Von Achim Schneyder
Der Wolfi Reiter ist schon so einer, den man gern ein bisserl abbusseln möcht. Erstens, weil er so kocht, wie er kocht – großartig nämlich – und zweitens, weil er so ist, wie er ist – ein ziemlicher Lackel, aber ungemein herzlich, leut- und redselig, meist ansteckend gut gelaunt, hin und wieder ein klein wenig melancholisch. Hat er am Abend sein Werk am Herd vollbracht, greift er gern zum Weinglas und mischt sich unters lukullisch beglückte Volk. Ein Plausch da, ein Schwatz dort, man kennt sich eben. Und dann kann’s spät werden. „Ich tät sagen, dass fast 90 Prozent meiner Gäste Stammgäste sind. Und wenn ich wen nicht kenn, lern ich ihn eben kennen“, sagt der Wirt vom Wirt z’Neuhausen, der sich selbst übrigens so beschreibt: „Ich bin die personifizierte Inbrunst.“
Nachsatz: „Und ein Koch mit viel Leib und einer guten Seele. Aber was sollt ich auch sonst sein, ich hab ja nix anderes g’lernt.“
G’lernt hat er vor allem von der viel zu früh verstorbenen Mutter, einer Könnerin am Herd. „Ich hätt ja, nachdem ich die Tourismusschule in Bad Ischl samt Matura im dritten Anlauf endlich g’schafft hab, als Koch nach Hongkong ins Hotel Peninsula gehen sollen und wollen. Die Verträge waren unterschrieben, aber die Situation zu Hause hat’s dann nicht zugelassen, weil bald nach der kochenden Mutter ist auch der Vater gestorben, der die Landwirtschaft über hatte.“
Der Bunki vom Hirsch
So hat der heute 51-jährige Wolfgang mit 21 das Erbe angetreten und den Betrieb in vierter Generation übernommen: Wirtshaus, Landwirtschaft – damals noch mit eigenen Rindern, Schweinen und Ziegen und Gemüse auf den Feldern – und Gebäudekomplex, bestehend aus einem Gutshof aus dem 17. Jahrhundert, in dem sich das Wirtshaus befindet, und drei im 18. Jahrhundert angebauten Trakten.
In einem ist eine kleine Schnapsbrennerei drin, in der Wolfgang vor allem Birnen- und Zwetschkenmaische destilliert, im Nebentrakt die große Scheune für Feierlichkeiten. „Ein z’sammeng’schusterter Vierkanter mit Innenhofgastgarten, sag ich immer“, sagt Wolfgang und widmet sich nun in seiner ziemlich kleinen Küche einem Leberschädel. „Kannst auch Bunkl zu ihm sagen. Oder Bunki. So sagt man jedenfalls in Oberösterreich. In Wahrheit ist das nix anderes als ein faschierter Braten im Schweinsnetz, aber eben mit Leber. Und ich mach ihn meist nicht mit Schweins- oder Rindsleber, sondern mit der Leber vom Hirsch. Und natürlich mit faschiertem Schweinehals, weil ein bisserl ein Fett braucht’s natürlich schon auch…“
Ungekünstelt gekocht
Während der Bunki im Rohr seiner Bestimmung entgegenbrutzelt, machen wir’s uns bei einem Bier in der – möchte man meinen – uralten Stube gemütlich. „Ist sie aber nicht“, sagt Wolfgang.
„Früher war hier eine wunderschöne geschnitzte Stube, aber die ist 1954 zur Gänze ausgebrannt, als Brandstifter fünfzehn Häuser in der Region abfackeln wollten. Nein, die Stube schaut nur alt aus mit ihrer Fünfzigerjahre-Holzvertäfelung, dem Kachelofen und dem Holzboden, der nichts anderes ist als eine unbehandelte Tanne, die auf den Lehmboden draufg’legt wurde.“
„Gibt’s“, frag ich jetzt, „beim Bunki außer der Hirschleber noch andere Besonderheiten?“ „Nein“, sagt Wolfgang. „Die Zutaten müssen halt stimmen, also gut sein, weil neu erfinden kann und will ich nichts. Ein gekochtes Rindfleisch ist ein gekochtes Rindfleisch, ein Semmelkren ein Semmelkren, ein gebackenes Bries ein gebackenes Bries. Da braucht’s kein Künsteln, da braucht’s kein Veredeln mit irgendwelchen geheimnisvollen Kräutern, das überlasse ich Kollegen. Mich interessieren auch keine Bewertungen in gängigen Guides, weil’s meinen Gästen schmecken muss, nicht irgendwelchen Testern.“
Und was schmeckt den Gästen so alles? Die Karte liest sich jedenfalls großartig. Da trifft bei den Vorspeisen beispielsweise ein King-Fish mit Avocadogatsch (so steht’s tatsächlich geschrieben) auf einen Salat mit Rehfilet, Steinpilzen und kandierten Walnüssen, ein Erdäpfelpuffer mit Saiblingskaviar und graved Lachsforelle auf eine scharfe Fischsuppe, bei den Zwischengerichten ein Kalbsbeuschel mit Knödel auf Spaghetti Vongole und bei den Hauptspeisen ein pochierter Seesaibling mit Wurzelgemüse auf eine gefüllte Ente, ein gebratener Lammrücken auf einen Steinbutt oder ein Zwiebelrostbraten auf eine Kalbsleber mit getrüffelter Polenta. Und wenn man Glück hat, war am Nachmittag auch ein Bunki oder Bunkl von der Hirschleber im Rohr…
Am nächsten Sonntag lesen Sie: Kamolz im Gasthaus Wolf
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