Amtsleiterin vergewaltigt: Gemeinde haftet nicht für Bürgermeister-Tat

Amtsleiterin vergewaltigt: Gemeinde haftet nicht für Bürgermeister-Tat
Oberlandesgericht Linz weist Amtshaftungsklage der vom damaligen Bürgermeister von Scharten vergewaltigten Frau zurück.

Dieser Fall hat weit über Oberösterreich hinaus für Schlagzeilen gesorgt: Der frühere Bürgermeister von Scharten, Jürgen Höckner, ist rechtskräftig verurteilt, seine Amtsleiterin schon als Gemeinderat in den Jahren 2014 und 2015 sexuell belästigt und danach als Bürgermeister dreimal vergewaltigt zu haben. Darüber hinaus wurde er verurteilt, weil er die Frau 2019 noch dazu verleumdet hat. 

Sieben Jahre Haft hat der ÖVP-Politiker dafür ausgefasst. Sein Opfer brachte beim zuständigen Amtshaftungsgericht eine Amtshaftungsklage gegen die Gemeinde ein, mit der die Frau Schadenersatz gefordert hat, ebenso wie die Feststellung, dass die Gemeinde auch für künftige Schäden der Frau hafte.

"Fürsorgepflichten verletzt"

Begründet hat die Frau den Antrag damit, dass "die Gemeinde als Dienstgeberin für die Handlungen des von ihr eingesetzten und mit der Wahrnehmung der Fürsorgepflichten betrauten sowie gegenüber den Gemeindebediensteten weisungsbefugten Bürgermeister einzustehen habe".

Das Erstgericht hatte entschieden, dass die Gemeinde für die Vergewaltigungen, die der Bürgermeister nach seinem Amtsantritt begangen hatte, haftbar gemacht werden könne.

Dagegen hatten die Gemeinde Scharten und der neue Bürgermeister Berufung eingelegt - und nun vom Oberlandesgericht Linz Recht bekommen, das die Schadensersatzforderung an die Gemeinde abwies. 

Die Vergewaltigung sei nur "bei Gelegenheit" der Ausübung des öffentlichen Amtes gesetzt worden, befand das OLG. Zur Abgrenzung, ob ein bestimmtes Verhalten einer Person als Ausübung eines öffentlichen Amts zu werten sei, komme es darauf an, ob die konkrete Handlung einen Konnex mit der im konkreten Fall ausgeübten hoheitlichen Tätigkeit aufweise. Das sei nicht der Fall gewesen.

Kein "hoheitlicher Zusammenhang"

Bezüglich der Taten, die der Verurteilte als Gemeinderat begangen hat, fehle jeder Zusammenhang mit einer hoheitlichen Aufgabe. Und auch die Vergewaltigungen, die der verurteilte Ex- Bürgermeister begangen hat, seien "in keinem hinreichenden Zusammenhang mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben, insbesondere der Ausübung der Fürsorgepflicht des Dienstgebers, gestanden", begründet das OLG.

Und setzt fort: "Um eine Uferlosigkeit der Haftung zu vermeiden", sei ein über die rein zeitliche und örtliche Nähe hinaus gehender Konnex zur hoheitlichen Tätigkeit erforderlich. 

Der Verurteilte habe ausschließlich aus "privaten" Motiven heraus gehandelt. Diese könnten nicht dem hoheitlichen Bereich zugeordnet werden. Daher hafte die Beklagte nicht für die Vergewaltigungen der Amtsleiterin durch den Bürgermeister.

"Nehmen das wohlwollend zur Kenntnis"

Höckners Nachfolger als Bürgermeister von Scharten, Christian Steiner (ÖVP), nimmt dieses Urteil "wohlwollend zur Kenntnis", verfällt aber nicht in Euphorie. "Ich kenne die Klägerin als sehr streitbare Person und gehe davon aus, dass sie und ihr Anwalt in Revision gehen werden", hält er sich noch zurück. 

Wiewohl es schon eine Erleichterung sei, dass es einmal ein Urteil zugunsten der Gemeinde gibt. Denn die Kosten für Scharten hätten im Falle einer Niederlage massiv werden können.

Neben dem Streitwert von über 73.000 Euro waren weitere 20.000 Euro eingeklagt, ebenso die Differenz zwischen dem Frühpensionsbezug und dem Amtsleitergehalt der heute knapp über 50 Jahre alten Frau. "Auf zehn bis zwölf Jahre gerechnet macht das weitere 250.000 Euro insgesamt aus", rechnet Steiner vor. 

Wobei sich die Wogen in Scharten rund um dieses pikante Thema gelegt hätten, sagt Steiner. Mit Höckner hätten nur wenige aus der Gemeinde Kontakt, "ich habe ihm voriges Jahr geschrieben und zum Geburtstag gratuliert", schildert Steiner. 

Aber auch mit der Klägerin, der früheren Amtsleiterin, steht er als Bürgermeister nicht mehr in Kontakt. Steiner versichert, dass niemand in der Gemeinde von den Vergewaltigungen und sexuellen Übergriffen seines Vorgängers auf die Klägerin gewusst hätte. Auch nicht, als man sich 2019 von ihr getrennt hat. "Das ist passiert, weil ihre Führungsqualitäten als Amtsleiterin anzuzweifeln waren", erinnert sich Steiner, der betont, dass auch im Zuge dieser Debatte keine Rede von den später verurteilten Verbrechen gewesen sei. 

Die Amtsleiterin habe aber im Zuge einer Sitzung in Richtung Höckner gesagt, dass er auch gehen werden müsse, wenn ihr Vertrag nicht verlängert werde. Danach seien die schweren Vorwürfe, für die Höckner auch rechtskräftig verurteilt wurde, ans Tageslicht gekommen. 

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