Der Vertrag mit Ritz Carlton in Fukuoka, der "Glücks-Hügel-Stadt" im Süden Japans, war schon unterschrieben. Dann fanden Carmen und Kevin Stummer ihr Glück doch noch in Wels.
Das war im Juni des Vorjahres. Ein dreiviertel Jahr später begrüßt Carmen die Gäste in dem kleinen Restaurant beim Ledererturm am Welser Stadtplatz. Der Name ist Programm. "Gans Fein" heißt es, denn eine denkmalgeschützte Porzellan-Gans ziert seit 1844 die Fassade des Hauses.
15 Jahre war die Bettfedern-Handlung schon ausgezogen, der Schriftzug prangt immer noch am Haus. "Und die Gäste erzählen uns nostalgisch, dass sie hier ihre erste Bettwäsche gekauft haben", schmunzelt die junge Wirtin, die heuer 30 wird.
Und sie überrascht gleich einmal mit dem Gedeck. Die Butter ist mit den Schalotten und dem Knochenmark des Osso Bucco (kommt später) versetzt, es gibt veganes (!) Grammelschmalz vom Hoblhof und Kichererbsenaufstrich, dazu das Krustav von "Brotsüchtig".
Die Wirtsleute verstehen ihr Handwerk. Kein Wunder, haben sie doch an Top-Adressen in Sylt, Wien und Carmen zuletzt in Berlin im Waldorf Astoria, Kevin im Hotel de Rome gearbeitet.
Wels statt Wien, Berlin und Japan
Und dann Wels? "Ja, weil sich das mit der Möglichkeit hier so gut ergeben hat", erinnert sich Carmen, "Kevin war sofort verliebt, als er das erste Mal in dem Gebäude war."
So bringt Kevin Stummer, der bis zu seinem 17. Geburtstag in Tokyo gelebt hat, eine kreative Küche mit japanischer Raffinesse ins beschauliche Wels. Toro & Stör etwa (18,5 Euro), in einer ganz leicht scharfen Sauce, mit Rettich und Blumen kunstvoll inszeniert: ganz fein.
Und erst das Osso Bucco (23 Euro, um 15 Euro kann man Kaviar vom weißen Stör dazu bestellen, muss man aber nicht). Es ist völlig anders interpretiert als etwa in Mailand.
Im japanisch inspirierten Teil von Wels kommt es mit Pistazie, Passionsfrucht und Trüffelkaviar. Das zarte weichgegarte Fleisch gerät in der Gesamtheit zu einer neuen Geschmackserfahrung, die ihresgleichen sucht.
Wer der Chefin freie Hand bei der Getränkeauswahl dazu überlässt, wird auch überrascht. Und zwar höchst positiv. Denn zum Fleisch gibt es Yuzushu-Soda (9 Euro), ein leicht alkoholisches, sehr frisches japanisches Kultgetränk.
Bei Aperitif hingegen setzt Carmen Stummer auf vergorenes Fallobst aus Oberösterreich und empfiehlt einen Traunsecco (5,50 Euro), versetzt mit Weichsel-Ursaft.
Und die Weinkarte kann sich ebenfalls sehen lassen. Die Auswahl aus dem Burgund ist noch ein Ergebnis der Flitterwochen, auch Italien, Deutschland und Österreich lassen keine Wünsche offen.
"Japanische Küche in der DNA"
Aber zurück zum Essen. "Kevin hat die japanische Küche in seiner DNA", weiß seine Frau, und diese japanische Perfektion ohne Schnickschnack, geradlinig, und dabei bekannte Gerichte neu interpretiert - das will das "Gans Fein" bieten.
Wie etwa den Gefüllten Paprika (19 Euro) vom Wagyu Rind mit Sushi Reis und einem Lardo, der nur so dahinschmilzt.
Auch ein Besuch zu Mittag ist angesagt - zwei dreigängige Menüs, eines mit Fleisch eines vegetarisch, gibt es um 19,80 Euro. Alle drei Gänge gleichzeitig serviert, so lässt es sich gut miteinander teilen.
Nach dem Lokalaugenschein "in unserem erweiterten Wohnzimmer", wie die Wirtsleute, die oberhalb des Lokals auch eine Wohnung gefunden haben, bleibt als Fazit nur: Gans Fein und Glück gehabt, dass Carmen und Kevin ihr Glück nicht in der "Glücks-Hügel-Stadt" Fukuoka sondern am Stadtplatz in Wels suchen.
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