Nach 34 Jahren im Käfig: Bär Felix gerettet

Bär Felix schläft in der Transportbox.
Mit Narkosegewehr und Geduld holt Vier Pfoten den alten Bären Felix aus einem Betonverlies. Jetzt beginnt im Bärenwald Arbesbach sein neues Leben.

Mit dem Betäubungsgewehr im Anschlag wartet die Tierärztin auf Felix. Szilvia Kalogeropoulu, Wildtierspezialistin an der Vetmed in Wien, ist bereit und bekannt dafür, dass sie gut trifft. Nur einer fehlt: der Bär. Es schüttet an diesem Tag im slowenischen Stara Cerkev, einem Ort in den Hügeln. Vielleicht ist das der Grund, warum das Tier nicht aus seiner Behausung kommt. Dabei soll Felix doch gerettet werden. 

Sein leben lang eingesperrt

Noch nie hat Felix Gras unter seinen Tatzen gespürt. Noch nie hat er sich im Wald versteckt, nie in einem Naturteich gebadet.  Der Bär ist 34 Jahre alt und sein ganzes Leben lang in einem Käfig neben einem Restaurant eingesperrt  - als lebende Attraktion. Seine Höhle ist aus Beton. Auf der Straße donnern Autos vorbei, eine Tankstelle ist nur wenige Meter entfernt. Kein Ort für ein Wildtier.

Vier Pfoten-Mitarbeiterin vor dem Käfig von Felix

Der Käfig an der Straße. Kein guter Ort für ein Tier. 

Die Tierschutzorganisation Vier Pfoten hat monatelang für den Bären gekämpft und schließlich die Besitzer überzeugt, Felix abzugeben.  Er soll es im  Bärenwald Arbesbach im Waldviertel besser haben.  „Es ist Felix‘ letzte Chance“, sagt Eva Rosenberg, Vier-Pfoten-Chefin in Österreich. Für seine Gefährtin Mascha kam die Hilfe zu spät. Sie starb im vergangenen Jahr. 

Im Inneren der Betonhöhle regt sich nichts. Kein Laut. Keine Bewegung. „Felix könnte auch tot sein“, sagt die Tierärztin.  So kurz vor seiner Rettung.  Die erfahrenen Helferinnen und Helfer machen sich Sorgen. „Felix, Felix“, ruft die Besitzerin auf ihre Bitte hin. Dörrzwetschken mit Honig bestrichen, Eier, Salat, Weintrauben fliegen durch die Gitterstäbe in den Käfig. 

Denn Felix frisst gerne. Die Köstlichkeiten sollen ihn locken.  Ein Retter klettert auf den Käfig, lässt an einem Seil eine Kamera, um einen anderen Blick in die Höhle zu gewinnen, und getrockneten Fisch herab. 

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Wo ist der Bär? 

Ob er den wohl mag? Der Mann auf dem Gitterdach zieht ihn wieder rauf.

Es raschelt 

Um 11.53 Uhr streckt Felix seinen Kopf heraus - eineinhalb Stunden nach dem Start der Rettungsaktion. Die Retter sind waschelnass.

Der Bär schaut aus der Höhle.

Felix streckt den Kopf heraus endlich. 

Vier Pfoten hat vor 14 Monaten eine Kampagne gestartet, um auf das Schicksal der gefangenen Bären in Slowenien aufmerksam zu machen. Denn Felix ist nicht der letzte Bär in privater Gefangenschaft. Mici und Tim vegetieren noch in Käfigen dahin.  100.000 Menschen haben die Petition unterschrieben, damit der zuständige Minister tätig wird. Und er wurde tätig. Die Behörden führten Inspektionen durch und ordneten den Besitzern an, die Bedingungen für die Bären zu verbessern oder sie freiwillig herzugeben. 

Staatssekretär Jure Leben ist vor Ort. Er will sich das Prozedere anschauen, auch um zu zeigen, dass die Bären in eine schöne Umgebung kommen.  „Ich hoffe, Felix hat noch viele Jahre, die er im neuen Zuhause in Arbesbach genießen kann.“ Mit den anderen Besitzern will Leben in dieser Woche Gespräche führen. Ein neues Gesetz gibt ihm diese Möglichkeiten.

Seit 2004 ist es in Slowenien für Privatpersonen verboten, Bären zu halten, die der freien Natur entnommen wurden. Allerdings gab es Ausnahmegenehmigungen für Eigentümer, die ihre Tiere vor 2004 erworben hatten und sie nicht mehr auszuwildern konnten oder wollten. Das Tierschutzgesetz wurde 2021 erweitert; es gibt nun eine Positivliste mit Tieren, die als Haustiere gehalten werden können, und eine Negativliste mit Tieren, die als Haustiere verboten sind, darunter auch Bären und Großkatzen. 

Die Tierärztin Kalogeropoulu schießt. Sie trifft. Felix hat zwei Pfeile mit Narkosemittel in seinem Hinterteil stecken. Ganz langsam wird er müde. Er wankt und frisst dabei all das, was die Menschen ihm offeriert haben: Salat, Weintrauben, Dörrzwetschken. Und dann legt er sich hin.

Der Bär liegt am Boden, er ist narkotisiert. Die Tierärztin behandelt ihn.

Felix schläft tief und fest

Das Vier-Pfoten-Team wartet noch ein bisschen, damit das Tier auch sicher schläft. Dann hievt es den Bären auf eine Trage. Das klingt leichter, als es ist: Felix wiegt geschätzte 300 Kilo. Die Helfer schleppen das schlafende Tier über die Stufen. In der Bärenambulanz wird Felix – seine Augen sind verbunden, sein Maul gesichert  - untersucht. Die Besitzerin weint.

Das Vier-Pfoten-Team schleppt Felix auf einer grünen Trage zur Bärenambulanz

Auch der Staatssekretär (links im Bild) packt an. 

Transporte alter Wildtiere sind besonders heikel. Sie bedeuten Stress, bergen Risiken für die Tiere. „Man kann nie wissen, was passiert“, sagt Rosenberg. Felix ist stabil. Jetzt kommt er in die Transportbox. Der riesige Bär wird von der Augenbinde und der Zahnsperre befreit. Er wird eingeschlichtet und dann aufgeweckt. Felix ist brummig. Ein gutes Zeichen.

Die Fahrt ins Waldviertel beginnt.

Für Felix ist im Bärenwald alles vorbereitet

In seinem neuen Zuhause wird ihm nach drei Wochen Quarantäne ein Gehege von 1.600 Quadratmetern zur Verfügung stehen – mit Bäumen, Büschen, Felsen und einem großen Teich.

Vier Pfoten betreibt seit 1998  in Arbesbach eine Auffangstation für Bären in Not. Vier Bären leben aktuell hier: Brumca, Erich, Mark und jetzt Felix. Der Bärenwald wurde in den vergangenen Monaten um 10.000 Quadratmeter für weitere Gehege erweitert. Besucher und Besucherinnen haben die Möglichkeit, sich einen Eindruck vom Alltag der Tiere zu verschaffen. Ab 24. Mai hat er wieder geöffnet. Infos unter: www.baerenwald.at.

Die Anlage wurde mit Blick auf die Bedürfnisse älterer Tiere konzipiert. Eine flache Rampe führt in den Teich, der in verschiedenen Tiefen gestaltet ist: Der Bär muss nicht schwimmen, er kann einfach im Wasser liegen. Sein Innengehege kann beheizt werden. 

„Willkommen Felix“ ist auf einem Zettel im Bärenwald Arbesbach zu lesen. Felix frisst schon seinen Salat und er schläft auf viel, viel Stroh. Beton war gestern. Hier kann Felix glücklich sein.  

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