Urwein abseits der Weinbaugebiete aus Dornröschenschlaf geweckt

Versuchsgärten der Hobbywinzer im Nibelungengau entwickelten sich prächtig
Nach 150 Jahren wurde die Weinsorte Heunisch in Klein-Pöchlarn wiederentdeckt. Heuer konnten schon 200 Flaschen abgefüllt werden. Die Region will wieder offizielles Weingebiet sein und hat sensationelles Genmaterial als Trumpf.

Kaum ein halbes Hektar groß, bestückt mit gut 250 sattgrünen Stöcken, gelten drei kleine Weingärten im Nibelungengau als regelrechte Schatztruhen für österreichische Weinforscher. Hier, am Nordufer der Donau in Klein-Pöchlarn (Bezirk Melk) sind emsige Hobbygärtner und Enthusiasten vorerst aber an der Qualität des jungen Weins von der Urweinrebe Heunisch interessiert. Der kann heuer erstmals beim Neujahrsempfang der Gemeinde verkostet werden. Verkauft darf der seltene und historisch bedeutende Wein allerdings nicht werden.

150 Jahre schlummerte die Weinsorte, nachdem sie von der Reblaus fast gänzlich vernichtet worden war, in verwilderten Gärten und Waldzonen am Rindfleischberg bei Klein-Pöchlarn. Bevor die Reblaus um die 1870er-Jahre die Weinkulturen vernichtete, gehörte Klein-Pöchlarn mit seinen Weinterrassen zur Wachau und zu den großen K.u.k.-Weingebieten.

Urwein abseits der Weinbaugebiete aus Dornröschenschlaf geweckt

Adi und Christa Beyer initiierten mit Helfern des Dorferneuerungsvereins einzigartiges Weinprojekt

Entdeckung

Durch Neugierde entdeckten Adi und Christa Beyer 2017 auf einem gekauften Grund alte Weinreben. Anstatt sie zu roden, bat man das Bundesamt für Weinbau um eine Sortenbestimmung. Als von dort bestätigt wurde, dass es sich um historische Urweinsorten, wie Heunisch, Blauen Portugieser und Neuburger handelte, sei das eine Initialzündung gewesen, schildert Adi Beyer. Eine Freiwilligentruppe durchforstete das Gemeindegebiet auf der Suche nach weiteren alten Weinreben. Mithelfer im Dorferneuerungsverein legten mit dem Ehepaar Beyer und Weinbauexperten drei kleine Versuchsgärten mit geklonten Urweinpflanzen sowie Original-Stecklingen aus den gefundenen Stöcken an.

Erste Ernten

Groß war die Freude, als es 2022 erstmals 14 Liter Heunisch zu kosten gab. „Heuer konnten wir bereits 200 Flaschen keltern. Nach Meinung einiger Weinkenner dürften wir eine sehr gute Qualität haben. Mir schmeckt er weit besser als im Vorjahr“, ist Neo-Winzer Adi Beyer stolz. Der pensionierte EDV-Fachmann und seine Frau eigneten sich mit viel Engagement Grundkenntnisse des Weinbaus an. Befreundete Winzer, aber auch immer wieder aus dem Eisenstädter Bundesweinbauamt anreisende Forscher unterstützen die Jungwinzer.

Die heurige Qualitätsprobe durch die gemeinschaftliche Verkostung fehlt zwar noch. Und auch ein Urteil der Weinforscher um den höchst interessierten Vizechef des Weinbauamts, Helmut Gangl, zum aktuellen Jahrgang ist noch ausständig. Doch persönlich ist Neo-Winzer Beyer überzeugt, einen sehr interessanten und facettenreichen Heurigen präsentieren zu können.

„Das Bukett ist unglaublich frisch und fruchtig und kann meiner Meinung nach mit Top-Veltlinern mithalten“, so Beyer. Am Gaumen ließen sich bei sehr gefälliger Säure und Frucht deutlich zitronige Noten erkennen, beschreibt er den Donau-Heunisch.

Urwein abseits der Weinbaugebiete aus Dornröschenschlaf geweckt

Bürgermeister Johannes Weiß möchte Klein-Pöchlarn wieder zum offiziell anerkannten Weingebiet machen 

Auf diesen regionalen Wein mit „Südfrüchtearomen“ ist der Klein-Pöchlarner Bürgermeister Johannes Weiß (SPÖ) sehr stolz. Er unterstützt die Initiative von Beginn an. Angesichts der Weinbaugeschichte der Gemeinde bemühe er sich, wieder als amtlich eingetragenes Weinbaugebiet anerkannt zu werden, habe aber bisher wenig Unterstützung signalisiert bekommen, sagt er. „Nur als offizielles Weinbaugebiet ist es erlaubt, den Wein auch wirtschaftlich zu nutzen“, sagt Weiß.

Urwein abseits der Weinbaugebiete aus Dornröschenschlaf geweckt

Klein-Pöchlarner Heunisch darf nur privat genossen, aber nicht verkauft werden

Für die großen Player am Weinmarkt sei ein Wein aus dem Nibelungengau gar nicht spürbar, ist sich Weiß sicher. Die letzte Instanz für eine Genehmigung wäre der NÖ Landtag. Er werde sich jedenfalls weiter bemühen, so der Ortschef. Er und Adi Beyer glauben aber auch, dass man mit den gefundenen gesunden alten Rebsorten, mit offensichtlich höchst resistenten Genen, eventuell ganz gute Trümpfe für diese Zukunftspläne in der Hinterhand haben könnte.

Weinreben als Gen-Banken

Offenbar gestatten die in Klein-Pöchlarn gefundenen alten Weinstöcke aus dem 19. Jahrhundert der Wissenschaft die seltene Chance, an jahrhundertealte unverfälschte Gene zu kommen. Der Heunisch war in Europa bis Mitte des 19. Jahrhunderts die wichtigste Weißweinsorte. Sein hoher Ertrag und später Austrieb könnte in Zeiten des Klimawandels mit den gefährlichen Frühlingsfrösten attraktive Lösungen bieten.
Genanalysen ergaben, dass 119 der heute bekannten Rebsorten vom Heunisch abstammen. Durch Kreuzungen mit dem Burgunder sind etwa Sorten wie der Chardonnay und Riesling entstanden.

Die Forscher um Helmut Gangl vom Bundesamt für Weinbau in Eisenstadt interessieren sich bei den Klein-Pöchlarner Rebstockfunden für auffällige Eigenheiten. Die hier gefundenen Heunisch-Reben sollen gegen etliche Krankheiten, die der Weinwirtschaft schwere Schäden zufügen, resistent sein. Bei den gefundenen Reben des Blauen Portugiesers dürfte es etwa eine besondere Widerstandsfähigkeit gegen die viröse Blattrollkrankheit geben. Beim gefundenen Neuburger wiederum, dürfte die Krankheit „Kurzknotigkeit“, die der Sorte in vielen Weingebieten extrem zusetzt, zwar vorhanden, aber wirkungslos sein. 

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