Ein Festival, das schlummernde Bedürfnisse weckt

Ein Festival, das schlummernde Bedürfnisse weckt
Albert Hosp, künstlerischer Leiter von „Glatt&Verkehrt“ in Krems, spricht im Interview über das Programm und ein treues Publikum.

Eine Atmosphäre für hoch konzentriertes Zuhören und Musikmachen. Die habe man mit dem Festival „Glatt&Verkehrt“ geschaffen, sagt der künstlerische Leiter Albert Hosp im Gespräch mit dem KURIER. Und wirklich: Im Hof der Winzergenossenschaft Krems, einer der Veranstaltungslocations der Konzertreihe, entsteht seit über zwanzig Jahren eine ganz besondere Stimmung.

18 Konzerte mit Künstlerinnen und Künstlern aus 15 Ländern spielen heuer von 14. bis 30. Juli an verschiedenen Orten in Krems und der Wachau. Anders als bei anderen Festivals haben die Acts mehr Zeit für ihren Auftritt – 80 Minuten. „Bei uns sollen die Menschen Zeit haben, ihre Musik auf der Bühne zu entwickeln“, erklärt Hosp.

1997 war eine ganz andere Zeit. Viele Musikstile waren bei uns noch nicht so bekannt.

Gestartet hat er das Festival mit dem bereits verstorbenen Jo Aichinger in den 90er-Jahren. Schon lange davor beschäftigte sich Hosp als Musikjournalist des Radiosenders Ö1 mit eben jener Musik, die es nun bei „Glatt&Verkehrt“ zu hören gibt.

Musik aus aller Welt präsentieren

„1997 war eine ganz andere Zeit. Es waren viele Musikstile bei uns noch nicht so bekannt und auch nicht im Veranstaltungsgeschäft verankert.“ Hosp wollte Musik aus aller Welt präsentieren, die über Pop hinausgeht. „Deshalb war die Zeit eine gute, um mit einem Festival dieses schlummernde Bedürfnis zu wecken.“

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Offenbar eines der Bedürfnisse des Publikums: Neues entdecken. Oder wie Hosp es nennt: Er möchte Abenteuer ermöglichen. Und er will jene Menschen erreichen, „die noch gar nicht wissen, dass wir das sind, was sie sich immer gewünscht haben“, sagt er mit einem Augenzwinkern.

Mit offenen Ohren

Um das zu bewerkstelligen, hat er immer offene Ohren für neue mögliche Acts. Neben Konzerten besucht der Wiener zweimal im Jahr Musikkonferenzen, wo er wieder wichtige Eindrücke mitnimmt. Wenn er dann spannende Musikprojekte hört, schreibt er sich diese sofort auf. „Ich gehe überhaupt mit einem Notizbuch durch das Leben“, verrät er.

Typisch für das Kremser Festival, das eng in Kooperation mit Ö1 veranstaltet wird, ist, dass extra dafür Formationen gebildet werden. So treten die Künstlerinnen Hannah James, Lylit & Désirée Saarela erstmals gemeinsam miteinander auf.

 

Ein Festival, das schlummernde Bedürfnisse weckt

Auch zwei Duos treffen auf der Bühne aufeinander, die sonst eigentlich nichts miteinander zu tun haben. Sokratis Sinopoulos, aufgewachsen in Athen, und Derya Türkan aus Istanbul sprechen mit ihren Tönen zum Publikum. Mit ihnen auftreten werden die ukrainischen Künstlerinnen des Ensembles Kurbasy, die Sängerinnen und Percussionistinnen Nataliia Rybka-Parkhomenko und Mariia Oneshchak. Die Männer der Gruppe dürfen wegen des Krieges in der Ukraine von dort derzeit nicht ausreisen.

Wir haben so eine fantastische Festivalgeschichte und so ein treues, neugieriges Publikum.

So sei das Festival immer auch politisch, sagt Hosp, denn die Künstler kommen eben auch immer mit einem gewissen Background. „Musik hat sicher die größte Fähigkeit, ein Aufeinanderzugehen zu ermöglichen“, ist er sicher.

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Ausbildung
Albert Hosp wurde 1964 in Wien geboren. Er studierte fünf Jahre Blockflöte, zehn Jahre Violine, sechs Jahre Musik- und Theaterwissenschaft, zwei Jahre Jazztheorie sowie drei Jahre Gesang –  und schloss keines dieser Studien ab.

Beruf
Für seine Radio-sendungen wurde  Hosp mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit einer lobenden Anerkennung beim Andreas-Reischek-Preis 1993, zweimal mit dem Radiopreis der Erwachsenenbildung sowie 2016 mit einem 4. Platz Bewerb „New York Festivals – Best Radio Programs in the World“.

Privates
Hosp hat vier Kinder und lebt mit seiner Familie in Wien.

Nach über zwanzig Jahren Festivalorganisation mit allen Höhen und Tiefen könnte man denken, dass Hosp den diesjährigen Konzerten ganz gelassen entgegenblickt. Aber ganz im Gegenteil: „Ich bin ungeheuer nervös. Wenn die erste Band auf die Bühne geht, dann kann ich nicht anders und schaue nicht auf die Bühne, sondern ins Publikum. Ich will wissen, ob die Musik so ankommt, wie sie bei mir in der Vorbereitung angekommen ist.“

Festivalgeschichte

Grund dafür hat er aber keinen, denn die positiven Rückmeldungen seien jedes Jahr überwältigend. „Wir haben so eine fantastische Festivalgeschichte und so ein treues, neugieriges Publikum.“ Man gehe immer ein Risiko ein, weil er vor dem Festival gar nicht erklären kann, was da zu hören ist. „Wir versuchen viel und trauen uns jedes Jahr neue Dinge.“

Ein Festival, das schlummernde Bedürfnisse weckt

Die Art des Festivals hat Jo Aichinger als langjähriger Leiter besonders geprägt. Es war klar, dass Hosp diesen Weg weitergehen würde, als er die Funktion 2018 übernahm. Man habe sich aber zusätzliche Vermittlungsformate überlegt. Etwa die einwöchige Musikwerkstatt im Stift Göttweig, wo sich Menschen unterschiedlichsten Alters mit Musik aus aller Welt beschäftigen, unabhängig von ihrer Spielfähigkeit. Im Wirtshaus Salzstadl verbindet man heuer Musik mit Kulinarik, während der Mittagszeit musizieren Jugendgruppen. Und dann gibt es noch die Einführungsgespräche vor den Konzerten bei den „Winzer Krems“, denn bei manchen Acts braucht es eben Hintergrundinfos.

Tickets und Infos für die Konzerte gibt es unter www.glattundverkehrt.at

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