Rektor abberufen und angezeigt: Was ist los an der Pädagogischen Hochschule NÖ?

Erwin Rauscher, Rektor der Pädagogischen Hochschule NÖ
Der Vorwurf lautet, dass an der PH "fingierte Lehrveranstaltungen“ angeboten werden. Das stimmt - und stimmt auch wieder nicht, zeigen Recherchen des KURIER.

Am Donnerstag wurde Erwin Rauscher als Rektor der Pädagogischen Hochschule (PH) Niederösterreich abberufen. Das Bildungsministerium begründete den Schritt in einer Aussendung am Donnerstag mit "schwerer Pflichtverletzung". Unter der Verantwortung von Rauscher sollen "fingierte Lehrveranstaltungen im Verwaltungssystem PH-Online angelegt beziehungsweise freigegeben" worden und auf dieser Grundlage Zahlungen an Lehrpersonal erfolgt sein, hieß es. Strafanzeige sei außerdem eingebracht worden.

Erwin Rauscher ist 75 Jahre alt – und ein zweifellos hochverdienter Pädagoge und Forscher, er hat die Pädagogische Hochschule Niederösterreich mit Sitz in Baden 2007 mitbegründet. Die Bildungsminister Heinz Faßmann und Martin Polaschek baten ihn, noch weit nach dem Pensionsalter weiter die Agenden der PH in Baden zu führen. Sein Vertrag wäre noch bis Sommer 2026 gültig. Nun kämpft Rauscher um seinen Ruf.

Strafanzeige eingebracht

Vorgeworfen wird ihm, dass durch die Eintragung von Tätigkeiten, die keine Lehrveranstaltungen darstellen würden, "über einen längeren Zeitraum Zahlungen an Hochschullehrpersonen erfolgt sind, die bei gesetzeskonformer Vorgangsweise nicht oder nicht in dieser Höhe angefallen wären". Das Ministerium bestätigt auf KURIER-Anfrage, dass die Finanzprokuratur empfohlen habe, Strafanzeige einzubringen. Dem sei das Ministerium nun gefolgt.

Dass man das auch ganz anders sehen kann, zeigt der interne Prüfbericht des Bildungsministeriums vom Juni 2025, der dem KURIER vorliegt. Dort heißt es in der Zusammenfassung: „An der Pädagogischen Hochschule Niederösterreich (NÖ) wurden Lehrveranstaltungen (..) eingetragen, die nie als solche abgehalten wurden. Für die Leitung von Zentren wurde eine pauschale Reduktion der Lehrverpflichtung gewährt, für die es keine gesetzliche Grundlage gibt. Beide Sachverhalte stellen Dienstpflichtverletzungen dar. Strafrechtlich relevante Sachverhalte konnten nicht festgestellt werden.“

Das ICG Forschungszentrum mit bunten Sitzgelegenheiten im Außenbereich.

Die Pädagogische Hochschule Niederösterreich hat ihren Sitz in Baden.

Und weiter: „An der PH NÖ wurden Tätigkeiten in PH-Online als Lehrveranstaltungen eingetragen, die keine  solche darstellen. Stattdessen wurden dadurch Leistungen abgegolten, für die es im Rahmen  der Dienstpflichten keine Möglichkeit der Abgeltung gibt, wie zum Beispiel Tätigkeiten im  Bereich der Öffentlichkeitsarbeit. Dieses Vorgehen stellt eine Dienstpflichtverletzung dar.  Strafrechtliche Relevanz konnte hierbei nicht festgestellt werden.“

Einige Seiten später steht im Prüfbericht: „Als Grund für die Eintragung von „Dummy“-Lehrveranstaltungen (..) an der PH NÖ  wurde der Internen Revision vom Rektorat der PH NÖ der Mangel an Verwaltungspersonal,  das für nicht-lehrende Tätigkeiten (wie z.B. Öffentlichkeitsarbeit) eingesetzt werden könnte, genannt. Alle befragten Personen sagten gegenüber der Internen Revision aus, dass für jede „Dummy“-Lehrveranstaltung andere Leistungen erbracht wurden. Diese erstrecken sich von Öffentlichkeitsarbeit, Betreuung von Social-Media-Kanälen über die Redaktion von Journalen bis hin zu sonstigen Tätigkeiten.“

Üblich auch an anderen Pädagogischen Hochschulen?

Dann wird festgehalten, dass solche „Dummy“-Lehrveranstaltungen seit Gründung der PH fest im System verankert seien. Und dass die Abbildung von „Dummy“- Lehrveranstaltungen in PH-Online „zum Zwecke der Abgeltung von Tätigkeiten, die keine  Lehrveranstaltungen darstellen, auch an anderen PHs gängige Praxis sein könnte“. 

Auf KURIER-Nachfrage erklärt die Pressesprecherin von Minister Christoph Wiederkehr (Neos), dass man dies ausschließe. "Sollte es Fälle an anderen PHs geben, dann werden Prüfungen eingeleitet".

"Keine strafrechtliche Relevanz"

Der Bericht der internen Revision des Bildungsministerium kommt zum Schluss: „Ein direkter finanzieller Schaden konnte nicht festgestellt werden, da im Rahmen der Eintragungen zwar keine Lehrveranstaltungen abgehalten wurden, jedoch andere Leistungen für die PH NÖ erbracht wurden. (…) Die Interne Revision kann daher keine strafrechtliche Relevanz feststellen."

Empfohlen wird, eine „disziplinarrechtliche Maßnahme in Form einer schriftlichen Ermahnung zu vollziehen. Neben den Lehrpersonen selbst betrifft dies die jeweiligen Instituts- bzw. Departmentsleitungen sowie das Rektorat.“

Was empfohlen wird, ist eine gesetzliche Novellierung der Regelungen.

Reaktion des Rektors: "Behauptungen sind wahrheitswidrig"

Rektor Erwin Rauscher reagierte auf seine Abberufung mit einem Brief an Minister Christoph Wiederkehr und den Generalssekretär. Darin heißt es: „Es ist mehr als verwunderlich, dass trotz Ergebnisses dieser internen Revision seit Ende Juni – und ohne irgendwelche weiteren Schritte zur Prüfung zu unternehmen oder mir die Möglichkeit zu geben, die Wirtschaftlichkeit und Sinnhaftigkeit der Mittelverwendung darzulegen – nunmehr wahrheitswidrig behauptet wird, dass ein finanzieller Schaden für die Hochschule entstanden sei.“

Die von seinen Lehrenden erbrachten Leistungen wären „weit mehr wert als die Abgeltung der Lehrveranstaltungen und wären bei Zukauf bei Dritten erheblich kostspieliger“ gewesen. Der Abschluss von Werkverträgen für diese Leistungen hätte die tatsächlich abgegoltenen Beträge um ein Vielfaches überstiegen. „Der Vorwurf eines finanziellen Schadens erscheint für mich völlig unbegründet“, erklärt Rauscher.

Aufsichtsversagen des Ministeriums?

Rauscher sorgt sich auch um das Ministerium selbst: „Der nunmehr erhobene Vorwurf könnte in der Öffentlichkeit den Eindruck eines Aufsichtsversagens des Ministeriums und der jeweiligen Minister erwecken, da doch unser Budget und die Leistungen der genauen Prüfung und Kontrolle unterliegen.“

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