Mietaffäre in Wr. Neustadt: Schuldspruch für Ex-SPÖ-Bundesrätin

Ingrid Winkler, Martin Weber und Gerald S.
Für Richterin war Entscheidung "unbefriedigend". Dass amtierender SPÖ-Stadtrat mit Diversion davonkam, sei "unglücklich".

Die Richterin entschuldigte sich fast für die, wie sie meinte, „unbefriedigende“ Schuldaufteilung. Mit einer Verurteilung zu einer zehnmonatigen bedingten Haftstrafe für Ex-SPÖ-Bundesrätin Ingrid Winkler endete am Freitag die bereits dritte Auflage des Betrugsprozesses um falsche Abrechnungen hunderter Gemeindewohnungen in Wiener Neustadt.

Der frühere Geschäftsführer und Spitzenbeamte der Stadt Wiener Neustadt, Gerald S., wurde freigesprochen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Dass mit dem amtierenden SPÖ-Verkehrsstadtrat Martin Weber der eigentliche Kopf der Mietabrechnungen von Beginn an mit einer Diversion davonkam, war für die Richterin ziemlich unglücklich. „Ich kann es aber nicht mehr ändern“, so die Vorsitzende.

Die dritte Auflage des Prozesses war notwendig, weil sich das Justizministerium einmischte und der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt die Weisung erteilte, die Diversionsentscheidung von Winkler und Gerald S. zu beeinspruchen. Das Oberlandesgericht Wien traf daraufhin die Entscheidung, dass aus generalpräventiven Gründen keine Diversion möglich ist. Also mussten die beiden am Freitag erneut auf die Anklagebank.

Und dabei ergab sich durch Zeugenbefragungen und E-Mail-Protokolle folgendes Bild: Über Jahre hinweg wurden bei der stadteigenen Immobilientochter IFP hunderten Mietern falsche Abrechnungen für die Wohnbau-Förderstelle des Landes und das Finanzamt ausgestellt. Der Schaden für das Land beträgt zirka 200.000 Euro.

Als der Fehler 2014 erkannt wurde, wollte der damalige SPÖ-Finanzstadtrat Martin Weber kein großes Aufsehen darum machen. Bei einem Treffen mit der IFP-Angestellten Ingrid Winkler kam man überein, weiterhin die falschen Listen zu verwenden. Ein Aktenvermerk trägt die Unterschrift aller drei Beteiligten.

Erinnerungslücken

„Ich kannte mich nicht aus und habe mich an Martin Weber gewandt. Er hatte das Vorwissen und wollte, dass wir sogar rückwirkend die entsprechenden Spalten in den Listen löschen“, so Winkler. Auch für die Richterin war Weber der Mann, der in der Causa den Ton angab. Weil er allerdings schon im ersten Prozess mit einer Diversion davon kam, konnte er am Freitag nur als Zeuge vernommen werden. Viel war dabei allerdings nicht zu erfahren, zu groß waren bereits seine Erinnerungslücken.

Weil der damalige IFP-Chef Gerald S. inhaltlich nichts mit dem Fall zu tun hatte und „nur“ seine Unterschrift unter den Aktenvermerk setzte, ohne die Hintergründe zu kennen, wurde er freigesprochen. „Sie waren allerdings für einen Freispruch zu stark in die Sache involviert“, begründete die Richterin die bedingte Haftstrafe von Ex-SPÖ-Bundesrätin Ingrid Winkler.

Schadenersatz

Das Land Niederösterreich hat von allen Beteiligten insgesamt bereits 60.000 Euro an Schadenswiedergutmachung erhalten. Derzeit wird noch überlegt, die restliche Schadenssumme auf dem Zivilrechtsweg von den Verantwortlichen einzuklagen.

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