Primar Lamprecht: „Covid mit Impfung und Infektionen die Zähne gezogen“
Bernd Lamprecht (47) ist Universitätsprofessor am Lehrstuhl für Innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie an der Medizinischen Fakultät der Johannes-Kepler-Universität. Der renommierte Lungenfacharzt und Corona-Experte leitet seit 2013 die gleichnamige Abteilung am Kepler-Universitätsklinikum.
KURIER: Ist angesichts der abgeschwächten Covid-Welle überhaupt noch eine Impfung notwendig?
Bernd Lamprecht: Ich würde mich der Empfehlung des Robert-Koch-Instituts und des nationalen Impfgremiums anschließen, dass eine Impfung prinzipiell für alle empfehlenswert ist, die einen besonders optimalen Schutz wünschen, aber ganz besonders empfehlenswert für drei Gruppen: für ältere Menschen, das sind Menschen ab dem 60. Lebensjahr. Bei dieser Gruppe weiß man, dass das Immunsystem nicht für so lange Zeit eine gute Gedächtnisleistung hat, und daher den Schutz nicht so lange aufrechterhalten kann. Die zweite Gruppe wären chronisch kranke Menschen, ungeachtet ihres Alters.
Weil ihr Immunsystem geschwächt ist?
Weil sie im Falle einer Infektion ein höheres Risiko für einen komplikationsbehafteten Verlauf haben. Die dritte Gruppe sind Personen, die im Gesundheitssystem arbeiten. Sie haben ein hohes Expositionsrisiko. Die Wahrscheinlichkeit einer Infektion ist für sie besonders hoch.
Dass sich Covid abgeschwächt hat, ist nicht so sehr eine Veränderung des Virus, sondern in erster Linie der guten Immunität der Bevölkerung geschuldet. Da wir eine gute Grundimmunität haben, haben wir mit der Immunität Normalität erreicht.
Da sich der weitaus größte Teil der Bevölkerung hat impfen lassen, ist die Grundimmunität höher.
Man geht davon aus, dass heute wahrscheinlich drei immunologische Ereignisse, seien es Infektionen oder Impfungen, ausreichen, um eine stabile Grundimmunität einer Person herzustellen. Ein großer Teil der Bevölkerung hat zumindest entweder eine oder zwei Infektionen oder einige Impfungen gehabt. Damit haben wir als Bevölkerung eine sehr stabile Immunität. Das heißt, wir sind nicht wie vor einigen Jahren komplett naiv, sondern unser Immunsystem ist vorbereitet. Natürlich nicht auf jede Variation dieses Virus,
aber es hat gewisse Grundfertigkeiten, mit diesem Virus umzugehen. Das verhindert heute die Umsetzung einer Infektion in eine sehr schwere Erkrankung.
Die Menschen, die nun an Covid erkrankt sind, erzählen, es sei zwar ein, zwei Tage schwierig gewesen, aber dann sei es ihnen besser gegangen.
Es ist zu erwarten, dass sie aus dem Training des Immunsystems einen Nutzen gezogen haben, dass sie Gott sei Dank nur einen milden Verlauf haben. Wir möchten eine gewisse Normalität über Immunität erreichen, dass wir mit dem Virus so umgehen können wie mit anderen Krankheitserregern auch.
Es haben also die Impfgegner mit dem Argument nicht recht, wenn sie sagen, die Abschwächung von Covid zeige, dass sie mit ihrer Impfverweigerung richtig lagen.
Das ist insofern nicht richtig, weil wir das sehr mühsam erarbeitet haben. Dass es jetzt überwiegendmilde Verläufe gibt, ist dem Umstand geschuldet, dass es für die meisten heute einen guten Schutz gibt. Jene, die immer noch ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf haben, sind immungeschwächte Personen. So kann zum Beispiel das Immunsystem bei Menschen nach einer Organtransplantation nicht jene Leistung zeigen, die man sich wünschen würde.
Haben Sie auf Ihrer Abteilung Covid-Patienten?
Ja, wir haben aktuell Patienten. Das war aber auch zu erwarten, und das dürfen wir auch für den Winter erwarten. Das sind nicht so sehr schwer kranke, jüngere Menschen, sondern in erster Linie hochbetagte Menschen, die aufgrund ihrer Alters mit einem Infekt nicht einfach umgehen können. Sie haben einige Tage erhöhte Temperatur, sie leiden an Kreislaufschwäche, sie sind müde, in ihrer Mobilität eingeschränkt und brauchen medizinische Unterstützung. Da es diese nicht für jeden allen Orts gibt, gehen diese Menschen eher ins Spital.
Wie hoch ist die Anzahl der aktuellen Covid-Fälle?
Ich kann es nur für meine Abteilung sagen. Wir betreuen momentan fünf Patienten mit einer Covid-Infektion. Aber wir haben keine Patienten auf der Intensivstation.
Das ist genau das, was wir mit der dieser Immunität erreichen wollen. Dass es nicht mehr zu schwerer Erkrankung kommt, sondern dass der milde Erkrankungsverlauf der Regelfall ist.
Ist Covid besiegt?
Besiegt würde ich nicht sagen, aber wir haben einmal die Giftzähne ziehen können, indem es gelungen ist, diese Grundimmunität herzustellen. Wir haben nun die Ressourcen im Gesundheitssystem, die wir benötigen, um sie jenen zur Verfügung zu stellen, die sie besonders brauchen, weil sie sich nicht immunisieren können. Weil sie Medikamente nehmen, die das Immunsystem unterdrücken oder sie schwere Erkrankungen haben.
In der Phase davor war auch eine durchschnittlich gesunde Person gefährdet, im Fall einer Infektion schwer zu erkranken und eine Intensivstation zu benötigen. Am Höhepunkt waren 150 Personen in Oberösterreich auf Intensivstationen nur mit einer Corona-Virus-Erkrankung. Das ist für ein System zu belastend.
Es gibt nun einen Impfstoff, der sowohl gegen Grippe als auch gegen Covid wirkt.
Diese Impfstoffe befinden sich in der Kombination gerade in Entwicklung. Es wäre der Wunsch, dass man in Zukunft im Herbst eine Impfung anbieten kann, mit der man sich ideal gegen die Erreger schützen kann. So wie man sich jetzt schon am selben Tag gegen beide Erkrankungen impfen könnte.
Soll man sich gegen Grippe ebenfalls impfen lassen?
Wir als Mediziner empfehlen das schon seit vielen Jahren. Besonders jenen Gruppen, die ein höheres Risiko haben, schwer zu erkranken. Das sind ältere und chronisch Kranke, Menschen, die viel Kundenkontakt haben und Menschen, die in Gesundheitsberufen arbeiten.
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