Plaudern gegen Einsamkeit: Warum Klimaoasen nicht nur vor Hitze schützen

Die Stimmung ist gut, an diesem Donnerstag im Juli. Knapp 15 Besucher haben sich in der Klimaoase in der Pfarre Gaaden (Bezirk Mödling) eingefunden.
Wobei, Klimaoase ist an dem Nachmittag ein dehnbarer Begriff. Wegen Regen findet das Treffen bei kostenlosen Getränken und Kuchen – erstmals überhaupt – im Pfarrheim statt, statt unter den schattenspendenden Bäumen vor der Pfarre. Und statt kalter Getränke wird Tee getrunken.
„Sonst habe ich einen riesigen Eisbottich mit Getränken“, sagt Organisatorin Alice Klezl, während sie in dem kleinen Raum selbst gebackenen Marillenkuchen und Zitronen-Mohntorte mit Himbeeren serviert.
Zusammen statt allein
Den Anwesenden ist das Wetter egal, denn Gastmusiker Peter Hackl hat auf seiner Ziehharmonika das russische Tanzlied „Kalinka“ angestimmt und mitklatschen, das funktioniert drinnen wie draußen.
„Da haben wir schon so viel getanzt im Freien“, erzählt Klezl mit leichtem Bedauern. Denn wenn auch Klatschen im Pfarrheim kein Problem darstellt, so scheitert das Tanzen dann doch am Platz. Sekt wird trotzdem serviert.
Seit 2020 öffnet die Pfarre in Gaaden – als eine von neun in NÖ – während der Sommermonate ihren Pfarrgarten. Zur Abkühlung, aber vor allem gegen die Einsamkeit. Alice Klezl, eigentlich aus Hinterbrühl, engagiert sich seit Beginn an.
Vor sechs Jahren öffneten die Klimaoasen der Caritas in Wien und Niederösterreich erstmals ihre Pfarrgärten. Heuer sind insgesamt 23 Pfarren mit dabei, 500 Freiwillige bieten den Besuchern kühle Getränke und kleine Snacks an.
Im Vorjahr nutzten bereits 9.070 Menschen das Angebot – zwei Drittel davon in Wien. Denn während in der Bundeshauptstadt im Sommer die Flucht vor der Hitze für Obdachlose und Armutsbetroffene im Vordergrund steht, ist es in Niederösterreich eher die Einsamkeit, die die Menschen die Pfarrgärten besuchen lässt.
Noch bis September ist eine kurze Sommerfrische in den Pfarren möglich. Der nächste Öffnungstag ist der Samstag, 2. August, in der Pfarre Ziersdorf.
Wer das Projekt der Caritas unterstützen möchte, kann etwa im Caritas-Shop um 3,50 Euro ein kaltes Getränk sowie eine kleine Mahlzeit spendieren.
„Ich bin auf die Butterseite des Lebens gefallen“, sagt sie. Da möchte sie etwas zurückgeben. In den Pfarren spürt man die demografische Entwicklung und die Wirtschaftslage. „Viele Gäste haben sich vor fünf oder sechs Jahren noch im Kaffeehaus getroffen“, sagt Klemens Lesigang, bei der Caritas Wien für die Klimaoasen zuständig. „Aber wenn eine Melange fünf Euro kostet, geht sich das nicht mehr aus.“

Organisatorin Klezl, Musiker Hackl und Besucherin Frau Melanie tratschen bei Kaffee und Kuchen (v.li.)
Gerade im Weinviertel seien die Klimaoasen auch Ersatz für die geschlossenen Wirtshäuser. „Wir haben das Gefühl, dass die Leute das brauchen“, bestätigt Pfarrer Moses Hamm.
Einsamkeit ist ein großes Thema. Laut einer aktuellen Studie der Caritas mit Foresight fühlen sich rund 600.000 Menschen in Österreich mehr als die Hälfte der Zeit einsam, erklärt Caritas-Direktor Klaus Schwertner.
Armutsgrenze
Besonders betroffen sind Frauen. Österreichweit leben 370.000 Pensionistinnen alleine, im Unterschied zu 181.000 Pensionisten. Dazu kommen die enormen Preisanstiege. 17 Prozent der in der Caritas-Studie Befragten, mussten deshalb ihre Sozialkontakte einschränken.
Auch darunter viele Seniorinnen. 19 Prozent der Frauen ab 65 Jahren gelten als armutsgefährdet. Von den alleine lebenden Pensionistinnen sind es gar 32 Prozent. Nur Alleinerziehende sind stärker von Armut bedroht. 1.409 Euro beträgt im Mittel die Alterspension der Frauen. Die Armutsgefährdungsschwelle liegt bei 1.661 Euro.
„Immer mehr Frauen müssen unsere Angebote nutzen“, sagt auch Lesigang. Die Altersarmut werde sichtbarer. So hätten im vergangenen Jahr im Einzugsgebiet der Erzdiözese Wien erstmals mehr Frauen als Männer die Angebote genutzt. Generell habe es einen Besucheranstieg um 50 Prozent von 2023 auf 2024 gegeben.
Oasen abklappern
In Gaaden werden indes Gedichte rezitiert. Ihnen lauschen an diesem Julitag sogar zwei Besucher, die aus Wien angereist sind. „Es ist spannend, wenn man wohin kommt und schaut, wer da ist, wen man kennt“, erzählt Frau Ulli. Neben der Gesellschaft sei es auch gut, Geld zu sparen.
Am Tag davor hat es die Wienerin dank Klimaticket nach Katzelsdorf verschlagen, dreieinhalb Stunden war sie dahin unterwegs. In Gaaden hat Frau Ulli jedenfalls Herrn Ferdinand getroffen, der daheim seine Frau pflegt – und manchmal einfach raus muss.
Er ist übrigens einer der wenigen männlichen Besucher der Klimaoase. „Es sind lauter alte Frauen hier. Aber macht nichts. Ich bin auch eine alte Frau“, bestätigt Frau Melanie die Statistik lachend – obwohl ihr ein Verehrer den Platz neben sich freihält. Seit sieben Jahren sei sie alleine. In der Klimaoase fühle sie sich wohl. Einsam ist hier an diesem Julitag niemand.
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