Haimbuchner: "FPÖ muss sich vom Popstar-Kult verabschieden"

Manfred Haimbuchner
Manfred Haimbuchner, stellvertretender Bundesparteiobmann, fordert sowohl eine moralische als auch eine geistige FPÖ-Erneuerung.

Manfred Haimbuchner (41) ist Landeshauptmannstellvertreter, Landesobmann und stellvertretender Bundesparteiobmann der FPÖ.

KURIER: Zwischen der oberösterreichischen Landesgruppe und Wien hat es des öfteren Differenzen gegeben. Hätten Sie nach den Erfahrungen mit dem Ibiza-Video und den Spesenabrechnungen für HC Strache nicht stärker in Wien auftreten sollen?

Manfred Haimbuchner: Der politische Boden in Oberösterreich ist für alle Parteien ein anderer als der Wiener. Mit einer anderen Historie, mit einem anderen Zugang zur Politik und mit einem anderen Verantwortungsbewusstsein.

Die FPÖ ist föderaler strukturiert als andere Parteien. Jede Landespartei ist für sich selbst verantwortlich. Wir brauchen ein einheitliches Regelwerk, einen politischen Leitfaden, der strenger als die Gesetze sein soll. Wenn sich dem alle Organisationen der FPÖ unterwerfen, und das wird so sein müssen, dann kann es diese Diskussionen nicht geben.

Haben Sie von den Spesen für Strache gewusst?

Nein, der Mietzuschuss war mir gar nicht bekannt, die Höhe der Spesen auch nicht. Es ist mir klar, dass ein Parteiobmann Repräsentationsaufwendungen hat, die selbstverständlich von der Partei übernommen werden. Es geht um die Genehmigungsabläufe, um die Leitlinien und um die moralische Dimension. Das muss wie in einem Konzern ganz klar geregelt sein. Das wird die FPÖ unter meiner Verantwortung mit externer Begleitung ausarbeiten. Dann werden wir das beste Regelwerk aller Parteien haben.

Sie sind häufig mit Strache gemeinsam aufgetreten. Sind Sie persönlich von ihm enttäuscht?

Ich bin traurig über die Vorgänge, denn man hat über viele Jahre eng und sehr gut zusammengearbeitet. Man wünscht sich nicht, dass ein politischer Führungswechsel mit solchen Brüchen einhergeht. Das hat leider freiheitliche Tradition. Ich bin bekannt für klare Aussagen, für manche im freiheitlichen Lager mag das eine Provokation sein.

Strache tut sich schwer, sich endgültig von der politischen Ebene zu verabschieden. Nach Ibiza hätte er sich komplett in das Private zurückziehen sollen. Ich habe ihm das auch gesagt. Das wäre für alle Beteiligten das Beste gewesen.

Es gibt Erfolge, Wahlen, Misserfolge, Enttäuschungen, so ist das Leben. Aber eine politische Partei ist sicher kein Erbhof mit irgendwelchen Ansprüchen. Man kann die FPÖ nicht als sein Eigentum ansehen. Alles, was bei uns passiert, muss demokratisch geregelt sein.

Warum diese Brüche in der FPÖ immer wieder passieren, hat mit einem Popstar-Kult zu tun. Davon muss man sich endgültig verabschieden. Ich habe damit auch schon früher nichts anfangen können. Ich weiß, dass die heutige PR die Botschaft immer auf Personen zuspitzt. Das übertrieben Messianische lehne ich aber ab. Die Folge des Personenkults ist, dass es nach einer gewissen Zeit zu Brüchen kommt.

Manche in der Politik befinden sich irgendwann in einer Parallelwelt und nehmen Dinge, die rund um sie passieren, einfach nicht mehr wahr. Es ist wichtig, dass man geerdet und authentisch ist. Dass man Familie hat, dass man weiß, wann die Bio-Tonne abgeholt wird. Das ist mir immens wichtig.

Besteht nicht die Gefahr, dass sich neben der FPÖ eine weitere Partei entwickelt? Strache hat viele Anhänger, die Identitären sind heimatlos.

Ich zitiere hier Franz Josef Strauß, der gesagt hat, rechts von der CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben. Wir leben in einer Demokratie, jeder soll sein Glück versuchen. Ich kenne viele politische Glücksritter. Manche haben nicht erkannt, wann ihre Zeit zu Ende ist.

Halten Sie die Doppelspitze mit Hofer/Kickl für eine gute Lösung?

Für die FPÖ ist ein klares Programm wichtig, weiters die Strukturen, Seriosität und hartes Arbeiten. Sie muss auf einem breiten, historisch gewachsenen Fundament stehen und sie darf kein messianisches Denken haben. Die Aufteilung der Arbeit ist eine gute, ich habe sie immer unterstützt. Das ist eine vernünftige Lösung. Hofer könnte ohne Kickl nicht das gesamte Potenzial ausschöpfen.

Hofer ist eher der Verbindliche, Kickl der Scharfmacher.

So könnte man das in der Öffentlichkeit ohne genauere Analyse wahrnehmen. Die Vorzugsstimmen für Kickl sind für mich klar nachvollziehbar. Das sind jene, die mit dem harten Sicherheitskurs im Innenministerium einverstanden waren.

Aufgrund der schweren Verluste lehnen Sie eine Regierungsbeteiligung der FPÖ ab. Hofer argumentiert ähnlich, sagte aber, die FPÖ könnte zur Verfügung stehen, wenn es zu einer Krise käme.

Hofer sprach von einer Neubewertung der Situation. Wer so einen Wahlverlust wie die FPÖ eingefahren hat, muss sich hinterfragen und neu aufstellen. Wir haben die Wahl durch eigene Fehler verloren. Deshalb Opposition. Aber nicht als Hau-Drauf-Opposition, sondern als sachlich agierende Opposition. Aber wenn eine Situation eintritt, die für die Republik absolut nachteilig wäre, dann muss die FPÖ ihre staatspolitische Verantwortung wahrnehmen.

Man muss auch das Ibiza-Video hinterfragen. Jeder hat schon einmal an der Hotelbar unter Alkoholeinfluss Blödsinn geredet. Das ist nicht das Problem. Aber den Krösus zu geben, Zeitungen zu kaufen etc., das ist eine Frage des Bewusstseins. Als Freiheitlicher darf man so nicht denken. Diese Analyse brauchen wir in der FPÖ auch. Gibt es in der Vorstellung mancher Graubereiche, die völlig abzulehnen sind? Es gibt Dinge, die man nicht andenken darf. Sich zum Beispiel mit fremden Mächten einzulassen.

Sie nehmen nun Ihre Rolle als stellvertretender Bundesparteiobmann stärker wahr und sind als Verantwortlicher für die Erstellung der Compliance-Regeln auch machtpolitisch gestärkt.

Das, was ich mir vorwerfe, ist, dass man manche Dinge nicht klarer nach innen und außen kommuniziert hat, was einem aus dem Gewissen heraus nicht passt. So die Russland-Diskussion. Auch dieses Getue mit einer zentralistischen Partei in Frankreich (Marine Le Pen, Anm.d.Red.) hat mir nicht gefallen. Ich werde das noch viel offener und deutlicher kommunizieren. Eine Bundespartei besteht nicht aus einem Dreier-Sitzkreis in Wien.

Sie lehnen die Kooperationen mit der Putin-Partei Einiges Russland und mit Marine Le Pen ab.

Ich bin für eine Politik, die in erster Linie österreichische Interessen vertritt. Das heißt, dass wir gegen Russland-Sanktionen sind, aber ein Kooperationsvertrag mit einer anderen Partei in Russland ist nicht im österreichischen Interesse. Das heißt nicht, dass man mit diesen Persönlichkeiten nicht Gespräche führen soll. Aber muss man russische Innenpolitik zu einer Kooperation machen? Das brauchen wir nicht.

Welche Schlüsse ziehen Sie aus der Nationalratswahl für die Landtagswahl 2021?

Die Politik ist sehr kurzlebig. Ich will Jo-Jo-Effekte verhindern. Wir wollen eine stabile zweite Kraft in Oberösterreich sein, an der man in der Zusammenarbeit nicht vorbeikommt. Das wird unser Wahlziel sein.

Die Bundesebene zieht einen nach unten und nach oben. Ich glaube aber schon, dass wir uns aufgrund unserer Arbeit gut positionieren können.

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