Friedensreich Hundertwassers Erbe im Waldviertel

Seit 1994 schmückt der Hundertwasserbrunnen den Zwettler Hauptplatz
Egal von welcher Seite man in die Waldviertler Bezirkshauptstadt Zwettl hineinfährt, überall weist einem ein Schild mit einem Brunnen den Weg ins Stadtzentrum. Der abgebildete Brunnen ist das Wahrzeichen der 4.000-Einwohner-Stadt. Ein 30 Jahre altes Wahrzeichen. Es ist ein Brunnen-Ensemble mit bunten Kacheln und goldenen Kugeln. Es ist ein Werk des vor 25 Jahren verstorbenen Künstlers Friedensreich Hundertwasser. 1993 für die Stadt entworfen. Kostenlos – wohl wegen der Verbindung des Künstlers zu der Stadt.
Nur wenige Kilometer weiter, flussaufwärts des Kamps in Richtung der Ortschaft Roiten, hatte er sich ein Zuhause eingerichtet.
Kein Strom, kein Wasser, kein Kanal
Ein karges Zuhause, wie Wegbegleiter erzählen. "Ohne Strom, ohne Wasser, ohne Kanal, ohne Straße hat er dort gehaust", erzählt Peter Kastner, Freund und Nachbar des international anerkannten Künstlers und Architekten. "Dort" – das ist eine Brettersäge aus längst vergangener Zeit mitten im Wald. Ein bescheidenes Häuschen - nicht größer als 30 Quadratmeter samt Scheune - und etwas Ruinenartiges konnte Hundertwasser ab 1964 sein Eigen nennen.
Einige Kilometer Waldweg trennen die "Hundertwasser-Mühle" bzw. die "Hahnsäge" von Roiten auf der einen und von den nächsten Nachbarn in der "Uttissenbachmühle" auf der anderen Seite. "Wir waren sein Außenposten", erzählt Kastner, der in letzterer seit den 1970er-Jahren lebt. Wenn er telefonieren musste, ist er gekommen, wenn er Besuch empfing, wurde dieser zu ihm nach Hause bestellt, wo Hundertwasser seine Gäste entweder abholte oder Peter Kastner sie durch den Wald zu ihm brachte.
Venedig, Normandie, Waldviertel
Seine erste "Begegnung" mit Hundertwasser gipfelte in einem Anruf bei der Polizei. "Ich war gegenüber der Hahnsäge beim Fischen und habe gesehen, wie ein bunter Citroen von fünf Männern in die Scheune gehoben wurde. Da habe ich bei der Gendarmerie angerufen und gesagt, dass ich glaube, dass in der verlassenen Säge ein gestohlenes Auto umlackiert wird", so Kastner. Doch der Gendarm entgegnete: "Ach da, nein, das gehört jetzt einem Künstler aus Wien, einem gewissen Hundertwasser."
Friedensreich Hundertwasser Regentag Dunkelbunt kam am 15. Dezember 1928 als Friedrich Stowasser zu Welt. Sein Vater, der Ingenieur Ernst Stowasser, starb an einer Blinddarmentzündung, als er gerade mal ein Jahr alt war. Seine Mutter Elsa zog ihn alleine auf. Schon in der Schule wurde ihm ein „außergewöhnlicher Formen- und Farbensinn“ attestiert.
Hundertwasser wurde 1935 katholisch getauft, im Gegensatz zu seiner Großmutter mütterlicherseits, die Jüdin war, und 70 weiteren Verwandten, überlebten der Künstler und seine Mutter den Nationalsozialismus.
Gegner der geraden Linie
1948 maturierte Hundertwasser am Bundesgymnasium in Horn und besuchte danach für drei Monate die Akademie der Bildenden Künste. Dort signierte er erstmals Werke mit seinem Künstlernamen Hundertwasser. Nach dem Abbruch seines Studiums bereiste Hundertwasser Italien, Frankreich, Marokko und Tunesien. 1952 hatte er seine erste Ausstellung in Wien, während der 50er Jahre lebte er in Paris und knüpfte Kontakte zur dortigen Avantgarde. Zeit seines Lebens verstand sich Hundertwasser als Gegner der „geraden Linie“, jegliche Standardisierung lehnte er ab.
Sein umfassendes künstlerisches Schaffen beschränkte sich nicht nur auf die Malerei, Hundertwasser arbeitete auch in verschiedenen drucktechnischen Verfahren und stellte einige wenige Tapisserien her. Bekannt ist er auch für seine natur- und menschengerechte Architektur, im Rahmen derer er die Begriffe "Fensterrecht" und "Baumpflicht" prägte. Hundertwasser setzte sich zudem für die Erhaltung des natürlichen Lebensraumes der Menschen und ein Leben in Einklang mit den Gesetzen der Natur ein. Er war etwa aktiv an der Besetzung der Hainburger Au zur Verhinderung des Kraftwerkbaus beteiligt und war ein Verfechter der Humustoilette.
Bilder, Häuser, Münzen, Schiffe zählen zu Hundertwassers Schaffen
Zeit seines Lebens schuf Hundertwasser zahlreiche Objekte angewandter Kunst, er designte Briefmarken, entwarf Flaggen, gestaltete Münzen, Bücher und Porzellanobjekte. Er designte auch die „Vindobona“, ein Fahrgastschiff der DDSG Blue Danube(1995). Für den eigenen Gebrauch ließ er ein hölzernes Frachtschiff, die "Regentag", die ihm auch zehn Jahre als Zuhause und Arbeitsplatz diente.
Am 19. Februar 2000 starb Hundertwasser an Bord der Queen Elisabeth 2 vor Brisbane.
Seinen Künstlernamen leitete er vom slawischen "sto" für hundert und seinem Taufnamen Friedrich ab. "Fried" stand dabei für Frieden und "rich" für reich.
Warum es ihn hierher verschlagen hat? "Dieser Ort ist wohl etwas Besonderes", meint Kastner. Die Hahnsäge reihte sich zu Hundertwassers Besitztümern "Giardino Eden" in Venedig, dem Bauernhaus "La Picaudière" am Rande der französischen Normandie und seinen Rückzugsort in Neuseeland (wo er auch begraben ist).
Spiegel statt Lampen
Im Waldviertel hat Hundertwasser auch Kunstwerke geschaffen. Zum Malen hat er laut Peter Kastner Spiegel bei den Fenstern und an der Decke seines Häuschens montiert, so hat der Ökopionier das Tageslicht genutzt – elektrisches Licht gab es ja nicht.
Ein Einsiedler-Dasein hat Hundertwasser in der Abgeschiedenheit allerdings nicht geführt – häufig seien andere Künstler und "sehr oft Damenbesuch" da gewesen. Letzterer habe aber nicht nur einmal den Ort fluchtartig verlassen – "das war nicht für alle was, so ohne Toilette und richtige Waschmöglichkeit", schmunzelt der 83-jährige Großunternehmer Kastner. In den 1980er-Jahren sollte sich das ändern, Hundertwasser organisierte sich zwei Solarpanele zur Stromerzeugung für das Dach der Mühle.

Die Mühle Hundertwassers ist immer noch zu sehen
Einmal habe ihn der damalige Minister Rudolf Scholten besucht. "Er musste auf Hundertwassers Wunsch aufs Dach rauf steigen, um sich diese damals neue Technologie anzusehen", erzählt Kastner. Eines dieser alten Panele kann man heute noch im Dorfmuseum Roiten sehen, dessen Außenfassade auch auf Hundertwasser zurückgeht. Hundertwasser pflegte in der Ortschaft gute Kontakte und entwarf gemeinsam mit der Dorfbevölkerung ein Wappen für sie.
Die Brunnen-Frage
In den 1990ern, da war bereits eine Freundschaft zwischen dem Künstler Hundertwasser und dem Unternehmer Kastner entstanden, wurde im Zwettler Gemeinderat entschieden, den Hauptplatz neu zu gestalten. Damals stand ein Kriegerdenkmal in der Mitte mit geparkten Autos rundherum.
Auch Kastner war damals Mitglied des Gemeinderats, zuständig für die Umweltagenden. Der für Kultur zuständige Stadtrat Leopold Rechberger hatte die Idee, den Platz von Hundertwasser gestalten zu lassen. "Ich hatte also die Aufgabe, ihn zu fragen", schildert Kastner. "Und er hat sofort gesagt: Ja, warum denn nicht. Das machen wir bunt."

Hundertwasser auf der Baustelle am Zwettler Hauptplatz
Er entwarf nicht nur einen Brunnen, sondern ein ganzes Ensemble bestehend aus zwei Brunnensäulen mit Becken und einem Pavillon. "Auf einem Bein steht man nicht so gut, auf drei ist es besser", habe er nach einer alten Redewendung gemeint.
Das Steinpflaster auf dem das Brunnenensemble steht – uneben. Bei den Pflasterarbeiten seien Schnüre gespannt gewesen, als Hundertwasser die Baustelle besichtigte. Er habe mit dem Fuß gegen eine Schnur gestoßen und gesagt: "Weg damit, das muss ungerade sein, das ist gegen die Natur", so Kastner.
Hommage nach seinem Tod
"Die gerade Linie ist gottlos", zitiert Kastner den Künstler. Diesen Satz liest man auch auf der Hundertwassermühle, außerdem sind da bunte Linien aufgemalt – natürlich ungerade. Es ist nicht das Werk Hundertwassers selbst. Post mortem hat die Fassade ein enger Bekannter gestaltet. Das würden nur die wenigsten wissen, meint Kastner.
"Die bemalten Fensterläden wurden von Leuten abmontiert und mitgenommen, weil sie dachten, einen "Hundertwasser" vor sich zu haben", so Kastner, dem die Hahnsäge heute gehört. Alles ist dort noch so eingerichtet, wie Hundertwasser es hinterlassen hat. 2009 hat Kastner sie renoviert – er will sie erhalten, den besonderen Ort Hundertwassers bewahren.
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