Friedensreich Hundertwassers Erbe im Waldviertel

Der farbenfrohe Hundertwasserbrunnen am Hauptplatz in Zwettl
Am 19. Februar 2000 starb der Künstler mit 71 Jahren. Sein Leben in einer alten Säge am Kamp führte zu einem Wahrzeichen für die Stadt Zwettl.

Egal von welcher Seite man in die Waldviertler Bezirkshauptstadt Zwettl hineinfährt, überall weist einem ein Schild mit einem Brunnen den Weg ins Stadtzentrum. Der abgebildete Brunnen ist das Wahrzeichen der 4.000-Einwohner-Stadt. Ein 30 Jahre altes Wahrzeichen. Es ist ein Brunnen-Ensemble mit bunten Kacheln und goldenen Kugeln. Es ist ein Werk des vor 25 Jahren verstorbenen Künstlers Friedensreich Hundertwasser. 1993 für die Stadt entworfen. Kostenlos – wohl wegen der Verbindung des Künstlers zu der Stadt.

Nur wenige Kilometer weiter, flussaufwärts des Kamps in Richtung der Ortschaft Roiten, hatte er sich ein Zuhause eingerichtet. 

Kein Strom, kein Wasser, kein Kanal

Ein karges Zuhause, wie Wegbegleiter erzählen. "Ohne Strom, ohne Wasser, ohne Kanal, ohne Straße hat er dort gehaust", erzählt Peter Kastner, Freund und Nachbar des international anerkannten Künstlers und Architekten. "Dort" – das ist eine Brettersäge aus längst vergangener Zeit mitten im Wald. Ein bescheidenes Häuschen - nicht größer als 30 Quadratmeter samt Scheune - und etwas Ruinenartiges konnte Hundertwasser ab 1964 sein Eigen nennen.

Einige Kilometer Waldweg trennen die "Hundertwasser-Mühle" bzw. die "Hahnsäge" von Roiten auf der einen und von den nächsten Nachbarn in der "Uttissenbachmühle" auf der anderen Seite. "Wir waren sein Außenposten", erzählt Kastner, der in letzterer seit den 1970er-Jahren lebt. Wenn er telefonieren musste, ist er gekommen, wenn er Besuch empfing, wurde dieser zu ihm nach Hause bestellt, wo Hundertwasser seine Gäste entweder abholte oder Peter Kastner sie durch den Wald zu ihm brachte. 

Venedig, Normandie, Waldviertel

Seine erste "Begegnung" mit Hundertwasser gipfelte in einem Anruf bei der Polizei. "Ich war gegenüber der Hahnsäge beim Fischen und habe gesehen, wie ein bunter Citroen von fünf Männern in die Scheune gehoben wurde. Da habe ich bei der Gendarmerie angerufen und gesagt, dass ich glaube, dass in der verlassenen Säge ein gestohlenes Auto umlackiert wird", so Kastner. Doch der Gendarm entgegnete: "Ach da, nein, das gehört jetzt einem Künstler aus Wien, einem gewissen Hundertwasser."

Warum es ihn hierher verschlagen hat? "Dieser Ort ist wohl etwas Besonderes", meint Kastner. Die Hahnsäge reihte sich zu Hundertwassers Besitztümern "Giardino Eden" in Venedig, dem Bauernhaus "La Picaudière" am Rande der französischen Normandie und seinen Rückzugsort in Neuseeland (wo er auch begraben ist). 

Spiegel statt Lampen

Im Waldviertel hat Hundertwasser auch Kunstwerke geschaffen. Zum Malen hat er laut Peter Kastner Spiegel bei den Fenstern und an der Decke seines Häuschens montiert, so hat der Ökopionier das Tageslicht genutzt – elektrisches Licht gab es ja nicht.

Ein Einsiedler-Dasein hat Hundertwasser in der Abgeschiedenheit allerdings nicht geführt – häufig seien andere Künstler und "sehr oft Damenbesuch" da gewesen. Letzterer habe aber nicht nur einmal den Ort fluchtartig verlassen – "das war nicht für alle was, so ohne Toilette und richtige Waschmöglichkeit", schmunzelt der 83-jährige Großunternehmer Kastner. In den 1980er-Jahren sollte sich das ändern, Hundertwasser organisierte sich zwei Solarpanele zur Stromerzeugung für das Dach der Mühle.

Die alte Hundertwasser-Mühle samt Grasdach zieren bunte Linien

Die Mühle Hundertwassers ist immer noch zu sehen

Einmal habe ihn der damalige Minister Rudolf Scholten besucht. "Er musste auf Hundertwassers Wunsch aufs Dach rauf steigen, um sich diese damals neue Technologie anzusehen", erzählt Kastner. Eines dieser alten Panele kann man heute noch im Dorfmuseum Roiten sehen, dessen Außenfassade auch auf Hundertwasser zurückgeht. Hundertwasser pflegte in der Ortschaft gute Kontakte und entwarf gemeinsam mit der Dorfbevölkerung ein Wappen für sie.

Die Brunnen-Frage

In den 1990ern, da war bereits eine Freundschaft zwischen dem Künstler Hundertwasser und dem Unternehmer Kastner entstanden, wurde im Zwettler Gemeinderat entschieden, den Hauptplatz neu zu gestalten. Damals stand ein Kriegerdenkmal in der Mitte mit geparkten Autos rundherum. 

Auch Kastner war damals Mitglied des Gemeinderats, zuständig für die Umweltagenden. Der für Kultur zuständige Stadtrat Leopold Rechberger hatte die Idee, den Platz von Hundertwasser gestalten zu lassen. "Ich hatte also die Aufgabe, ihn zu fragen", schildert Kastner. "Und er hat sofort gesagt: Ja, warum denn nicht. Das machen wir bunt."

Friedensreich Hundertwassers Erbe im Waldviertel

Hundertwasser auf der Baustelle am Zwettler Hauptplatz

Er entwarf nicht nur einen Brunnen, sondern ein ganzes Ensemble bestehend aus zwei Brunnensäulen mit Becken und einem Pavillon. "Auf einem Bein steht man nicht so gut, auf drei ist es besser", habe er nach einer alten Redewendung gemeint. 

Das Steinpflaster auf dem das Brunnenensemble steht – uneben. Bei den Pflasterarbeiten seien Schnüre gespannt gewesen, als Hundertwasser die Baustelle besichtigte. Er habe mit dem Fuß gegen eine Schnur gestoßen und gesagt: "Weg damit, das muss ungerade sein, das ist gegen die Natur", so Kastner. 

Hommage nach seinem Tod

"Die gerade Linie ist gottlos", zitiert Kastner den Künstler. Diesen Satz liest man auch auf der Hundertwassermühle, außerdem sind da bunte Linien aufgemalt – natürlich ungerade. Es ist nicht das Werk Hundertwassers selbst. Post mortem hat die Fassade ein enger Bekannter gestaltet. Das würden nur die wenigsten wissen, meint Kastner. 

"Die bemalten Fensterläden wurden von Leuten abmontiert und mitgenommen, weil sie dachten, einen "Hundertwasser" vor sich zu haben", so Kastner, dem die Hahnsäge heute gehört. Alles ist dort noch so eingerichtet, wie Hundertwasser es hinterlassen hat. 2009 hat Kastner sie renoviert – er will sie erhalten, den besonderen Ort Hundertwassers bewahren. 

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