Nun ist er dabei, einen European Business Circle zu gründen, „eine standortorientierte, bürgerliche NGO in Brüssel“, die den grünen Nichtregierungsorganisationen etwas entgegensetzen soll. Und er ist gemeinsam mit Dietmar Kerschbaum engagiert im IKW, dem Internationalen Kultur- und Wirtschaftsforum Linz, das den 200. Geburtstag Anton Bruckners 2024 vermarkten will.
Noch vor einem Jahr hat sich Leitl lautstark als „Putin-Versteher“ positioniert. Gemeinsam mit dem Wirtschaftsbund hat er die Sanktionen gegen Russland abgelehnt, die die EU nach der Besetzung der Krim verhängt hat. Das waren verhängnisvolle Fehleinschätzungen, die ihn in der öffentlichen Diskussion isoliert haben.
Was sagt nun der Putin-Versteher, nachdem Putins Truppen in der Ukraine einmarschiert sind?
Leitl: „Der Aggressor ist eindeutig. Die Ursachen sind vielschichtig. Das sollen die Historiker beurteilen. Ich erwarte von dem, der das vor einem Jahr begonnen hat, dass er sagt, ich bekenne mich öffentlich zu christlichen Werten und zu Russland als Kulturnation. Ich kann nur sagen, Herr Putin, es ist Zeit, dass Sie sich etwas einfallen lassen, das zum Frieden führt. Die Initiative sollte von Ihnen ausgehen, weil die Initiative zum Krieg auch von Ihnen ausgegangen ist. Minütlich und stündlich sterben so viele junge Menschen, die zum Teil bei mir in den Europaveranstaltungen waren. Wir erinnern uns an die Grauslichkeiten des Ersten und Zweiten Weltkriegs. Jetzt gibt es ein Déjà-vu, das wir nie für möglich gehalten haben. Auch ich nicht. Das fordert mich heraus, mich immer neu zu motivieren, obwohl ich manchmal verzweifelt bin.“
Die innenpolitische Situation macht Leitl ebenfalls Sorgen. Das Überhandnehmen der Populisten sei eine „Gefahr für die Demokratie. Sie haben die relative Mehrheit, nicht weil sie bessere Problemlösungen haben, sondern weil sie ein Ventil sind für Menschen, die sich in ihrer Existenz bedroht fühlen.“
Er nennt einen konkreten Fall. „Eine alleinerziehende Mutter, die einen Halbtagsjob hat und 1.500 Euro netto im Monat verdient, hat bisher 150 Euro Energie-Kosten gehabt. Nun zahlt sie 450 Euro. Sie kommt nicht über die Runden, sie ist verzweifelt.“ Wenn sich die Menschen in den Populisten ein Ventil suchen, sei das verständlich. „Das ist eine Gefahr für die Demokratie und die soziale Marktwirtschaft. Wo ist sie denn hier sozial? Da kündigen Energieversorgungsunternehmen Verträge und verkünden gleichzeitig Gewinnexplosionen. Wie passt denn das zusammen?“
Demokratie und soziale Marktwirtschaft würden auf Legitimation beruhen, auf der Anerkennung durch eine breite Mehrheit der Bevölkerung. Diese sei in den vergangenen Jahren gesunken, auch das Ansehen aller Parteien. „Ich fordere alle auf, die sich christlich-sozial oder sozialdemokratisch nennen, die Sorgen der kleinen Menschen, egal ob Arbeitnehmer, Mittelständler oder kleine Unternehmen, ernst zu nehmen. Wie sollen sie über die Rundenkommen, wenn die Energie 30 Prozent ihrer Kosten ausmacht?“ Es sollten Maßnahmen gesetzt werden. „Wie wäre es, die Spritpreise von der Mehrwert- und der Mineralölsteuer zu befreien? Das würde den Leuten mehr helfen als Einmalzahlungen, die rasch verpuffen.“
Leitl warnt seine ÖVP vor der Illusion, zu glauben, dass sich die Situation für sie 2024, im Jahr der Nationalratswahl, bessern werde. Diese Meinung habe er gegenüber den obersten Entscheidungsträgern klar geäußert. Wird die ÖVP als stärkste bürgerliche Kraft nun von den Freiheitlichen abgelöst? Leitl: „Die sozialdemokratische Partei kommt auch nicht vom Fleck. Auch die anderen wie die Neos oder Grünen nicht. Die FPÖ, die in Oberösterreich eine vernünftige Figur macht, ist auf Bundesebene ein Ventil für Frustrierte. Sie hat auch keine Lösungen.“
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