Bücherei Wullersdorf: Wo Kindern Lust zum Lesen gemacht wird

Lisl und Fritz Tradinik werden in der Bücherei von Maskottchen „Lesopold“ unterstützt.
Der Melkerhof in Wullersdorf im Bezirk Hollabrunn ist seit 1651 im Besitz des Stifts Melk. Durch eine schwere Holztür tritt man in das ehrwürdige Gebäude, das als Pfarrhof dient.
Seit sich Pater Godhalm 2020 in den Ruhestand begab, lebt kein Geistlicher mehr dort. Mit Leben erfüllt sind die Gemäuer dennoch, dafür sorgt die Öffentliche Bücherei Wullersdorf.
Die geht zwar auf die Initiative von Pater Godhalm zurück, das Gesicht der Bücherei ist aber das von Lisl Tradinik. Von Anfang an hat sie ihr Herz an die Bücherei verloren und sie ist seit über 30 Jahren mit Leib und Seele dabei.
Die Hetzmannsdorferin arbeitete in einem medizinischen Forschungslabor. Als sie Mutter wurde, war klar, dass sie diesen Beruf nicht mehr ausüben wollen wird. „Du kannst einen Versuch nicht pünktlich um 17 Uhr abbrechen“, sagt die heute 75-Jährige.
"So lange es mich freut und es freut mich immer noch"
Der Zufall brachte sie mit Pater Godhalm zusammen: „Mein Patenkind war das erste Kind, das er in Wullersdorf getauft hat“, erinnert sie sich. Da hat der Geistliche angemerkt, dass er gern eine Leihbücherei hätte. Das war im Herbst 1990.
Ein Projekt, das Tradinik gefiel und so wurde am 1. April 1991 – genau am 50. Geburtstag des Pfarrers – eröffnet. Damals hat sie gesagt: „Ich mach's, solange es mich freut – und es freut mich immer noch!“

Lisl und Fritz Tradinik werden in der Bücherei von Maskottchen „Lesopold“ unterstützt.
1991 bestand die Bücherei aus einem kleineren und einen größeren Raum. Bei dieser Erinnerung muss die Leiterin der Bücherei schmunzeln. Denn langsam hat sie mehrere Räume im Pfarrhof erobert.
Als die Heizung umgestellt und der Öltank entsorgt wurde, „haben wir den Raum gleich dazu genommen“. Schwierig war das mit Unterstützung des Hausherren freilich nicht.
So wird man Leseprofi
„Es war mir immer ein Anliegen, den Kindern Freude am Lesen zu vermitteln“, beginnen die Augen der Hetzmannsdorferin zu leuchten. Ferienspiele, Lesungen, Zusammenarbeit mit Schulen prägen das Büchereileben. Als sie die Ausbildung zur ehrenamtlichen Bibliothekarin machte, war ihr Thema: Sechs Schritte zum Leseprofi.
Da gibt's eine Leseschatzkiste mit Gutscheinen für die Bücherei für die Kleinsten, die Buchstartbühne im Kindergarten, das Buchstabenfest und den Bibliotheksführerschein für die Volksschulkinder – und Workshops für die Großen.
Zuletzt wurde im Vorjahr der Raum zwischen Bücherei und Zeitcafé adaptiert, dort sind Sachbücher zu finden. „Die werden jetzt viel besser genutzt, seit wir es so schön haben“, ist Tradinik erfreut.
Was ist das Zeitcafé? Das Projekt ihres Ehemannes Fritz. Der half immer schon in der Bücherei mit und machte in der Pension aber ebenfalls die Ausbildung zum ehrenamtlichen Bibliothekar.
Maskottchen "Lesopold"
Sein Projekt war das Zeitcafé, ein gemütlicher Raum, in dem Lesungen stattfinden oder die Besucher während der Öffnungszeiten Kaffee trinken können, mit ihren Kindern spielen, ihnen vorlesen oder einfach nur tratschen, weil die Kinder mit anderen spielen oder lesen.
Derzeit ist das Büchereiteam zu fünft, dazugekommen ist das Maskottchen „Lesopold“. Ein freches Erdmännchen, das manchmal vergisst, dass es eine Handpuppe ist, den Stift der Journalistin klaut oder den Kindern Bücher wegnimmt.
„Zu seinem Namenstag lädt er die Kinder auf Saft und Kuchen ein“, spricht Fritz Tradinik von den freundlichen Seiten des Erdmännchens.
Ausgebuchte Kuschelecke
Im Laufe der Jahrzehnte hat sich im Büchereialltag vieles verändert: Die ersten Entlehnungen wurden handschriftlich auf Leserkarten festgehalten. Mittlerweile läuft alles digital. „Die Eltern beschäftigen sich viel mehr mit ihren Kindern. Unsere Kuschelecken werden gut genutzt“, freut sich Lisl Tradinik.

Die Bücherei Wullersdorf
Auch der Lesegeschmack ist anders: Heimatromane werden kaum noch gelesen. Krimis und Thriller „gehen immer“, weiß sie. Bei den Kindern sind interaktive Bücher sehr beliebt, ebenso wie die Reihe „Little People, Big Dreams“.
Autorenlesungen stehen ebenfalls auf dem Programm der Bücherei, für Kinder und Erwachsene. „Bei uns gibt es aber immer etwas drum herum“, sagt Lisl Tradinik lachend. Denn Seiten in einem Buch lesen, könne schließlich jeder selbst.
Als etwa Beate Maly mit „Mord im Böhmischen Prater“ nach Wullersdorf kam, verwandelte sich der Gemeindesaal in den Böhmischen Prater. Fritz Tradinik spielte mit seiner Drehorgel und machte eine Fotoausstellung zum Thema.
All das kostet natürlich Geld. „Lisl ist eine Meisterin, im Förderungen Lukrieren – obwohl sie das gar nicht mag“, weiß ihr Mann. Da nickt die Büchereichefin: „Stimmt, für mich selbst würd' ich das nicht machen, für die Bücherei aber schon.“
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