Sowjet-Gulags: Die erschütternden Erinnerungen eines Politikers aus NÖ

Viele Menschen starben in den Sowjet-Gulags
Der Zweite Weltkrieg war bereits zu Ende, als für den niederösterreichischen Landtagsabgeordneten Ferdinand Riefler die Gefangenschaft begann.
Er wurde im August 1946 von der sowjetischen Besatzungsmacht verhaftet, weil er angeblich nicht verhindert hatte, dass bei einer politischen Versammlung im Weinviertel über Plünderungen und Vergewaltigungen durch Soldaten der Roten Armee geschimpft wurde.
Das Urteil für Riefler lautete: vier Jahre Zwangsarbeit.
18 Millionen Menschen inhaftiert
In den Gulags des Diktators Josef Stalin traf er auf den Amstettner Landtagsabgeordneten Franz Gruber, der zuvor ebenfalls festgenommen worden war – und zwar gemeinsam mit seiner Tochter Helene. Gruber überlebte die Haft nicht, seine Tochter kehrte erst nach 1960 nach Österreich zurück.
Von 1930 bis 1953 waren in den Lagern mindestens 18 Millionen Menschen inhaftiert. Mehr als 2,7 Millionen starben im Lager oder in der Verbannung.
Kooperation im Erinnerungsjahr 2025
Nachdem Riefler wieder heimischen Boden unter seinen Füßen hatte, schrieb er die schrecklichen Erlebnisse nieder, die er in den Gefängnissen und Arbeitslagern gemacht hatte. Dieser Bericht wurde 1956 veröffentlicht.
Im Erinnerungsjahr 2025 ist das Werk in Kooperation mit dem Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung (Barbara Stelzl-Marx, Christoph H. Benedikter) unter dem Titel „Verschleppt – Verbannt – Unvergessen“ neu aufgelegt worden.
Die Initiative für die aktuelle Publikation kam von Landtagspräsident Karl Wilfing (ÖVP). „Das Buch führt uns vor Augen, dass Demokratie nicht in Stein gemeißelt ist, sondern täglich verteidigt und gelebt werden muss. Daher ist es mir ein besonderes Anliegen, dass wir die Geschichten von Ferdinand Riefler und Franz Gruber nicht vergessen", betont Wilfing.

Wilfing (li.) hatte die Idee für das Projekt
Historiker Christoph H. Benedikter sorgte dafür, dass die damals veröffentlichten Erinnerungen Rieflers in den richtigen historischen Kontext gestellt wurden.
Sein Resümee nach der Bearbeitung des Buches: „Ferdinand Riefler und Franz Gruber stehen nicht nur für die etwa 2.000 von den Sowjets verschleppten österreichischen Zivilverurteilten. Sie repräsentieren zugleich eine ganze Generation, die mit einer erschütternden Abfolge historischer Katastrophen konfrontiert war."
Für Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) passt das Buch sehr gut in das heurige niederösterreichische Gedenkjahr „Erinnern für die Zukunft“: „Die Schicksale von Ferdinand Riefler und Franz Gruber waren das Ergebnis der Spaltung der Gesellschaft und des unversöhnlichen Gegeneinanders politischer Lager in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Leider nehme ich derzeit Tendenzen wahr, die wieder in diese Richtung gehen: Der Diskurs wird immer zugespitzter geführt, und die Meinung anderer wird – insbesondere in sozialen Medien – verächtlich gemacht."
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