Warum Topkoch Werner Punz nie mehr aus St. Pölten fortwill

Koch Werner Punz steht vor seinem Wirtshaus „Vinzenz Pauli“ mit einem Glas Rotwein in der Hand.
Werner Punz, Chef und Koch im „Vinzenz Pauli“ in St. Pölten, kann sich vorstellen, für immer hier zu bleiben.

Von Achim Schneyder

Sachen gibt’s, die gibt’s nicht. Oder zumindest nur sehr selten, weil hin und wieder findet man sie dann doch auf einer heimischen Speisekarte. Stosuppe auf Fischsuppenbasis mit Buttermilchschaum beispielsweise, Hühnerfrikassee mit sautierten Herbsttrompeten und Selleriecreme oder als Dessert gebackener Milchreis. Und schon hätten wir ein wahrlich nicht ganz alltägliches Wirtshausmenü in drei Gängen, zubereitet von Werner Punz in der Gastwirtschaft „Vinzenz Pauli“ nahe dem St. Pöltner Kaiserwald und ums Eck vom Alpenbahnhof.

Dort steigt der 39-Jährige mitunter auch aus dem Zug aus und in den Zug ein, wenn er nicht mit dem Auto, sondern mit der Mariazellerbahn zwischen seinem Zuhause in Kirchberg an der Pielach und seiner Gastwirtschaft in der Landeshauptstadt hin- und herpendelt. „Und immer, wenn ich an Pommersdorf vorbeifahre, sehe ich – je nach Richtung – links oder rechts der Gleise die Gänse auf der Weide, die ich dann zur Ganslzeit in den Ofen schiebe.“

Damit wäre übrigens gleich einmal ein wesentlicher Punkt versinnbildlicht, für den dieses Lokal steht: für Regionalität nämlich, die im „Vinzenz Pauli“ Programm ist. 

Woher kommt's?

Das geht sogar so weit, dass auf der Speisekarte die Herkunft der Hauptzutaten bei jedem einzelnen Gericht extra angeführt wird; die Fische für die Stosuppe etwa liefert die Fischzucht Oberwasser aus Schwarzau im Gebirge.

Es ist Mittwochnachmittag, wir sitzen im Schankraum, dazu gibt’s noch drei weitere Gaststuben, eine davon mit Kachelofen und Klavier, eine Veranda und einen großen Gastgarten. Die Böden aus Holz, die Wände hell und holzvertäfelt, Holz- und Resopaltische, die Sitzmöbel alt und neu und durchaus bequem, das Licht ein warmes.

Die Gaststube des Vinzenz Pauli mit Klavier im Hintergrund, im Vordergrund der gedeckte Tisch,

Rustikal und doch modern, ein Lokal als Wohlfühlort.

Der Laden hat Charme, frage nicht. Und die Küche Klasse, frage noch weniger. Für Werner geht’s um 17 Uhr dann so richtig los, jetzt hat er Zeit für einen Plausch und ein Glas Wein. „Nur am Samstag haben wir auch zu Mittag offen.“

Die rot-weiß-rote DNA

Gelernt hat der Sohn eines Fleischhauers im Loibnerhof in Dürnstein, danach verschlug es ihn in Toplokale wie den Taubenkobel, damals noch unter Walter Eselböck, das Landhaus Bacher, Joël Robuchons La Cuisine in London oder das Le Ciel in Wien. 

„Und 2020 begann dann hier in St. Pölten die Sache mit der Selbstständigkeit“, erzählt der gebürtige Pielachtaler. „Und wer weiß, vielleicht wird’s auch meine letzte Station sein. Weil neu erfinden kann ich mich nicht, was nichts anderes heißt, als dass ich woanders auch nichts anders machen würde, als hier. Und hier ist’s doch schön, oder?“ Allerdings.

Und was er macht, ist rasch erklärt: Werner schwört auf Österreichs kulinarische Tradition, auf Österreichs DNA, wie er es nennt, und verleiht ihr gerne da und dort einen modernen, einen zeitgemäßen Anstrich. So kommt beispielsweise die exzellente geschmorte Lammstelze mit Süßerdäpfelcreme, Pak Choi, Gremolata, geschmortem Kürbis und Schalotten-Chutney daher.

 Geschmorte Lammstelze mit Süßerdäpfelcreme, Pak Choi, Gremolata, geschmortem Kürbis und Schalotten-Chutney serviert auf einem weißen Teller.

Die geschmorte Lammstelze sorgt für Begeisterung.

„Tradition ist nicht das Bewahren der Asche, sondern die Weitergabe von Zündhölzern, so lautet die Philosophie unseres Lokals.“ Sagt Werner und bedient sich dabei in leichter Abwandlung eines dem Komponisten Gustav Mahler zugeschriebenen Zitates.

Eine lange Tradition hat auch das Wirtshaus. Vinzenz Pauli, ein gebürtiger Deutscher, der im Elsass ein Weinlokal betrieben hatte, ehe es ihn aus welchen Gründen auch immer nach St. Pölten verschlug, soll es um 1895 eröffnet haben. Später war’s dann auch als „Gasthaus Koll“ bekannt, benannt nach dem zwischenzeitlichen Betreiber Leo Koll, ehe es unter der kurzzeitigen Führung von Vinzenz Paulis Urenkel wieder „Vinzenz Pauli“ hieß. 

Bridge und Salsa

„Und dabei bleibt’s auch, wenn’s nach mir geht“, sagt der Betreiber und Küchenchef und erzählt, „dass es früher ein Saufbeisl mit legendären Schnitzelsemmeln war, in dem Dart, Karten und Tischfußball gespielt wurde.“

Kartenspielen steht nach wie vor auf dem Programm, jeden Dienstag nämlich, wenn sich die Bridgefreunde in größerer Runde treffen, und am Mittwoch beanspruchen Salsatänzer den Raum für sich, in dem Kachelofen und Klavier stehen. „Wir sind ein Ort der Begegnung“, sagt Werner, „ein Stadtwirtshaus im besten Sinn. Und ich bin der Stadtwirt.“

Ein Stadtwirtshaus, in dem, und das ist dem Stadtwirt nicht zuletzt ob seiner Rolle als Koch besonders wichtig, „vegetarische und vegane Speisen weit mehr sind als bloß irgendwelche Beilagen“. Die veganen Topinambur-Grammelknödel mit Spitzkraut und Mangold sollen jedenfalls schon so manchen noch so überzeugten Fleischesser völlig in die Irre geführt haben …

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