Bei der Präsentation durch ÖVP-Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) Anfang April hat alles sehr gut geklungen. Das Landesarchiv soll ins frei werdende Schloss Bergheim übersiedeln.
Die dort angesiedelte Landwirtschaftliche Schule kommt weg, mit einem Speicher-Neubau werden alle Platzprobleme in Linz gelöst, zeigte sich Stelzer überzeugt.
Mittlerweile werden aber immer mehr Stimmen laut, die die Absiedelung für problematisch halten. Das Institut für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte und das Institut für Wirtschafts-, Sozial- und Umweltgeschichte der Linzer Johannes-Kepler-Universität (JKU) haben ihren entschiedenen Protest dem Landeshauptmann übermittelt.
Der abgelegene Standort werde den lebendigen Wissenschaftsstandort Landesarchiv isolieren, heißt es in dem Appell an Stelzer, das Landesarchiv sei das kulturelle Gedächtnis des Landes, "ein Ort der Forschung, Bildung und demokratischen Teilhabe und somit weit mehr als nur eine Sammlung historischer Dokumente".
Forscherclub protestiert gegen Entscheidung
"Es widerspricht dem gesunden Hausverstand, das Landesarchiv in die ferne Abgeschiedenheit zu verbannen", findet auch der Familien- und Ahnenforscherclub Linz, die sich durch Stelzers Entscheidung an "Kaisers Zeiten" zurückversetzt fühlt.
Entscheidungen ohne Einbindung der Direktion des Landesarchives, der Mitarbeiter und Forscher sollten der Vergangenheit angehören. "Politiker, die solche Entscheidungen treffen, wählen wir nicht mehr", sind sich die rund 30 Forscherinnen und Forscher, die diesen Protestbrief unterschrieben haben, einig.
Einer davon ist Josef Weichenberger. Der ehemalige Archivar des Landesarchivs forscht aktuell für den Nationalpark Kalkalpen an seiner früheren Wirkungsstätte, an der er von 2002 bis 2022 tätig war, zuletzt auch als Personalvertreter. Er war dabei, als Stelzer im Archiv die Übersiedelung präsentierte: "Alle waren überrascht, Leute haben zu weinen begonnen."
Schlechte Erreichbarkeit
Er hat insgesamt 13 Punkte aufgelistet, die aus seiner Sicht gegen die Verlegung des Archivs ins Mühlviertel sprechen. Etwa die bereits kritisierte Entscheidung über alle Betroffenen hinweg, das Außer-Acht-Lassen der Möglichkeiten am bestehenden Standort samt unglaubwürdiger Kostenaufstellung, die der Entscheidung zugrunde liegen würde.
Weitere Kritikpunkte: Die schlechte öffentliche Anbindung. Von Linz dauert es öffentlich rund eine Stunde bis ins Schloss Bergheim, was letztlich zu einer Vielzahl an zusätzlichen täglichen Autofahrten führe.
"Stelzer interessiert das nicht"
Mit Sorge betrachte Weichenberger auch, dass der neue Speicher in einem Grundwasserschongebiet und in einer Hochwasserzone errichtet wird. Für ihn ist klar: "Eine Übersiedelung in die Peripherie widerspricht jeglicher Vernunft." Und steht im krassen Widerspruch zur früher gepflegten Praxis des früheren Landeshauptmanns von Oberösterreich.
Weichenberger: "Josef Pühringer hat das Landesarchiv als Bühne genutzt, Stelzer interessiert das nicht." Unter dieser Entscheidung leide aber die Erforschung der Landesgeschichte, fürchtet Weichenberger: "Das schadet der Identität und dem Image des Landes gewaltig. Statt einem mit Stolz herzeigbarem Landesarchiv hätte man eine Lösung, für die man sich schämen muss."
"Standort ist nicht ideal"
Und noch eine Institution hat Vorbehalte. "Es ist immer schlecht, wenn sich das Archiv von der Verwaltung entfernt. Archive haben zu gewährleisten, dass Informationen gut zugänglich sind, insofern ist der geplante Standort nicht ideal", sagt Karin Sperl, Präsidentin des Verbandes österreichischer Archivarinnen und Archivare (VÖA), in den OÖN. In der VÖA-Vorstandssitzung werde demnächst eine Stellungnahme an Stelzer formuliert.
Stelzer verteidigt Standortentscheidung
Nicht zuletzt deshalb wird jetzt auch eine öffentliche und transparente Debatte über die Standortentscheidung gefordert. Eine Debatte, die Stelzer selbst offenbar nicht führen will. Denn auf KURIER-Anfrage geht Stelzer auf die angesprochenen Kritikpunkte nicht ein, sondern zeigt sich von den Protesten unbeeindruckt und bekräftig lediglich die bereits bekannten Argumente.
Ein Neu- bzw. Umbau sei aus Kostengründen verworfen worden, ein historisches Gebäude werde nach dem Auszug der Schule mit neuem Leben erfüllt, erstmals werde eine Dienststelle des Landes - wie oft gefordert - außerhalb von Linz errichtet. Dies "natürlich unter Einbindung aller Beteiligten".
Bericht über das Erbe in der Innvierteler Volkszeitung am 10. Dezember 1909
Da ist es nur noch ein Detail am Rande, dass sich die 20.000 Gulden, die das Land Oberösterreich Anfang des 20. Jahrhunderts investiert haben, um den Letzten Willen von Baronin Hirsch für das Schloss Bergheim nicht erfüllen zu müssen.
Sie hatte dem Land Oberösterreich das Schloss Bergheim zur Errichtung einer Landwirtschaftlichen Schule vermacht. Was das Land nach einiger Zeit trotz Freikaufens bis zuletzt erfüllt hat. Mit der jetzigen Entscheidung wird der Erblasserin nur neuerlich ihr letzter Wille abgeschlagen.
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