Ulrike Schiesser von der Bundesstelle auf Anfrage des KURIER: "Das kommt in verschiedenen Kontexten vor. Manchmal sind es religiöse Gruppen, manchmal kommen die Eltern aus der Esoterik. Wir erleben so etwas auch bei Scheidungsfällen. Die Kinder kommen zum Beispiel von einem Besuch vom Vater zurück und die Mutter sagt ihnen dann, dass sie eine schlechte Aura hätten, die sie reinigen müssen."
Diese "Reinigung" sehe dann zum Beispiel so aus, dass Kinder nur bestimmte Dinge oder gar nicht essen dürften, oder sie von ihren Freunden abgeschnitten werden oder andere "Rituale zur Reinigung" durchgeführt werden.
➤ Mehr lesen: 12-Jähriger gefoltert: Und die Behörden schweigen dazu eisern
Im aktuellen Fall laufen die Ermittlungen wegen eines sadistischen Kultes, wie die Kriminalisten sagen. Was genau ein Kult oder eine Sekte ist, sei laut Schiesser schwer zu definieren: „Wir versuchen, diese Begriffe nicht zu verwenden, weil sich Betroffene dann angegriffen fühlen und komplett zumachen. Man kann aber sagen, dass es in Österreich Gruppen gibt, in denen mitunter problematische Zustände herrschen. Oft sind das kleine Gruppierungen von drei bis 15 Personen, die sich um eine Art Anführer scharen, weil sie ihm bestimmte Fähigkeiten zuschreiben.“
Auch in Österreich "religiöse Fanatiker"
Die Mitglieder schotten sich nach und nach ab, und irgendwann fehlt die Außenwahrnehmung. Dann kann es passieren, dass Praktiken, die zuvor als unvorstellbar angesehen wurden, plötzlich als normal gelten. „Das kann verschiedene Auswüchse haben. Es gibt auch in Österreich religiöse Fanatiker, die sich auf Bibelstellen berufen, in denen Gewalt gegen Kinder goutiert wird. Andere sehen ihre Kinder als Erwachsene an und behandeln sie auch ebenso hart und unnachgiebig. Das kann für Kinder extrem verstörend sein“, sagt Schiesser.
Um was für eine Art von "Kult" es sich in Niederösterreich handelt, ist noch unklar, weshalb es der Expertin wichtig ist, keine Spekulationen zuzulassen. Allgemein müsse aber eine Sensibilität für das Thema geschaffen werden. Sollte man Sorge haben, dass mit einem Kind etwas nicht stimmt, müsse man handeln: "Wenn das Kind keine Freunde in der Außenwelt hat oder plötzlich nicht mehr zur Schule geht, darf man keine Scheu haben, das bei den Behörden zu melden. Die Angst, dass Kinder den Eltern sofort abgenommen werden, ist unbegründet. Das passiert eben nur dann, wenn es wirklich notwendig ist."
Kommentare