Am Weg ins Bett sei sie gerade gewesen, als da plötzlich dieser lauter Knall war, erzählt die kleine, ältere Frau vor dem Rathaus, wo Evakuierten untergebracht sind. "Wir sind raus auf die Straße, aber es hat ja keiner gewusst, was los ist", erzählt die 83-Jährige.
Seit Mittwoch ist klar, was sich Dienstagabend im Stadtteil Freindorf in Ansfelden (Bezirk Linz-Land) ereignet hat. Bei einer Tiefenbohrung war es es zu einer Explosion gekommen.
Daraufhin trat Gas in der gesamten Siedlung aus. Zumindest eine Person wurde verletzt. Ein Einfamilienhaus ging in Flammen auf. Rund 100 Bewohner wurden von der Behörde zu ihrer eigenen Sicherheit zum Verlassen ihrer Häuser aufgefordert. Auch die kleine Frau vor dem Rathaus.
Dass am Unglückstag aber überhaupt Bohrungen geplant waren, davon sollen offenbar nicht alle Bewohner gewusst haben, wie einige im Gespräch mit dem KURIER schildern.
Ihren Namen will die 83-Jährige nicht in der Zeitung lesen. Aber erzählen, was passiert ist. "Die Fenster haben plötzlich geglüht. Ich habe meine ganzen Medikamente im Haus gelassen. Die Feuerwehr hat uns sofort weggebracht."
Karte zur Identifikation
"Es war eine Katastrophe. Ich weiß gar nicht mehr, wie wir rausgekommen sind", erzählt auch Katerina Estemerova, die eingewickelt in einer rot-grauen-Decke auf der Straße der Notunterkunft steht. Vor sieben Jahren ist die 39-Jährige in die betroffene Siedlung gezogen.
"Wir wissen nicht, wie es nun weitergeht. Ich habe zwar eine Tochter, bei der ich unterkommen kann, aber ich weiß nicht, ob ich nicht noch eine Nacht im Rathaus bleiben muss", sagt die Frau, die wie alle Betroffenen eine Identifikationskarte um den Hals trägt. Darauf vermerkt: Name, Vorname, Nationalität, Geschlecht.
Seit 55 Jahren in Siedlung gelebt
Auch Frau Gudrun trägt so eine Karte. Seit 55 Jahren lebt sie in der Siedlung, verlassen hat sie sie Dienstagnacht nur mit ihrer Handtasche und einer Jacke. "Ich konnte nicht einmal mehr meine Katze füttern", erzählt die Frau, die mit Kater Murli in einem Haus lebt.
"Ich habe gerade Fernsehen geschaut, als es einen Knall gemacht hat, als ob eine Bombe einschlägt. Wir sind dann alle raus aus den Häusern und gut 130 Meter entfernt von mir hat es gebrannt", erzählt die 79-Jährige.
Keine Information an alle über Bohrung
Über die Bohrungen, die den gesamten Tag durchgeführt wurden, seien die Bewohner nicht informiert wurden. "Es war nirgends etwas angeschlagen oder ähnliches. Nur die Anwohner, die direkt neben dem Bohrloch ihre Häuser haben, wurden informiert", erzählt Frau Gudrun.
Und nach einer kurzen Pause. "Bei denen waren aber bereits am Nachmittag Flammen auf dem Rasen zu sehen. Das ist doch ein Zeichen, das etwas nicht stimmt, oder?"
Ansfeldens Bürgermeister Christian Partoll (FPÖ) weist die Vorwürfe auf KURIER-Nachfrage zurück: "Man brauch für diese Bohrungen eine wasserrechtliche Genehmigung, diese war gegeben. Auch ein Bohrteam der OMV war vor Ort."
Wie es nun weitergeht? "Ich weiß es nicht", sagt die 83-Jährige, die die Nacht wie Frau Gudrun im großen Saal des Rathauses im Sitzen verbracht hat.
Bohrloch muss verschlossen werden
Auch die Behörden konnte darauf am Mittwoch noch keine Antwort geben. Bei einer Pressekonferenz am Mittwochvormittag wurde verkündet, dass zunächst ein Sachverständiger zur Bewertung der Lage angefordert wurde. Das Bohrloch der Tiefenbohrung müsse aber zunächst verschlossen werden. Ein Team der OMV sei bereits angefordert.
Erst wenn dieses Bohrloch tatsächlich geschlossen ist, dürfen die Bewohner zurück in ihre Häuser. Dies kann jedoch dauern, wie auch ähnliche Fälle aus der Vergangenheit zeigen.
Am Unglücksort selbst, keine zehn Autominuten vom Rathaus entfernt, war am Mittwoch wenig von den bangen Minuten der Nacht zu spüren und sehen. Großräumig hatte die Polizei die Siedlung mit rot-weiß-roten Holzgittern und einer Sperrgebiets-Tafel abgesperrt.
Vom Absperrgitter selbst sieht man nur ein Haus. Das weist aber keine Spuren einer Explosion auf.
Die Angst bleibt
Katerina Estemerova, die Frau mit der rot-grauen Decke, hofft, bald wieder nach Hause zu können. Eines würde aber bleiben: "Die Angst. Man weiß ja nicht, ob nicht wieder etwas passiert." Auch Frau Gudrun hofft, dass die Behörden alles "ordnungsgemäß" erledigen. Damit sie bald wieder zu Kater Murli zurück kann. "Die Polizei hat aber versprochen, dass sie ihn solange füttert."
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