"Strafzettel-Kaiser" der Polizei vor Gericht: Zeugenauflauf in NÖ

Symbolbild
Er lauerte hinter Hecken und Zäunen und war als Raserschreck verschrien. Mit mehr als 1.000 ausgestellten Organmandaten in einem Jahr hat er annähernd so viele "Knöllchen" verteilt, wie alle anderen Polizeiinspektionen im Bezirk Wiener Neustadt zusammen.
Ein bereits monatelanger Prozess am Landesgericht Wiener Neustadt hat die Antwort darauf gebracht, weshalb der 56-jährige angeklagte Polizist derart übereifrig seinen Organmandatsblock zückte.
Bußgeld in eigene Tasche
Er hat laut Staatsanwaltschaft von August 2020 bis April 2023 bei der Einhebung von Geldstrafen die Durchschläge manipuliert und auf diese Art und Weise einen Teil der Bußgelder in seine eigene Tasche gewirtschaftet.
Am Donnerstag waren in Wiener Neustadt wieder zig Personen geladen, die von dem Beamten irgendwann einen Strafzettel kassiert hatten. Es handelt sich um so viele Zeugen, dass am Landesgericht eine eigene Registrierungsstelle eingerichtet wurde, bevor die Betroffenen wie am Fließband in den Zeugenstand gerufen wurden.
Hohe Dunkelziffer
Insgesamt drehte es sich um 484 Fälle, in denen die Ermittler des Bundesamtes zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung, kurz BAK, dem Beamten noch diverse Manipulationen nachweisen konnten. "Die Dunkelziffer ist aber weit höher“, war im Prozess zu erfahren.
Die Erhebungen waren im Juni 2023 durch den Hinweis eines Kollegen ins Rollen gekommen. Der 56-Jährige war die vergangenen Jahre dafür bekannt, quasi im Alleingang in seinem Rayon Temposünder zur Strecke zu bringen. Auch am Donnerstag marschierten wieder unzählige Zeugen auf, die im Grunde alle dasselbe erzählten. Sie wurden von dem Beamten wegen Schnellfahrens angehalten und zu einer Strafe von 50 bis 100 Euro verdonnert.
Nur 20 Euro abgeführt
Den Durchdruck am Block der Organmandate soll er mit einem Karton oder ähnlichem verhindert und am Durchschlag dann eine geringere Summe, meist 20 Euro, eingesetzt haben.
Die Differenz, so die Staatsanwaltschaft, diente demnach als "kleiner Nebenverdienst“. Im Zuge der aufwendigen Ermittlungen wurden abgestrafte Verkehrsteilnehmer ausgeforscht, die den Strafzettel aufgehoben hatten oder sich noch an die Höhe des Bußgeldes erinnern konnten. Dann wurden diese Daten mit den archivierten Durchschlägen verglichen.
"Es sind Fehler passiert"
Der beschuldigte Polizist gab Fehler zu, beteuerte allerdings das Geld nicht eingesteckt zu haben. Der Verteidiger meinte über seinen Mandanten: "Im Umgang mit Organstrafmandaten sind ihm Fehler passiert.“ Der Angeklagte habe "30 Jahre Spitzenpolizeidienst versehen“, dann aber ein "schweres Burn-out“ bekommen.
"Ich habe nicht eingesehen, dass ich krank bin“, meinte der Beschuldigte zu seiner Verteidigung. Vorgeworfen wurde ihm außerdem, Dokumente wie Führerscheine oder gefälschte Kennzeichen nicht ausgefolgt oder an die zuständige Stelle weitergeleitet zu haben. Stattdessen fanden sich die Unterlagen und Nummerntafeln in einem Spind.
Sein früherer Vorgesetzter bezeichnete den 56-Jährigen als "einen der tüchtigsten Verkehrspolizisten, den sich die Republik wünschen kann“. Der Beschuldigte habe "gut 70 Prozent der Organmandate vom ganzen Bezirk Wiener Neustadt“ ausgestellt, so der Zeuge.
Überforderungssyndrom attestiert
Was die Psyche und eine mögliche Erkrankung des Polizeibeamten anbelangt, wurde der renommierte Gerichtspsychiater Manfred Walzl mit einem Sachverständigengutachten beauftragt.
Dieser kam zu dem Schluss, dass beim Angeklagten ein Überforderungssyndrom vorliege. Dies könne die Zurechnungsfähigkeit gering einschränken. Eine schwerwiegende bzw. nachhaltige Persönlichkeitsstörung bzw. ein Burn-out sah der Sachverständige aber nicht.
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