Böller-Unfälle: Wenn acht Sekunden über Leben und Tod entscheiden

Vielen illegalen Nachbauten fehlt der Verzögerungsmechanismus
Verzögerungsmechanismus fehlte bei tödlicher „Silvesterbombe“. Ein Problem vieler Selbstlaborate.

Acht Sekunden. Das ist die Zeitspanne, die im Fall von hochexplosiven Silvesterböllern für gewöhnlich über Leben und Tod oder zumindest schwere Verletzungen entscheidet.

In zertifizierter Pyrotechnik gibt ein eingebauter Verzögerungssatz einem nach dem Zünden die nötige Zeit, um sich aus dem Gefahrenbereich in Sicherheit zu bringen. Diese acht Sekunden haben Basti, Alessandro und zwei weitere Freunde nicht gehabt. Das billige Selbstlaborat einer Kugelbombe, gekauft am tschechischen Schwarzmarkt, ging in der Silvesternacht im nö. Ternitz (Bezirk Neunkirchen) sofort hoch.

Böller-Unfälle: Wenn acht Sekunden über Leben und Tod entscheiden

Die Unglücksstelle in St. Johann bei Ternitz im Bezirk Neunkirchen

Zwei Sprengsätze

Wie Kriminaltechniker und Experten des NÖ Landeskriminalamtes herausfanden, fehlte dem illegalen Feuerwerkskörper der Verzögerungssatz. „Damit zündet er sofort durch. Es bleibt keine Zeit mehr, sich aus dem Gefahrenbereich zu bringen“, erklärt Erich Rosenbaum. Der Chefinspektor des LKA untersucht mit seinem Team alle schwerwiegenden Pyrotechnik-Unfälle. Dabei haben die Ermittler folgende Beobachtung gemacht: Laut Rosenbaum fehlt den asiatischen Selbstlaboraten in den meisten Fällen der Verzögerungssatz. Damit gehen die „Bomben“ sofort bei der Zündung hoch, so wie auch im Fall des 16-Jährigen, der zu Silvester in Lichtenau im Waldviertel lebensgefährlich verletzt wurde.

Der Kriminalist erklärt, weshalb die Explosion derart verheerende Folgen hat: „Die Kugelbomben haben zwei Sprengsätze. Einen Treibsatz, der den Feuerwerkskörper in 50 bis 100 Meter Höhe katapultiert. Und einen Effektsatz, der für die Leuchteffekte am Himmel sorgt“.

Bei der Tragödie in Ternitz zu Silvester ist der Effektsatz in Kopfhöhe der Jugendlichen explodiert. Die enorme Druckwelle hatte verheerende Folgen, laut Ärzten vergleichbar mit Kriegsverletzungen. Zwei 18-Jährige starben, ein 18- und ein 16-Jähriger wurden schwer verletzt.

Böller-Unfälle: Wenn acht Sekunden über Leben und Tod entscheiden

Polizeiversuch: Zündung einer Kugelbombe in einer Telefonzelle

Abschied nehmen

Mittwochnachmittag, den 18. Jänner, nahmen Freunde, Schulkollegen und die Familie Abschied von einem der Opfer. Der Jugendliche war Schüler des katholischen Realgymnasiums Sachsenbrunn.

Es ist nicht der einzige Schicksalsschlag, den man am Gymnasium der Schulstiftung der Erzdiözese Wien derzeit zusammen mit den Schülern zu bewältigen hat. Auch eines der schwer verletzten Opfer geht in Sachsenbrunn zur Schule.

Bereits am 23. Dezember starb ein 17-jähriger Gymnasiast laut Polizei vermutlich an einer Suchtmittel-Intoxikation. Und der 20-jährige Wachsoldat, der am Dreikönigstag in der Flugfeld-Kaserne in Wiener Neustadt erschossen wurde, besuchte vor einigen Jahren ebenfalls die Schule im Bezirk Neunkirchen. „Wir haben Tage des Krisenmanagements hinter uns“, heißt es vonseiten der Schulleitung.

Psychologen und Psychotherapeuten des Akutteams NÖ waren am Gymnasium, um die Schüler und Lehrer in der schwierigen Zeit mit entsprechender Trauerarbeit zu begleiten. Bereits in den Weihnachtsferien fand zur Trauerbewältigung eine Andacht statt.

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