Eine Familiengeschichte: Inge, zwischen Gablonz und Steyr

Florian Kobler Inge
Florian Koblers Buch über Krieg, Flucht und Leben seiner „falschen Oma“

Es ist vor allem ein Stück Familiengeschichte. Aber es ist auch ein großes Stück Zeitgeschichte. Aus der Perspektive einer 92-jährigen Frau, die auf ihr Leben zurückblickt. Auf ihr Leben, in dem der Krieg eine große Rolle spielte, irgendwo zwischen Gablonz und Steyr. Inge, die eigentlich Ingeborg hieß. Und die die Schwester von Florian Koblers Großmutter war. 

Kobler, heute 35, ist neben seinen Großeltern aufgewachsen, Inge, seine Großtante, war eine „falsche Oma“ für ihn, erzählt der Autor der Familiengeschichte. Herkunft und Schicksal der Großeltern und der Großtante waren für Kobler immer präsent – etwa, weil Großvater Albin nur mehr einen Arm hatte. 

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Eine Kriegsverletzung. Irgendwann hat die „falsche Oma“ eineinhalb Seiten für den jungen, interessierten Großneffen abgetippt. „Mehr als an der Oberfläche kratzen war nicht“, erinnert sich Kobler an die Gespräche zurück, die er um 2006 mit Inge geführt hat. 

Aber als Kobler vor fünf Jahren diese eineinhalb Seiten wieder zufällig in die Hände fallen, ist alles ganz anders. „Mir wurde da erst bewusst, was das heißt, was Inge da geschrieben hat“, sagt Kobler heute.

Florian Kobler

Inge, zu dem Zeitpunkt 92 Jahre alt, hat bereitwillig ihre ganze Lebensgeschichte erzählt. 189 Seiten sind daraus geworden. Kobler hat die Geschichte einer Frau, aufgeschrieben, die in Gablonz den Krieg erlebt hat. Als junge Österreicherin, zwischen Sudetendeutschen und Nazis, Tschechen und Russen. 

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Die vertrieben wurde, und Leben rettete – wohl jenes des Kindes ihrer Schwester, Dietmar. Der später in Linz im Schillerpark jung sterben sollte. Und sie erzählt, wie ihr Leben trotz allem gut geworden ist.

Florian Kobler Inge

(Über-)Leben im Krieg

„Inge war im Bund Deutscher Mädchen, ja, aber arger Nazi war sie nicht“, ist Florian Kobler überzeugt, „sie hat versucht, durch die Zeit zu kommen.“

Beim Schreiben des Buches sei er sehr demütig geworden: „Ich habe in Inges Schilderungen sehr viele Gemeinsamkeiten im Ukraine-Krieg gefunden.“ 

Buchcover Inge, Florian Kobler

Denn der sei ausgebrochen, als er gerade intensiv an dem Buch gearbeitet hätte: „Die große Hilfe, aber auch die Angst vor Flüchtlingen, die kommen, war ähnlich. Das Buch ist leider wahnsinnig aktuell.“

Kobler hat Inges Erinnerungen wie ein Tagebuch – mit Erinnerungslücken – zu Papier gebracht. Eine lesenswerte (Familien-)Geschichte.

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