"Teenager werden Mütter"-Star: "Ihr seid nicht alleine – holt euch Hilfe"

Kerstin Opiela
Die breite Öffentlichkeit kennt sie aus der Serie "Teenager werden Mütter". Nun veröffentlichte Kerstin Opiela ein Buch über ihr Leben – das von Gewalt, Behördenversagen, aber auch Hoffnung erzählt.

Hinweis: In diesem Text werden gewaltvolle Szenen bzw. Missbrauch beschrieben.

In der ATV-Serie "Teenager werden Mütter" zeigte Kerstin Opiela viele Jahre lang intime Einblicke in ihr Leben – die Geburten ihrer Kinder, ihre Beziehungen und auch Trennungen. Nach zehn Staffeln gab "die Kerstin" 2024 überraschend ihren Ausstieg aus dem Format bekannt. Sie brauchte die Zeit nicht zuletzt, um sich auf ein neues Projekt zu konzentrieren: 

In ihrem im November erschienenen Buch "Kerstin unscripted" (Haymon Verlag) gibt sie abermals ihr Leben preis. Doch diesmal erzählt sie eine andere Geschichte, abseits von TV-Kameras und Quoten-Dramen. Sie berichtet ehrlich und schonungslos von einer von Gewalt und Vernachlässigung geprägten Kindheit, von Missbrauch, Obdachlosigkeit und Geburtentrauma als junge Frau, die zu früh erwachsen werden musste – und dabei immer wieder durch die Bruchstellen im System eines vermeintlichen Sozialstaats fiel.

Kerstin unscripted Buchcover

"Kerstin unscripted" - 224 Seiten, erschienen am 3. November bei Haymon.

"So vielen Frauen und Kindern passiert das Gleiche wie mir"

"Es passiert einfach so viel Gewalt gegen Frauen und Kinder meist zuhause, in den eigenen vier Wänden, durch die Eltern oder den Partner. Auch mir ist das widerfahren, als Kind und später in Beziehungen. Man darf nicht wegsehen. Mit dem Buch wollte ich meine Erfahrungen teilen, um anderen zu helfen," beschreibt Kerstin im Gespräch mit dem KURIER ihre Beweggründe.

Niedergeschrieben hat sie ihre Geschichte gemeinsam mit der Journalistin Judith Leopold, die dafür stapelweise Akten und ärztliche Protokolle aus Kerstins Leben zusammentrug und auch Expertinnen dazu zu Wort kommen ließ. Die Dokumente belegen, was Kerstin als Kind widerfuhr: Als kleines Mädchen wurde sie mehrfach misshandelt ("Mein Erzeuger war das Schlimmste, was man sich vorstellen kann!"), schließlich auch in Kinderheime abgeschoben, wo sie ebenfalls Gewalt und Schikane erfuhr – unter anderem in der Einrichtung im niederösterreichischen Pitten, die 2012 nach einem Missbrauchsskandal geschlossen wurde.

"Ich wusste nicht, dass ich eine Anzeige hätte machen können"

Das Versagen von Behörden, die sie als Kind eigentlich hätten schützen sollen, zieht sich auch später durch Kerstins Leben. Sie rutscht mit 18 in die Obdachlosigkeit, erfährt in Beziehungen zu Männern immer wieder gewaltvolle Momente, sei auch Opfer einer Vergewaltigung auf einer Party geworden. "Die Typen wurden nie verurteilt, ihre Aussage stand gegen meine, drei gegen eine. Die Polizei hat mir nicht geglaubt. Auch wenn ich weiß, dass sie mir etwas ins Getränk gemischt haben und ich am nächsten Tag ohne Erinnerung neben ihnen aufgewacht bin. Einer von ihnen hat sich dann schnell die Hose wieder angezogen und gemeint, er müsste jetzt heim zu seiner Familie."

Mit 19 Jahren bekommt sie ihr erstes Kind die Geburt beschreibt sie als sehr traumatisch, geprägt von einem so grenzüberschreitenden Verhalten des medizinischen Personals, dass sie während der Entbindung sogar Herzstillstände erleidet. "Der Arzt hat mir einfach die Fruchtblase aufgestochen, ohne Vorwarnung. Und als es dann hieß 'Not-OP' habe ich trotz Kreuzstich noch immer gespürt, wie sie mir beim Bauch die Hautschicht aufschneiden. Ich habe geweint und geschrien, aber sie haben weitergemacht bis plötzlich der Herzstillstand kam."

Sie und ihr erster Sohn überleben, doch das Trauma wirkt noch viele Jahre bei Kerstin nach. "Ich erzähle davon in meinem Buch, weil mir damals niemand gesagt hat, dass ich eine Anzeige wegen Körperverletzung hätte machen können. "

Kerstin Opiela: "Hatte Angst um mich und meine Kinder"

Später geht es mit der Gewalt weiter. Auch, als Kerstin bereits für "Teenager werden Mütter" vor der Kamera steht. "Die Dreharbeiten haben mir Spaß gemacht. Durch die Sendung hatte ich zum ersten Mal in meinem Leben das Gefühl, wirklich gesehen und gehört zu werden."

Die Beziehung zu ihrem damaligen Partner und Vater ihres zweiten und dritten Kindes wird zum Quotenbringer für das Format sie bringen genau das richtige Übermaß an "Dramafaktor", zum Gaudium der Trash-Fans. In ihrem Buch nennt Kerstin nie seinen Namen, aus rechtlichen Gründen. "Vor der Kamera hat er den lieben Freund und Papa gespielt. Aber dahinter war er ein A*loch. Ich habe mich sehr vor ihm gefürchtet und mich lange nicht getraut, mich zu trennen. Ich hatte auch Angst um meine Kinder, sie sind dann zu Pflegeeltern gekommen." Erst nach einer besonders gewaltvollen Eskalation sei ihr damaliger Partner schließlich für ein Jahr in Haft gelandet. "Es ist nicht das erste und letzte Mal, dass er im Gefängnis sitzt", beschreibt es Kerstin in ihrem Buch. 

Auch das Sendungsformat sieht sie heute kritisch, vieles sei ihrer Meinung nach verharmlost worden, der Aufschrei ausgeblieben. "Nicht nur einmal ist eine alte Aufnahme zu sehen, in der mein Ex gezeigt wird, wie er mir mit seiner Hand auf meine Stirn haut. Immer und immer wieder ist diese Szene zu sehen als Einspieler, wird in Schwarz-Weiß gezeigt wie ein Running Gag. Derselbe Ex, von dem eine weitere seiner Ex-Freundinnen in der Folge sagt, dass ihr Kiefer ganz blau gewesen sei nach Schlägen von ihm."

"Es gibt immer einen Ausweg holt euch Hilfe!"

Heute ist Kerstin Opiela glücklich verheiratet und Mutter von vier Kindern. Sie hat ihren Weg aus der Gewaltspirale gefunden, nach vielen Tiefen kamen auch Höhen für sie. Die Vergangenheit will sie nun möglichst hinter sich lassen. Ihr Buch soll nicht nur dabei helfen, das Narrativ rund um ihre Person zurückzuerlangen, sondern auch anderen Betroffenen von Gewalt und Behördenversagen Hoffnung machen. "Schämt euch nicht für die Dinge, die man euch angetan hat. Wir alle haben Stärke in uns. Und wenn ihr etwas nicht alleine schafft, gibt es immer einen Ausweg – holt euch Hilfe!"

Info: Am 28. November lesen Kerstin Opiela und Judith Leopold in der Klosterbibliothek im Barnabitenkolleg in Mistelbach aus ihrem Buch. Beginn 19.00 Uhr, der Eintritt ist frei 

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