Photovoltaik auf freier Flur: Warum Boden nicht gleich Boden ist

Von Michaela Höberth und Anna Mayr
Eigentlich spielt sich das Kerngeschäft der Windkraft Simonsfeld ja in luftigen Höhen ab. Künftig will das Unternehmen aber vermehrt auf den Boden zurückkommen, und zwar mit dem Ausbau von Sonnenenergie.
Das neueste Projekt: Eine PV-Anlage auf einem Pachtgrund der Gemeinde Ernstbrunn, wo auch der Firmenstandort liegt. Unter den Modulen sollen Schafe weiden – also ein Konzept, bei dem die Fläche gleich doppelt genutzt wird.
„Die Solarmodule sind fix aufgeständert und bifazial, das heißt, diese können sowohl auf der Vorder- als auch auf der Rückseite Licht in Strom verwandeln“, erklärt Roman Gepp, Sprecher der Windkraft Simonsfeld. Sie sollen den jährlichen Jahresbedarf an Strom von rund 700 Haushalten decken. Zugleich spenden sie wertvollen Schatten für die Schafe.
Infrastruktur nutzen
Der Clou: Durch die Nähe zu den Windkraftstandorten in der Gemeinde kann der Netzanschluss mitgenutzt werden. „Wind und Sonne haben zu unterschiedlichen Jahres- und Tageszeiten ihre höchste Produktionskapazität, daher ergänzen sie sich im Rahmen der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien optimal“, schildert Gepp.
Neben diesem Projekt sind noch zwei weitere Anlagen auf Freiflächen geplant, die Sonnenenergie ist ein fixer Bestandteil der Ausbaustrategie der Windkraft Simonsfeld bis 2030. Im besten Fall kann die Inbetriebnahme noch heuer erfolgen.
Doch unumstritten sind PV-Paneele auf dem Boden nicht. Nur einige Kilometer weiter, in Hollabrunn, kam es im Vorjahr sogar zu einer Bürgerbefragung. Dort sollten sechs Felder in „Grünland Photovoltaik“ umgewidmet werden.
Die Gegner stießen sich vor allem an der Optik, fürchteten um ihr Naherholungsgebiet. Schlussendlich stimmten lediglich rund 45 Prozent der Bevölkerung über die geplanten Umwidmungen ab, 59,20 Prozent waren gegen die Projekte. Die Gemeinde entschied, die Vorhaben nicht weiter zu verfolgen.
Energie vs. Landwirtschaft
„Wir planen PV-Projekte ausschließlich auf Flächen wie Deponien oder Böden mit minderer Bodenwertzahl“, sagt Gepp. Sprich: Die Ertragfähigkeit ist gering. Das sei auch im Sinne des Landes NÖ; Standorte auf Flächen wie ausgekiesten Schottergruben, Lagerplätzen, Gewerbebrachen oder ehemaligen Verkehrsanlagen werden bevorzugt. Denn eine Verbindung zwischen Landwirtschaft und Energiegewinnung wird kritisch gesehen – auch wenn sogenannte Agri-PV-Anlagen viel Potenzial bieten, wie mehrere Beispiele in Österreich zeigen.
Photovoltaikanlagen gehören längst zum vertrauten Bild auf Hausdächern und Industriehallen. Doch mittlerweile stehen sie auch vermehrt auf Feldern – zwischen ihnen wachsen Beerensträucher, Apfelbäume oder tummeln sich Schafe.
Was zunächst widersprüchlich klingt, kann für die Landwirtschaft viele Vorteile bringen. „Rein von der Fläche her hätten wir wahrscheinlich genug Platz auf Dächern, Parkplätzen, Brachflächen und minderwertigen landwirtschaftlichen Flächen“, sagt Hubert Fechner, Stv. Vorsitzender des Photovoltaikprogramms der internationalen Energieagentur. Warum dann PV-Anlagen auf höherwertigen landwirtschaftlichen Flächen?
Tiere profitieren
Der entscheidende Punkt sei die Synergie, erklärt er. „Wenn Photovoltaik in Kombination mit Landwirtschaft steht, steigt die gesellschaftliche Akzeptanz deutlich.“ Versiegelt wird dabei nichts – die Anlagen lassen sich nach 20 bis 25 Jahren wieder vollständig rückbauen.
Die Tiere profitieren: Schafe und Hühner finden unter den Modulen Schatten und Schutz. Neben den ökologischen Vorteilen bietet Agri-PV auch eine wirtschaftliche Perspektive: „Landwirte können durch die Stromproduktion eine zusätzliche Einnahmequelle erschließen“, sagt Fechner. Seit 2021 gibt es sogar höhere Förderungen für Agri-PV-Anlagen.
"Noch nicht angekommen"
Trotzdem sei das Modell in der Praxis noch nicht weit verbreitet. „Viele Landwirte haben große Flächen, wollen darauf aber nur Tiere weiden lassen – die Idee, Stromproduktion aktiv mit der Landwirtschaft zu kombinieren, ist noch nicht angekommen.“
Die Frage, ob Kabel oder Module nicht die Bewirtschaftung verhindern, verneint Fechner. Die Verkabelung wird entlang der Modulreihen geführt, am Ende steht meist ein Trafo. Die Abstände zwischen den Reihen betragen acht bis zehn Meter – genug Platz für Traktoren. Die Module sind schwenkbar: „Wenn der Landwirt durchfahren muss, kann er sie senkrecht stellen.“
„Uns ist wichtig, dass es zu keiner Konkurrenzsituation zwischen Nahrungsmittelproduktion und Energieerzeugung kommt“, betont Stefan Zach, Sprecher der EVN. Der Energieanbieter betreibt Anlagen auf Freiflächen in einer Größenordnung von rund 80 Hektar – weitere sind geplant.
Auch am Gelände von Kraftwerksanlagen, wie in Dürnrohr, wurden Paneele errichtet. Der Vorteil: Auf Industrieflächen ist keine Umwidmung nötig. Außerdem sind dort bereits Netzanschlüsse sowie Speichermöglichkeiten vorhanden. „Diese hybride Nutzung ist sinnvoll, auch wirtschaftlich“, so Zach.
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