Die Stubentiger-Superliga

Bengalkater "Jupiter" mit Frauchen bei der "Haustier aktuell" 2014
Wenn Miezen ihre Haut zu Markte tragen und ihre Besitzer aufgeregter sind als sie selbst – dann ist Katzenausstellung.
Eine nackte Katze hinter einem Käfiggitter.

Nackt, wie Zucht sie schuf

"Ich will Katzen sehen, keine Ratzen", schnaubt eine junge Frau verächtlich und schiebt ihren Kinderwagen schnell weiter. Der Kommentar gilt Irina. "Tchernobyl-Katze" wird die fast haarlose Don Sphynx manchmal genannt, dabei gab es Nacktkatzen bereits im Alten Ägypten. Dass das fehlende Fell eine Folge des Reaktorunglücks von 1986 sei, ist jedenfalls eine Horrorgeschichte: Ur-Mutter Varvara, von der alle Exemplare dieser russischen Rasse abstammen, kam Monate vor dem Super-GAU zur Welt.

Eine Frau beurteilt eine nackte Katze auf einem Tisch während einer Katzenausstellung.

Achtung vor dem Sonnenbrand

Beim Streicheln ist man irritiert: Die samtig-lederne Haut fühlt sich für eine Katze seltsam unkuschelig an. Doch ob man sie nun schön findet oder nicht – auch in Irinas Brust schlägt ein kleines Katzenherz. Sie gebärde sich wie jede andere Katze auch, erzählt ihre Besitzerin Timea (im Bild rechts). Friert nicht, schmiegt sich dafür liebend gern an heiße Heizkörper. Frisst jedoch überdurchschnittlich viel, weil ohne Haarkleid der Energiebedarf steigt. Und braucht im Sommer Sonnencreme.

Eine Siamkatze wird von einer Person im Anzug gehalten.

"Haustier aktuell" in Wiener Neustadt

Vor mehr als 9.000 Jahren begann die Beziehung zwischen Homo sapiens sapiens und Felis silvestris catus. Die erste Cat Show fand 1881 in New York City statt, am vergangenen Wochenende wurde in Wiener Neustadt ausgestellt: Knapp 120 Katzenbesitzer mit mehr als 300 Samtpfoten haben sich eingefunden. Manche davon sind echte Schmuckstücke und werden offenkundig auch als solche betrachtet.

Auf einer Katzenausstellung ruhen Katzen in ihren Käfigen.

Putzig

Im Saal ist es ruhig. Es riecht keineswegs unangenehm, denn die Katzenhalter sind sorgfältig auf Sauberkeit bedacht. Ständig sieht man jemanden einen Käfig putzen oder gar desinfizieren. Perfekte Wettkampfbedingungen also. Ausrichter des Spektakels ist der ÖVEK, nach eigenen Angaben der größte heimische Katzenzüchterverband.

Eine orangefarbene Perserkatze wird von einer Person gehalten, während eine andere Person etwas notiert.

Voraussetzung für die Zucht

Theoretisch geht es lediglich um die Ehre, praktisch um einiges mehr: Nur eine Katze, die einmal auf einer Ausstellung mit dem Prädikat "Vorzüglich" ausgezeichnet wurde, darf für die Zucht verwendet werden. Schlechtere Noten gibt es allerdings bloß vereinzelt. Züchter müssen sich registrieren und bekommen von den Dachverbänden hohe Standards vorgeschrieben, technisch (bezüglich Untersuchungen, Pflege, Käfiggrößen usw.) wie ethisch: Die Katzen dürfen nicht zur Teilnahme an Messen gezwungen werden.

Eine Frau mit Brille gestikuliert vor einem Vorhang.

Tierärztliche Kontrolle

Es hätte sowieso keinen Sinn, die Tiere herzuschleppen, erklärt Mitorganisatorin Elisabeth Steinhauser, selbst Besitzerin von dreizehn längst dem Zuchtalter entwachsenen Katzen: "Das sind Individualisten auf leisen Pfoten. Wenn sie nicht wollen, geht gar nichts." Steinhauser betont, dass auf Ausstellungen laufend veterinärmedizinisch kontrolliert wird. Dabei ergreife man gezielt Maßnahmen gegen Qualzucht: Weiße Katzen etwa sind häufig taub, daher müssen sie einen Hörtest bestehen, um zugelassen zu werden.

Menschen entspannen sich und warten in einer Halle mit Tierkäfigen.

Freund & Feind

Weil ihre Schützlinge zur Erreichung bestimmter Titel Bewertungen aus dem Ausland brauchen, kommen viele Aussteller aus den Nachbarstaaten. Die Züchter sind ein fahrendes Volk, tingeln oft gemeinsam von Event zu Event und bestellen Käfigplätze nebeneinander. Wo Katzen ausgestellt werden, da menschelt es aber auch: Wesentlich häufiger als die Vierbeiner zeigen ehrgeizige Besitzer einander die Krallen.

Zwei Frauen halten jeweils eine Maine-Coon-Katze in den Armen.

Welche Katzen "in" sind

Die Konkurrenz kann sich sehen lassen. Derzeit im Trend: Halblanghaarkatzen, also Maine Coon & Co., die rund 70 Prozent des Teilnehmerfeldes stellen. Die Nenngebühr beträgt 30 Euro pro Tag und Tier, Hauskatzen zahlen die Hälfte und kämpfen in einer eigenen Kategorie um Schönheitspreise.

Eine Frau hält eine langhaarige Katze im Arm.

Kätzchen, streck dich!

Die Präsentation der Kandidaten beginnt bereits mit dem Gang zur Jury. Zum Beispiel werden Rassen, die eine gewisse Länge erreichen sollen, typischerweise gestreckt getragen. Die meisten sind keine Ausstellungsnovizen mehr und entsprechend routiniert. Gelegentlich scheinen sie sich ihrer Ausstrahlung richtiggehend bewusst zu sein und den Rummel zu genießen.

Ein Mann untersucht eine graue Katze auf einem Tisch während einer Katzenausstellung.

Gut 100 Katzenrassen

Der prüfende Blick der Juroren taxiert die Rassemerkmale: Proportionen, Form, Farbe bzw. Muster von Körper, Kopf, Ohren, Augen und Fell. Immer noch bringen Züchter neue Hauskatzenrassen hervor. Es gibt insgesamt mehr als 100 in den Klassen Kurzhaar, Halblanghaar und Langhaar. Zum Vergleich: Bei Hunden sind es etwa vier Mal so viele.

Ein Ingwerfarbenes Kätzchen wird von einer Person gehalten.

Aufregung bei den Menschen,...

Manche Besitzer sind derart aufgeregt, dass an ihrer Stelle Stewards die Katzen zum Richtertisch tragen und präsentieren. Bei größeren Beanstandungen der kleinen Lieblinge fließen mitunter sogar Tränen.

Eine Frau untersucht eine orangefarbene Katze auf einem Tisch, während eine andere Frau zusieht.

...Ruhe bei den Katzen

Kein Katzenjammer dagegen bei den Stubentigern. Unbeeindruckt lassen sie sich begutachten und die Sachverständigen an sich herumhantieren. Ernsthafte Gegenwehr ist dabei nicht zu beobachten.

Eine graue Katze spielt mit einem Spielzeug, das an einer Schnur hängt.

Und doch quicklebendig

Diese Mieze erinnert entfernt an das Internet-Phänomen Grumpy Cat. Während die Menschen über sie debattieren, wird sie spielerisch unterhalten. Aus der Lebendigkeit und dem Blick ziehen die Richter ihre Schlüsse. Spätestens hier flöge es auf, wenn jemand seine nervöse oder aggressive Katze unerlaubterweise ruhig gestellt hätte.

Eine Frau hält ein Bewertungsformular für eine Maine-Coon-Katze in die Kamera.

Das Urteil...

...der Jury ist streng aber gerecht...

Eine Ragdoll-Katze sitzt auf einem Tisch während einer Katzenausstellung.

...und manchmal...

...einfach nur zum Niederknieen.

Ein Stand der „Batcave Norwegische Waldkatzen“ mit Hinweisen auf erwartete und erfreute Katzenbabys.

Auf einer Messe geht's natürlich ums Geschäft

So eine Messe dient auch der Geschäftsanbahnung. Der Handel mit Kitten in der Halle ist verboten, um den Jungtieren Stress zu ersparen und Spontankäufe zu vermeiden. Werbung ist aber erlaubt: Der auf dem Foto etwas behäbig wirkende Peppone entpuppt sich als potenter Champion. Andere Aussteller wiederum kommen, um alles erdenkliche Zubehör, vom Spezialfutter bis zum naturbelassenen Kratzbaum, zu verkaufen. Nur Mittel gegen Katzenhaarallergien sucht man vergeblich – vermutlich spazieren hier aber auch nur selten Allergiker zur Tür herein.

Eine Frau hält eine große, rote Maine Coon Katze im Arm.

Ein paar Veranstaltungstipps

Falls Sie diesbezüglich unempfindlich und jetzt auf den Geschmack gekommen sind: Katzen – und zahlreiche andere wilde Kreaturen – sehen Sie in den nächsten Wochen in allen Regionen Österreichs: Am 27. und 28. September in Tulln (Du und das Tier), am 11. und 12. Oktober in Graz (Mensch & Tier), am 15. und 16. November im Raum Innsbruck (Internationale Katzenausstellung des KKÖ) und schließlich am 29. und 30. November in der Bundeshauptstadt (Haustiermesse Wien).

Ein junger Mann und ein Junge stehen auf einer Veranstaltungshalle nebeneinander.

Es gibt hier nicht nur Cat Content

Für die "Haustier aktuell + Exotica" bedeuten die 15.000 Zuschauer des vergangenen Wochenendes übrigens einen neuen Rekord. Das Publikum ist bunt gemischt: Bernhard (li.) und Oliver sind nur im Katzenareal, weil sie nun schon mal da sind. Eigentlich interessieren sie sich eher für die Tiere in den anderen drei Hallen der Arena Nova, insbesondere die Hunde und die Schlangen. Die restlichen Familienmitglieder passen auf, um zu verhindern, dass die beiden eine unliebsame Überraschung mit nachhause bringen.

Ein Mann hält eine Spinne in der Hand auf einer „Insectophobie“-Ausstellung.

Vogelspinne auf Abwegen

Mit dieser fetten Vogelspinne hätten sie vermutlich ihre Freude: Dabei entkommt der behände Achtbeiner beinahe in die Freiheit, als er nur Augenblicke nach dieser Aufnahme auf den Boden fällt. Glücklicherweise bleibt das Malheur fast unbemerkt und eine Massenpanik aus. Als ob sie mit so etwas gerechnet hätten, lassen die Veranstalter auf einem Infoständer wissen, dass weltweit keine Vogelspinne bekannt ist, deren Biss einen gesunden Erwachsenen zu töten vermag. Das ungefährliche Tier wird trotzdem sicherheitshalber schnellstmöglich wieder aufgeklaubt.

Eine Frau hält eine Stabschrecke auf ihrer Handfläche.

Streicheln erlaubt

Hier verursacht eine Riesengespenstschrecke Gänsehaut, das darf man auf Wunsch auch am eigenen Leib erfahren. Darüberhinaus gibt es Fische, Vögel, Meerschweinchen, Lamas und so weiter.  Die wahren Stars in der Manege sind aber klarerweise – die Esel!

Eine Vorführung mit Eseln und einem Wagen zieht die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich.

Der beste Freund des Menschen

"Der Esel ist eines der charmantesten Haustiere", enthüllt das Messe-Journal: "Er würde Sie nie im Stich lassen und steht Ihnen ewig als treuer und liebenswerter Freund zur Seite! Jede noch so kleine Aufmerksamkeit wird er Ihnen mit grenzenloser Zuneigung und Treue danken." Die Grautiere sind also im Kommen, von einem Esel "als schnelles Geburtstagsgeschenk für das Enkelchen" rät man dann aber doch ab. Der Verein IA-Austria – die Interessengemeinschaft österreichischer Eselfreunde – hätte dazu sicherlich noch mehr zu sagen.

Zwei Frauen betrachten eine Katze auf einer Katzenausstellung.

Im Mittelpunkt

Zurück in Halle 3, nur einen Katzensprung entfernt: Andrea nennt sich selbst "eine Katzennärrin". Darum ist ein Besuch hier für sie ein Muss, zumal sie mit einem der Aussteller befreundet ist. Mit ihrer Tochter Vanessa bewundert sie gerade die 14-monatige Dalmata, die von Eva stolz hergezeigt wird. Mit Leidenschaft schildert die Tschechin den Charakter ihrer Katze: Wie ein Hund folge ihr diese auf Schritt und Tritt. Für Streichelwillige hält Eva ein Desinfektionsmittel bereit.

Eine lächelnde Frau hält eine Sphynx-Katze im Arm.

"Sicher nicht natürlich", sagen Tierschützer

Als nun immer wieder frisch desinfizierte Hände nach ihr greifen, wird es der Cornish Rex mit den Fledermausohren zuviel: Dalmata zappelt, wehrt sich und kommt in ihren Käfig zurück. Nicht zuletzt wegen Stresssituationen wie dieser lehnen zwei Tierschutzorganisationen auf KURIER-Anfrage Katzenausstellungen als "sicher nicht natürlich" ab: Transport, Lärm, Styling, Artgenossen und Menschen können die Katzen schwer belasten.

Drei Frauen begutachten eine Katze auf einem Tisch bei einer Katzenausstellung.

Es gibt ein Leben nach dem Glanz

Ex-Grünen-Chefin Madeleine Petrovic, seit 2008 Präsidentin des Wiener Tierschutzvereins, weist außerdem darauf hin, dass das Problem nicht unbedingt nur bei den Züchtern liegt: "Die Leute, die diese 'schönen' Tiere kaufen, haben vielfach nicht die Zeit und Geduld für die nötige Pflege. Im Tierschutzhaus landen auch immer wieder Rassetiere. Fast immer sind die Langhaarkatzen in einem verwahrlosten und verängstigten Zustand, fast immer brauchen unsere Tierärztinnen den Rasierapparat. Das Schicksal der 'Schönheiten' nach dem Glanz der Ausstellungen sieht man selten!"

Bengalkater "Jupiter" mit Frauchen bei der "Haustier aktuell" 2014

"Faire" Ausstellungen

Vier Pfoten wendet sich dagegen, Tiere zu Ausstellungsstücken zu degradieren. Daher ist die Organisation Partnerin der PetExpo (12. bis 14. Juni 2015 in Wien), "der ersten fairen Haustiermesse Europas". Die Tiroler Haustiermesse (11. und 12. Oktober) stellt diesen Aspekt ebenso in den Vordergrund und verzichtet auf eine klassische Katzenausstellung. Bengalkater Jupiter im Bild, der wie ein kleiner Leopard anmutet, wird dort also sicherlich keinen Auftritt haben.

Eine graue Katze liegt in einem Käfig unter einem Tuch.

Woher Sie Ihre Katze bekommen...

Die gute Nachricht: Vier Pfoten sind von Katzenausstellungen in Österreich keine extremen Missstände bekannt. Nichtsdestotrotz – falls Sie erwägen, einen tierischen Gefährten anzuschaffen, überlegen Sie, ob Sie diesen nicht lieber vom Bauernhof oder aus dem Heim holen wollen (wobei die Tiere nicht immer kostenlos abgegeben werden). Nicht nur der KURIER (am 17. Oktober) sondern auch das Wiener Tierschutzhaus hat demnächst Tag der Offenen Tür, nämlich am 28. September.

Eine Frau hält eine nackte Katze im Arm.

Kostspieliges Hobby

Wie erging es eigentlich Irina? Sie wurde von der Preisrichterin ohne Urteil zurückgestellt, da sie mit ihren fünf Monaten noch nicht ausreichend entwickelt ist. Ein Kater, in den Züchterin Timea einige Hoffnung gesetzt hatte, schafft es nicht die die Bühnenshow der Besten am Ende des Ausstellungstages. Für beide will Timea jetzt einen guten Platz finden, mit rund 600 Euro pro Tier ist man dabei. Ein lohnendes Geschäft ist das der Ungarin zufolge aber nicht, denn für Aufzucht, Futter und Reisen kalkuliert sie 1.500 Euro: "Es ist ein Hobby, das mehr kostet, als es bringt."

Eine Frau hält eine braun getigerte Katze im Arm.

"You only live once" gilt nicht für Katzen

So blickt für heute manch einer mit Wehmut zurück. Doch es gilt auch hier das alte Katzensprichwort: Nach der Ausstellung ist vor der Ausstellung. Und wer zuletzt schnurrt, schnurrt am besten.

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