Fall in NÖ: Unschuldige Pensionistin durch Behördenmühle gedreht
Hier soll es zu dem angeblichen Parkschaden gekommen sein.
„Mir sind“, sagt Karoline H. (Name geändert, Anm.), „mehrere Monate meines letzten Lebensabschnitts gestohlen worden.“
Die 80-jährige St. Pöltnerin blättert durch einen Ordner, in dem sie fein säuberlich alle Dokumente gesammelt hat, die eine Geschichte erzählen, die fassungslos macht. Es geht um einen falschen Verdacht, der eine Kettenreaktion auslöste und die Pensionistin an den Rand der Verzweiflung brachte.
Ein paar Kratzer am Lack
Alles begann am 7. Mai 2025, als die Frau vor ihrer Wohnung in der Wenzel-Kaska-Straße in St. Pölten von einem Polizisten angesprochen wurde.
„Er teilte mir mit, dass an meinem Auto eine Beschädigung festgestellt worden sei“, erzählt die ehemalige Lehrerin. Es waren nur ein paar Kratzer am Lack. Weil in der Nähe gerade ein Auto abgeschleppt wurde, habe sie den Beamten nicht gut verstanden. „Aber er meinte, ich solle zur Polizeiinspektion kommen.“
Das tat die St. Pöltnerin auch. „Ich habe mich noch gefreut, dass es so ehrliche Menschen gibt, die einen Parkschaden melden“, erzählt H. im Gespräch mit dem KURIER. Doch als sie später das Schreiben öffnete, fiel sie aus allen Wolken: „Ich wurde angezeigt. Die Rede war davon, dass ich einen Schaden verursacht und diesen nicht gemeldet hätte. Es ging also auch um Fahrerflucht.“
Rechtsschutzversicherung griff nicht
Dann folgten für die 80-Jährige Wochen und Monate, die sie wohl nie wieder vergessen wird. Denn sie war sich sicher: Das kann ich gar nicht gewesen sein – ich habe mein Auto tagelang nicht bewegt.
Als sie ihre Versicherung informierte, teilte man ihr zunächst mit, dass sie sich einen Anwalt suchen solle. Bitter für die Pensionistin: Ihre Rechtsschutzversicherung griff in diesem Fall nicht.
Was der Betroffenen jedoch – im Gegensatz zu den Behörden – relativ rasch klar wurde: Es musste eine Verwechslung vorliegen. Die Frau, die den Vorfall angezeigt hatte, sprach von einem blauen Pkw mit einer bestimmten Kennzeichennummer. Tatsächlich fährt Frau H. ebenfalls einen blauen Pkw – mit einer ähnlichen Kennzeichenkombination.
Zudem war sie überzeugt, zum „Tatzeitpunkt“ zu Fuß in der Stadt unterwegs gewesen zu sein. Seltsam auch: Bei ihrem Auto waren Kratzer links vorne, beim Pkw der anderen Frau war der Schaden links hinten.
Untersuchung beim Amtsarzt
Für die St. Pöltnerin ging die Sache indes weiter. Sie wurde zweimal zum Amtsarzt geschickt, musste Untersuchungen absolvieren.
Nach Monaten wurde das Verfahren eingestellt.
Schließlich griff Frau H. zum Telefon und erzählte dem St. Pöltner Rechtsanwalt Stefan Gloß die ganze Geschichte. Als dieser schließlich alle Beteiligten – die Anzeigerin, die Betroffene und den Polizisten – zum Ort des angeblichen Unfalls laden wollte, wurde das Verfahren Anfang September plötzlich eingestellt.
Auf den Kosten, die durch den Irrtum entstanden sind, bleibt die 80-Jährige sitzen. 870 Euro zahlte Frau H., bis schließlich klar wurde, dass sie mit einem Parkschaden gar nichts zu tun gehabt hatte.
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