„Habe das Mitterlehner-Buch nicht gelesen“

Kommissionspräsident Juncker mit Christoph Leitl
Christoph Leitl, Präsident der Europäischen Wirtschaftskammer, im Interview über China, die EU und seinen Ex-Generalsekretär.

Christoph Leitl (70) ist Präsident der Europäischen Wirtschaftskammer.

KURIER: US-Präsident Trump hat die Zölle auf chinesische Produkte auf 25 Prozent erhöht. Diese Spannungen belasten die Handelsbeziehungen und das Wachstum. Christoph Leitl: Ich bin mir bei Trump nicht sicher. Auf der einen Seiten setze ich auf Dialog. Aber die Chinesen haben in vielerlei Hinsicht gute Absichten und finden schöne Worte. Aber die Fortschritte in der Praxis wie Schutz von Eigentum, Zugang zum chinesischen Markt, Abschaffung von Protektionismus, Zurücklegung des Status eines Entwicklungslandes mit den damit verbundenen Vorzüge finden nicht statt. Wenn Trump nun als Businessman pokert und wenn am Schluss eine Lösung herauskommt, die fairer für die USA und Europa ist, dann ist es in Ordnung. Wenn er aber einen Handelskrieg vom Zaun bricht, sehe ich Gefahr für die Konjunktur.

Die Seidenstraße der Chinesen ist umstritten.

Wenn sie keine Einbahnstraße ist, ist sie willkommen. Denn dann dient sie auch der europäischen Expansion nach China. Sie kann zur Seidenschnur werden, sie kann aber auch zur bilateral befahrenen Straße werden.

Wie soll Europa auf die chinesische Herausforderung reagieren?

Wir sollten Augenhöhe verlangen. Wenn China den Hafen von Piräus kauft, sollten wir den Hafen von Schanghai kaufen können. Wenn China eine Eisenbahnlinie von Piräus nach Budapest baut, müssen wir eine Eisenbahnlinie von Schanghai nach Peking bauen können.

Warum treten die Europäer nicht härter auf, ähnlich den Amerikanern?

Es liegt nicht in der Mentalität der Europäer, sie mit brutalen Drohungen zu zwingen. Es ist mit den Asiaten schwierig, aber auf die Dauer ist das der bessere Weg.

Im Übrigen gilt, dass auch wir Europäer mit den Amerikanern verhandeln müssen, die USA sind unser wichtigester Außenwirtschaftspartner. Jean- Claude Juncker hat gezeigt, dass er erfolgreich sein kann. Wir sollten das fortsetzen und konstruktive Schritte machen.

Es gibt durchaus Dinge, wo wir Europäer auch ein schlechtes Gewissen haben müssen. Die Amerikaner verlangen zwei bis dei Prozent Zoll für eingeführte Autos, die Europäer aber acht bis zehn Prozent. Ich bin für freien Welthandel, aber unter jeweils gleichen Voraussetzungen.

Die EU senkt den -Ausstoß für die Autoindustrie, was von so manchen heimischen Automotive-Betrieben kritisiert wird.

Wir Europäer müssen aufwachen. Die EU dotiert „Horizon Europe“ mit 100 Milliarden Euro, wodurch es das größte Forschungs- und Innovationsprogramm der Welt ist. Da würde ich die Forschung für Elektro- und Wasserstoffantriebe hinein.

Ich kann die Kritik der Automotive-Industrie verstehen, denn Europa stößt weniger als zehn Prozent des weltweiten aus. Was nutzt es, wenn wir weiter runtergehen und Betriebe in andere Kontinente vertreiben, die dann dort weiter produzieren?

Was halten Sie von der jugendlichen Klimaschutzbewegung Fridays for Future?

Es freut mich immer, wenn Junge ihre Stimme erheben. Es ist ihre Zukunft. Ich sehe die Klimakrise auch als Bedrohung. Die Antwort kann nur die Kreislaufwirtschaft sein. Alles, was entnommen wird, muss nach Nutzung wieder in den Kreislauf zurückfließen. Intelligentes Wachstum ist die Antwort.

Kritiker werfen der Initiatorin Greta Thunberg vor, einen Kinderkreuzzug anzuführen. Wie viele Autisten handle sie hochmoralisch, obwohl oder weil ihr womöglich das Einfühlungsvermögen für andere abgehe. Sie sei eine Gesinnungsethikerin, Politiker müssten aber Verantwortungsethiker sein.

Vor Verantwortung steht Gesinnung. Daher bin ich froh, wenn junge Leute nicht in den Tag hin ein leben, sondern Gesinnung zeigen.

Es ist unklar, wie sich Europa weiter entwickelt. Es gibt zunehmende Spannungen zwischen Deutschland und Frankreich. Wie soll es weitergehen?

Deutschland und Frankreich haben mehr gemeinsame Basis als jetzt zum Ausdruck kommt. Ich glaube, dass sowohl unter den deutschen als auch unter den französischen Vorschlägen viele gut sind. Auch die Vorschläge von Sebastian Kurz sind eine Zukunftsnotwendigkeit, wenn ich an die Forderung nach dem Wegfall des Einstimmigkeitsprinzips denke. 80 Prozent der Kommission werden neu, 60 Prozent des Parlaments. Eine neue Generation mit neuen Prioritäten tritt an.

Sie hatten im Wirtschaftsbund einmal einen Generalsekretär, der Reinhold Mitterlehner geheißen hat und dann ÖVP-Obmann und Vizekanzler geworden ist.

Er war ein sehr guter Generalsekretär.

Haben Sie sein neues Buch mit dem Titel „Haltung“ schon gelesen?

Nein.

Warum nicht?

Er war ein sehr guter Generalsekretär.

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