Wo einst Mammuts weideten, ist heute der Natur-Hotspot Nummer eins

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Die Trockenrasen entlang der Thermenlinie gehören zu den artenreichsten Lebensräumen Mitteleuropas. Und würden ohne menschliche Hilfe verschwinden.

Zusammenfassung

  • Die Trockenrasen entlang der Thermenlinie im Wiener Becken sind Österreichs Hotspot Nummer eins für biologische Vielfalt mit zahlreichen seltenen Arten.
  • Ohne menschliche Pflege und Beweidung würden diese artenreichen Lebensräume zunehmend vom Wald verdrängt und verschwinden.
  • Durch gezielte Pflege und ehrenamtliches Engagement konnte die Fläche der Trockenrasen zuletzt wieder leicht vergrößert werden.

Denkt man an heimische Naturjuwele sowie seltene Tier- und Pflanzenarten, so kommen einem vielleicht Urwälder oder Flusslandschaften in den Sinn, doch einer der größten Natur-Hotspots findet sich in unmittelbarer Nähe zur Bundeshauptstadt im östlichen Niederösterreich. Die Trockenrasen im Wiener Becken entlang der Thermenlinie in den Bezirken Mödling und Baden sind einzigartige Lebensräume. Doch ohne menschliche Hilfe würden diese Naturräume verschwinden.

Die Trockenrasen sind offene Lebensräume, die bekanntesten Standorte finden sich in Perchtoldsdorf, Pfaffstätten und Bad Vöslau. Diese Landschaften gehen auf die Kältesteppen der letzten Eiszeit zurück, erklärt Irene Drozdowski vom Landschaftspflegeverein Thermenlinie-Wienerwald-Wiener Becken. "Im Laufe der Zeit wurden diese Flächen von unterschiedlichsten Tieren beweidet – anfangs von Mammuts, später von Haustieren des Menschen."

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Derzeit finden in Pfaffstätten wieder Pflegearbeiten statt

Von 1.660 auf 72 Hektar

Doch nach dem 2. Weltkrieg verschwanden die Rinder, Schafe und Ziegen und mit ihnen auch die Trockenrasen. "Der franziszeische Kataster zeigt, dass es hier vor 200 Jahren noch rund 1.660 Hektar dieser Weideflächen gab. Als das Gebiet 2008 wieder katastriert wurde, waren es nur mehr 72 Hektar", sagt Drozdowski. Ursache ist weniger Verbauung, vielmehr breitete sich der angrenzende Wald ohne die Weidetiere rasch auf die freien Rasenflächen aus.

Ein riesiger Verlust, denn diese Naturjuwele sind einzigartig. Was nun sogar ganz offiziell ist, betont Drozdowski: "Die Thermenlinie im Wiener Becken wurde vom Bundesumweltamt offiziell als Hotspot Nummer eins der biologischen Vielfalt in Österreich ausgewiesen - mit den meisten seltenen und gefährdeten Arten aller 76 naturräumlichen Regionen des Landes." 

1.200 Schmetterlingsarten

Die Trockenrasen beherbergen eine Tier- und Pflanzenwelt, die es sonst in Österreich kaum oder gar nicht gibt. "Es gibt extreme Raritäten hier. Etwa die kantabrische Winde, die sonst nur im Mittelmeerraum vorkommt", sagt die Expertin. Eine schon ausgestorben geglaubte Heuschreckenart names Brunners Schönschrecke wurde vor einigen Jahren auf einem Trockenrasen wiederentdeckt. Wem man hier auch begegnen kann, ist die Sägeschrecke, eines der seltensten und mit rund zehn Zentimeter größten Insekten Österreichs. "Es leben hier auch rund 1.200 der insgesamt 4.000 in Österreich heimischen Schmetterlingsarten und 180 Widlbienenarten." Dazu kommen rund 500 Pflanzenarten, die teilweise nur hier vorkommen.

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Die seltene Sägeschrecke lebt auf den Trockenrasen in Pfaffstätten

Erhalten und Erweitern

Um die Trockenrasen zu erhalten, erfolgt Beweidung mit Schafen. Büsche und Bäume werden aber auch mühsam händisch ausgegraben und abgeschnitten. In Pfaffstätten (Bezirk Baden) engagieren sich alljährlich viele Freiwillige bei Pflegeaktionen, wie Bürgermeister Christoph Kainz betont. "Wir haben hier ein Naturjuwel direkt vor der Haustüre. Beim Tag der Artenvielfalt 2009 ist der Funke so richtig übergesprungen und wir sind uns dessen so richtig bewusst geworden." 

Aktuell findet schon zum achten Mal die Umweltbaustelle des Alpenvereins hier statt. Mit Aktionen wie diesen konnte die Gesamtfläche der Trockenrasen zuletzt auf 85 Hektar vergrößert werden. Wer sich engagieren will, ist sehr willkommen: landschaftspflegeverein.at

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