Digitales Mahnmal für die Opfer der Nationalsozialisten
Mehr als 270 Kartons voll mit 300.000 Seiten an archivierten Akten hat das niederösterreichische Landesarchiv in den vergangenen Jahren digitalisiert. Der Hintergrund: es handelt sich dabei um Material mit NS-relevanten Inhalten, um Dokumente über die Enteignung, Vertreibung und Vernichtung von Juden durch die Nationalsozialisten. Die zeitgeschichtlichen Dokumente werden nun in der digitalisierten Form internationalen Forschern zur Verfügung gestellt.
2019 haben das NÖ Landesarchiv und das US Holocaust Memorial Museum in Washington zur Erforschung der NS-Kriegsverbrechen an der jüdischen Bevölkerung eine Kooperation vereinbart. Die israelische Gedenkstätte Yad Vashem zeigte ebenfalls Interesse und so konnte die weltweit bedeutendste Holocaust-Gedenkstätte als dritter Partner gewonnen werden. In der ehemaligen Synagoge St. Pölten zog Landesrat Ludwig Schleritzko gemeinsam mit Zachary Levine, Direktor des US Holocaust Museums in Washington, Anatol Steck, Senior Project Director US Holocaust Memorial Museum, und NÖ Archivdirektor Roman Zehetmayer nun Bilanz.
Symbolhafter Ort
Der Ort wurde bewusst gewählt, weil „die Synagoge in St. Pölten ein Symbol der Mahnung und der Hoffnung ist“, so Schleritzko. Die Kooperation sei nicht nur für die Erforschung der NS-Zeit wichtig, „sondern stellt weit darüber hinaus ein klares Bekenntnis des Landes Niederösterreich dar, sich dem Thema zu stellen und die Erinnerung daran nicht verblassen zu lassen: gerade in einer Zeit, in der Antisemitismus immer deutlicher in Erscheinung tritt“. Es gehe nicht nur ums Erinnern, sondern auch um eine „Mahnung für die Zukunft“, hielt der ÖVP-Landesrat fest: „Wir dürfen und werden nicht zulassen, dass der Antisemitismus – von welcher Seite auch immer vorangetrieben – in unserer Gesellschaft wieder Einzug hält.“
Als einen wichtigen Schritt bezeichnete Zachary Levine das Projekt: „Ein erweiterter Zugang zu dieser Dokumentation in digitalisierter Form wird die weitere Forschung unterstützen und das Andenken an die Opfer des Holocausts wachhalten.“ Archivdirektor Zehetmayer fügte hinzu: „Wir sind überzeugt, damit einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der NS-Zeit in Niederösterreich geleistet zu haben.“ Etwa 5.400 „Arisierungs- und Rückstellungsakten“, rund 3.000 Vermögensanmeldungen von Juden sowie Dokumente zu Enteignungsverfahren stehen der Forschung nun zur Verfügung.
Anatol Steck sprach dem Landesarchiv Respekt, Dank und Anerkennung aus. „Niederösterreich war aus historischer Sicht das österreichische Bundesland mit den meisten jüdischen Gemeinden. Im Jahr 1938 zählte man hier 15 israelische Kultusgemeinden. Zwischen 1938 und 1945 wurden diese Gemeinden aufgelöst, die Mitglieder vertrieben, deportiert und umgebracht. Anhand der digitalisierten Bestände lässt sich nun ein Bild der jüdischen Gemeinden unmittelbar vor deren Zerstörung durch die Nationalsozialisten rekonstruieren. Mögen diese digitalisierten Bestände mit ihren Namen und persönlichen Schicksalen ein Gedenkmal für die Opfer sein“
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