundstück „nur die Flächen und nicht die darauf errichteten Einbauten“.
Denn zwischen Neuwirth und den Bundesforsten sei seit jeher vereinbart gewesen, dass „die Baulichkeit nach Ende des Bestandsverhältnisses zu entfernen oder gegen einen Investitionskostenersatz in das Eigentum der Bundesforste zu übertragen“ sei. Interessant: Der Richter hält es in dem Zusammenhang für nicht relevant, ob die rechtlichen Bestimmungen eingehalten werden oder nicht.
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