Niederösterreich greift nach den Sternen

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NÖ-Delegation besuchte Europäisches Weltraumzentrum in den Niederlanden. Heimisches Know-how und Forschung sind gefragt.

Envisat war ein wahrer Koloss, 2,3 Milliarden Euro teuer, acht Tonnen schwer und "so groß wie ein Bus“, erklärt Alf Schneider.  Im März 2002 machte sich Envisat auf die große Reise, kurz nach seinem zehnten "Geburtstag“ im April 2012 brach der Kontakt zu ihm ab, seitdem schwebt er durchs All. 

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Alf Schneider (M.) präsentiert ein 1:10-Modell von Satellit Envisat

Bestaunen kann man ihn trotzdem noch – in Form eines Modells im Maßstab 1:10 im ESTEC, dem Europäischen Weltraumforschungs- und Technologiezentrum in Noordwijk in den Niederlanden. Hier werden in riesigen Hallen Satelliten auf Herz und Nieren getestet, bevor sie ihren Weg ins Weltall antreten. Man simuliert die enormen Vibrationen, die beim Start auftreten und testet die Materialien auf Hitze und Kälte, denn im All herrscht eine Temperatur von minus 270 Grad, bei voller Sonnenbestrahlung müssen Satelliten aber auch plus 100 Grad aushalten. Teilweise wochenlang werden Komponenten oder ganze Satelliten auf ihren großen Auftritt vorbereitet, maximal fünf Meter große Teile passen in die Testkammer, erklärt Alf Schneider, Sektionsleiter im Testzentrum. 

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Oft monatelang werden Satelliten getestet, um sie auf die Reise ins All vorzubereiten.

Interessierte Besucher kamen  Anfang dieser Woche aus Niederösterreich. Eine Delegation mit Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf an der Spitze war auf Visite im Herzen der europäischen Raumfahrt und Forschung, der ESA (Europäische Weltraumorganisation) und traf dort ESA-Generaldirektor Josef Aschbacher, um die Zusammenarbeit zwischen Niederösterreich und der Weltraumorganisation, die heuer auch ihr 50-jähriges Bestehen feiert, zu vertiefen und in Form von neuen Verträgen zu intensivieren.

Klein, aber wichtig

"Man wird sich vielleicht fragen, was das kleine Niederösterreich im Weltraum will. Aber dank starker Investitionen in den letzten Jahren hat sich Niederösterreich als treibende Kraft im Bereich der Raumfahrttechnologie etabliert“, betonte Pernkopf.

"Mittlerweile fliegt bei unzähligen Raumfahrt-Missionen modernes Know-how aus Niederösterreich mit“, so Pernkopf.  Mehr als 8,7 Millionen Euro hat das Land NÖ in den vergangenen zehn Jahren in Weltraumforschung und -ausbildung investiert. Und diesen Weg will man weiter beschreiten. 

Trifftige Gründe

Pernkopf nannte drei Gründe, warum es sich bezahlt macht, in dieses Wissenschaftsfeld zu investieren: "Es ist gut für die Menschen, weil wir täglich Anwendungen nutzen, die ursprünglich in der Raumfahrt entwickelt wurden, von Navigationsgeräten bis zu kabellosen Kopfhörern, von Wasserstoff-Antrieb bis zu Photovoltaiktechnologie. Es ist gut für die Wirtschaft, weil viel Wertschöpfung und hochwertige Arbeitsplätze entstehen, mit Wachstumsraten von bis zu zehn Prozent. Und es ist drittens essenziell für die Sicherheit. Wir dürfen solch sensible Techniken nicht nur China, Russland oder den USA überlassen, sondern müssen sie selbst in Europa erforschen und beherrschen.“

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FOTEC-Geschäftsführer Helmut Loibl, ESA-Chef Josef Aschbacher und LH-Vize Stephan Pernkopf bekräftigten die Zusammenarbeit.

Als Hot-Spot der Weltraumforschung  in NÖ hat sich besonders Wiener Neustadt  hervorgetan. In der Region sind circa 20 Unternehmen mit rund 1.500 Arbeitsplätzen in den Bereichen Weltraumforschung sowie Luft- und Raumfahrttechnik tätig. Eine zentrale Rolle spielt die Fachhochschule Wiener Neustadt, wo seit 2012 der Masterstudiengang Aerospace Engineering angeboten wir. 2017 wurde der von Studierenden entwickelte Kleinsatellit Pegasus ins Orbit geschossen. Pegasus verglühte 2024, doch ein neues Projekt steht bereits bevor. 

Das Forschungsunternehmen der FH nennt sich FOTEC. In der Entwicklung kleiner Satelliten hat man eine Nische gefunden und ist darin sehr erfolgreich. "Das ist unsere Spezialität, wofür uns die ESA auch schätzt“, sagte FOTEC-Geschäftsführer Geschäftsführer Helmut Loibl.  Über zwölf  Millionen Euro an Entwicklungsaufträgen hat die ESA in den letzten Jahren an das Forschungsunternehmen vergeben. Nun ging man den nächsten Schritt. 

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2017 schickte die FH Wiener Neustadt Pegasus ins All

In den Niederlanden wurden nun mit Unterzeichnung entsprechender Verträge die rechtlichen Rahmenbedingungen des neuen ESA-Labs in Wiener Neustadt – dem ersten in Österreich – geklärt. Ziel ist die Entwicklung und Anwendung von Nano- und Mikrosatelliten und den dazugehörigen Antriebssystemen sowie die Charakterisierung und das Testen von Raumfahrt-Hardware für die ESA. "Die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen ESA, FOTEC und dem Land NÖ ist ein herausragendes Beispiel für interdisziplinäre Kooperation. Dank der laufenden Projektbegleitung durch die Experten der ESA, der großartigen Projektarbeit unseres Teams sowie der finanziellen Unterstützung des Landes NÖ sind wir auf einem guten Weg, bedeutende Fortschritte in unserem Projekt zu erzielen“, so Helmut Loibl. Und Stephan Pernkopf unterzeichnete eine Vereinbarung darüber, dass das Land Niederösterreich offiziell Mitglied des Beirats des ESA-Labs wird.

"Space-Power“ attestierte ESA-Generaldirektor Josef Aschbacher Österreich. "Ich wünschte, jede Zusammenarbeit wäre so wie mit Österreich“, streute er den Besuchern Rosen. Und in den unendlichen Weiten gibt es noch viel zu erforschen. "Angesichts des rasant wachsenden Weltraumsektors gibt es noch enormes Wachstumspotenzial. Gemeinsam definieren wir die Zukunft der Raumfahrt und des Weltraums.“

 

 

 

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