Die Selbsttäuschungen des Öko-Hans
Die meisten Menschen halten Klimaschutz für wichtig und versuchen, danach zu handeln. Sie trennen den Müll, schalten das Licht aus und wollen den Energieverbrauch reduzieren.
Thomas Brudermann, promovierter Psychologe und Professor für Innovations- und Nachhaltigkeitsforschung an der Universität Graz, nennt diesen Typus „Hans“, der in den Spiegel schaut und dort den „Öko-Superhans“ sieht, der schon alles tut, um Klima und Umwelt zu schützen.
„Aber zwischen dem Selbstbild und dem Verhalten im Alltag klafft eine Lücke. Eigentlich müsste sich diese negativ anfühlen. Wir nennen das kognitive Dissonanz, wir wollen den inneren Widerspruch auflösen.“
Ausreden sollen uns dabei helfen. Bei seinem Auftritt im Rahmen einer Veranstaltung des Medtech-Clusters der Business Upper Austria im Energie-AG-Tower nannte Brudermann das Aufwiegen verschiedener Dinge gegeneinander (moralisches Lizenzieren) als ein Beispiel. Nach dem Motto „ich fliege zwar in den Urlaub, spare aber Energie und recycle Müll“. Das gehe sich psychologisch wunderbar aus.
Brudermann: „Wenn man im Urlaub nach Bali fliegen würde, könnte man im CO2- Äquivalent zu Hause das Licht 300 Jahre lang brennen lassen. Das hat vielleicht auch mit Wissensmissverständnissen zu tun; die Verlockung ist, dass man sich der unbequemen Wahrheit nicht so gern stellt.“
Als anderes Beispiel für Ausreden nennt der Grazer Umweltwissenschafter den “Öko-Hans“, der sagt, dass es in China doch viel schlimmer sei. Es gebe dort viele Kohlekraftwerke. Brudermann: „Das mit den Kohlekraftwerken und dem Abholzen des Regenwaldes in Brasilien stimmt, das sind problematische Dinge. Wir haben aber die Tendenz, Umweltprobleme stärker wahrzunehmen, wenn sie woanders passieren.
Umweltkurzsichtigkeit
Das nennt man Umweltweitsichtigkeit. Bei uns gibt es die Bodenversiegelung, immer mehr und größere Autos und seit 1990 noch immer nicht gesunkene Emissionen aus dem Verkehr. Die Logik laute, woanders sei es viel schlimmer, aber da könnten wir nichts machen. Bei uns sei es nicht so schlimm, da müssten wir nichts machen. Brudermann: „Wir sehen nur die negativen Dinge in China. Wir sehen aber nicht, dass die Abgasnormen dort für Neuzulassungen viel strenger sind als in Europa.“
Weniger CO2 in China
Wenn man sich den CO2-Ausstoß historisch ansehe, relativierten sich die Verhältnisse nochmals. Da seien die USA mit 25 Prozent und die EU mit 22 Prozent weit vor China (13 Prozent). „Der durchschnittliche Chinese ist öko-freundlicher als der durchschnittliche Österreicher. Konsumbasiert kommen wir in Österreich auf zehn Tonnen CO2 pro Kopf und Jahr, China auf sieben Tonnen.“ Wobei China nun aufhole.
Es sei verlockend, zu glauben, den Klimawandel allein mit technologischen Innovationen lösen zu können. Brudermann hält auch Verhaltensänderungen für notwendig.
Wie kommen die Menschen nun weg von den Ausreden? Es müssten sowohl das Mindset als auch die Strukturen geändert werden. Brudermann: „Beim Mindset besteht das Problem, dass das direkte Feedback fehlt. Ich kann heute mit dem Autofahren aufhören, aber morgen ist der Klimawandel auch noch da. Wir brauchen das Gefühl der Selbstwirksamkeit. Das bekommt man, indem man die Dinge gemeinsam macht und sich mit anderen Menschen engagiert.“
Gesundheit
Und indem man es mit anderen Themen verknüpfe. „Da bietet sich beim Klimaschutz die Verlinkung mit dem Thema Gesundheit an. „Denn sehr oft ist die gesunde Ernährung auch die klimafreundlichere. Mehr Gemüse, weniger Fleisch. Aktive Mobilität wie Gehen oder Radfahren ist sehr oft auch die gesündere. Strukturell müsse man die klimaschädlichen Optionen minimieren. Auch mit Verboten.
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