Manege frei: Circus Pikard tourt seit mehr als 35 Jahren durchs Land
Viele der Artistinnen und Artisten sind bereits im Zirkus groß geworden.
Von Laura Ramoser
Zwischen Wiesen, Wohnhäusern und einer Werft liegt ein auffälliges Zelt, rundherum sammeln sich Wohnwägen – der Circus Pikard ist wieder in Niederösterreich unterwegs.
Die Vorbereitungen laufen: Im Zelt werden Requisiten für die Luftakrobatik aufgehängt, der Boden gekehrt und nebenbei geplaudert. Mittendrin ist der Direktor Alexander Schneller. Er trägt Lederjacke und Sporthose, die Haare sind bereits zurückgegelt. Sein Auftreten erinnert in gewisser Weise schon an einen Zirkusdirektor.
Familiendynastie
Als jüngstes von vier Kindern wurde Alexander Schneller in eine echte Zirkusfamilie geboren. Die Leidenschaft für den Zirkus wurde ihm vererbt: "Es war mir immer klar, dass ich der Chef oder der Direktor sein werde.“
Bereits die Urgroßeltern und Großeltern verdienten ihr Geld als Künstler, Komödianten und Kunstreiter. Nach der Großmutter Olympia Picard wurde der Zirkus übrigens auch benannt. Sein Vater Ernö Schneller war professioneller Jongleur in Ungarn. Nach Niederösterreich brachte ihn schließlich die zirkusbegeisterte Elisabeth. Das Paar trat an verschiedenen Orten Europas auf und bekam vier Kinder
Seit 2019 ist Alexander Schneller offiziell Zirkusdirektor.
Artisten aus acht Nationen
Zwei Jahre nach Alexander Schnellers Geburt wurde der Circus Pikard 1989 von den Eltern gegründet. In den 1990-er Jahren sei die ganze Familie aus Pulkau (Hollabrunn) zusammen herumgereist und aufgetreten. "Damals war es noch ein kleinerer Zirkus", erzählt er.
Heuer begleiten bereits 15 Artistinnen und Artisten aus 8 Nationen den Zirkus auf seiner Tournee – darunter die Nichte und Cousine des Direktors. "Auch die direkte Verwandtschaft – Mama und Schwestern – spielt nach wie vor eine wichtige Rolle. Aber mehr im Hintergrund“, erzählt Schneller.
Ob blutsverwandt oder nicht, "beim Zirkus muss man sowieso wie eine Familie agieren“, stellt er fest und beschreibt den Zirkus als facettenreiches Geschäft. "Da ist auch mal der Clown, der eine Glühbirne austauscht, oder die Artistin, die Popcorn verkauft. Da hilft einfach jeder, wo er kann“.
Im aktuellen Programm treten auch Ziegen und Hunde auf.
Das halbe Leben im Wohnwagen
Nicht nur die Arbeit teilt man hier miteinander. "Man lebt auch an einem Platz, die Wohnwägen stehen nebeneinander“. Auf die Frage, wie viel Zeit des Jahres im Wohnwagen gelebt wird, lacht der Direktor: "Mehr als das halbe Leben“.
Seine bunt gemischte "Zirkusfamilie“ habe unterschiedlich zum Zirkus gefunden: "Da sind Menschen, die im Zirkus aufgewachsen sind – genauso wie ich. Da sind aber auch Menschen dabei, die Quereinsteiger sind – vom Sport, vom Tanz kommen – und dann die Manege für sich entdecken.“
Auch einige Veränderungen habe der Zirkus durchlebt: Musik und Kostüme seien moderner, das Publikum immer jünger, die Nummern kürzer. "Früher war die Solonummer einer Artistin bis zu zehn Minuten lang, heute sind es drei bis vier Minuten. Es ist wie das TikTok Video, es wird weitergescrollt. Die Aufmerksamkeitsspanne ist geringer geworden“, meint Schneller.
Atemberaubende Kunststücke in der Manege
Fast keine Tiere mehr
Die größte Veränderung betreffe die Tiere. Früher erwartete das Publikum eine große Tierschau. Einen Wandel habe er in den 2000ern bemerkt: "Es ist jetzt eher so, dass die Besucher gar keine Tiere sehen möchten – die differenzieren ganz klar einen Zoo und den Circus Pikard.“
Das Wichtigste sei sowieso die Freude des Publikums: "Man macht Zirkus, um anderen und sich selbst eine schöne Zeit zu bereiten.“ Mit dem heurigen Programm "Was das Herz begehrt“ will der Circus Pikard vor allem das erreichen. Die letzte Möglichkeit, dieses zu erleben, ist in Strasshof an der Nordbahn (Bezirk Gänserndorf).
Nach Ende der Tournee gibt es zusätzlich den alljährlichen "Winterzirkus“ in Korneuburg. Weitere Infos und Tickets unter circus-pikard.at
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