Eine wilde Geschichte aus den Leiser Bergen

Zusammenfassung
- Seit Jahresanfang helfen Pferde, Kühe, Esel und Schafe im Naturpark Leiser Berge, wertvolle Trockenrasen zu schaffen.
- Das Projekt 'Wilde Weiden' nutzt seltene Rassen zur Wiederherstellung natürlicher Kreisläufe und zur Förderung der Artenvielfalt.
- Wissenschaftliche Begleitung zeigt bereits positive Effekte auf die Biodiversität, und Pläne zur Erweiterung des Projekts sind im Gange.
Langsam rollt das Auto an der Koppel vorbei. Die Insassen bewundern die vier kleinen Pferde, die auf einer Wiese hinter dem Zaun grasen. „Viele sprechen uns auf die Tiere an“, erzählt Alexander Ernst, der die neugierigen Blicke schon kennt. Denn dass mitten im Naturpark Leiser Berge Tiere weiden, ist kein gewohnter Anblick. Oder er war es zumindest schon lange nicht mehr; denn für die Landwirte der Region spielt Nutztierhaltung kaum mehr eine Rolle.
Was einst ganz anders war; früher hatte so gut wie jeder landwirtschaftliche Betrieb Kühe, Schafe oder Pferde. Und das hat auch die Natur geprägt. „In den 60er-Jahren gab es kaum Wald am Buschberg“, schildert Ernst. Nur schwer vorstellbar, ist die Anhöhe heute doch von hohen Bäumen und Büschen überzogen. Diese konnten jedoch nur wachsen, weil die Tiere zunehmend verschwanden – Maschinen übernahmen ihre Aufgaben, und die Bauern verlegten sich auf den Ackerbau.

Alexander Ernst bei den Konikpferden
Dornröschenschlaf
Die Konsequenz: Die einst weit verbreiteten Trockenwiesen finden sich in der Region kaum noch. „Viele glauben, dass Wälder wertvoller für die Natur sind. Doch das stimmt nicht; ein Trockenrasen speichert mehr CO2 als jeder Wirtschaftswald“, macht Ernst, seines Zeichens Geschäftsführer des Naturparks, bewusst. Weshalb er und sein Team mit dem Projekt „Wilde Weiden“ versuchen, wieder Wiesenflächen in der Region zu schaffen.
Ihre wichtigsten Helfer sind dabei die Pferde, Rinder, Schafe und Esel, die beispielsweise am Steinbruch zwischen Ernstbrunn und Klement grasen. Sie sollen die verschwundenen Lebensräume „aus dem Dornröschenschlaf wecken“, wie Ernst sagt. Dabei wurde auf seltene Rassen gesetzt: Die vier Konikpferde stammen aus Marchegg, außerdem sind 49 Böhmische Waldschafe und acht Tux-Zillertaler Rinder mit von der Partie. Und auch drei Hausesel zählen zum Tierbestand.
„Derzeit umfasst das Projekt 85 Hektar“, sagt Ernst. Zuvor hatte er das „Rewilding“ privat vorangetrieben; vergangenes Jahr grasten seine Schafe auf 15 Hektar. Doch die Betreuung der Tiere macht viel Arbeit. Aktuell kümmern sich zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um die Herden, für jede davon muss man 20 Wochenstunden berechnen. „Das können sich Landwirte schlichtweg nicht leisten“, weiß Ernst. Hinzu kommt, dass der Naturpark ein großes Gebiet umfasst. Dieses erstreckt sich vom Waschberg im Bezirk Korneuburg bis Falkenstein im Bezirk Mistelbach.

Die Schafe leisten ganze Arbeit.
Warum es sich dennoch lohnt, sich diesen Aufwand anzutun? „Es geht darum, wieder natürliche Kreisläufe zu schaffen“, erklärt der Weinviertler. Die Pferde, Rinder und Esel verhindern, dass die Wiesenflächen zuwuchern. Dadurch haben auch Wildtiere wieder mehr Lebensraum. Die Schafe hingegen arbeiten sich völlig selbstständig durch die Strauchschicht, wie beispielsweise am Oberleiser Berg. So trifft wieder Licht auf die Bodenflächen, neue Pflanzen gehen auf und locken Bestäuber an. Und sogar der Dung der Tiere ist wertvoll; darin tummeln sich nämlich Tierchen wie Dungkäfer, die nahrhaftes Futter für Vögel darstellen.
Dass die Maßnahmen schon jetzt greifen, nur wenige Monate nach dem Start des Projektes, ist nicht nur ein subjektiver Eindruck der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Wir begleiten die ’Wilden Weiden’ auch wissenschaftlich“, so Ernst. Es wurden spezielle Audiogeräte angebracht, die von Vogelstimmen bis hin zu Fledermausrufen alles aufzeichnen. „Wir können so zeigen, wie sich der Lebensraum verändert, wenn er beweidet wird. Gibt es mehr Arten? Werden die bestehenden Arten mehr?“, gibt Ernst Beispiele. Außerdem wird die Insektenvielfalt untersucht, die Universität Graz hat Bodenproben gezogen und auch Pflanzenzählungen finden statt. „Die Große Kuhschelle und die Schwarze Kuhschelle haben durch die Beweidung stark zugenommen“, freut sich der Naturpark-Leiter.
Für ihn sind die Tiere „genauso Mitarbeiter“ des Naturparks wie die Zweibeiner, die sie versorgen. Und Ernst hofft, bald noch mehr Zuwachs in seiner Belegschaft zu erhalten. „Wir wollen Wasserbüffel einsetzen, um die Feuchtwiesen zu erhalten“, kündigt er an.
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